Markus Winkler/unsplash
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Die EU nimmt in größeren zeitlichen Abständen Anpassungen des Urheberrechts an die Erfordernisse der Informationsgesellschaft vor. Die vom EU-Parlament verabschiedeten EU-Richtlinien müssen dann von den Mitgliedsstaaten bis zu einem bestimmten Stichtag in nationalen Gesetzen umgesetzt werden. Die EU-Richtlinie 2019/790 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt (DSM-Richtlinie) vom 17. April 2019 sieht zahlreiche urheberrechtliche Neuregelungen vor, die bis zum 7. Juni 2021 umzusetzen sind.

Massenhafte Urheberrechtsverletzungen

Die für Fotografinnen und Fotografen wichtigste Neuregelung betrifft die Einführung einer Haftung der großen gewerblichen Social-Media-Plattformen (Facebook, Youtube, Pinterest, Instagram etc.) für die von Privatpersonen hochgeladenen Inhalte, darunter Milliarden von Fotos. Bisher verstanden sich die Diensteanbieter nur als technische Dienstleister.

Für die millionenfachen Urheberrechtsverletzungen, die durch das ungenehmigte Hochladen von urheberrechtlich geschützten Werken Dritter entstanden, waren ausschließlich die hochladenden User verantwortlich. Sie konnten aber im Regelfall von den Geschädigten nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Diesen blieb somit nur die Möglichkeit, die Diensteanbieter aufzufordern, die rechtsverletzenden Inhalte zu löschen. In Anbetracht der Masse der Urheberrechtsverletzungen war dies eine unlösbare Aufgabe.
Die großen Social-Media-Plattformen, deren Attraktivität nahezu ausschließlich aus den von ihren Usern hochgeladenen Inhalten besteht, erzielen jährlich aus Werbeeinnahmen Milliarden-Umsätze und entsprechende Gewinne. Für die millionenfachen Urheberrechtsverletzungen, die durch das nicht autorisierte Hochladen von urheberrechtlich geschützten Werken entstanden, erhielten die geschädigten Urheberinnen und Urheber bisher keinen Schadenersatz.

Für Fotografien gibt es keine Werkverzeichnisse

Im Rahmen der Umsetzung der EU-Richtlinie werden nun zwei neue Rechtsinstrumente ins deutsche Urheberrecht eingeführt: die Verantwortlichkeit von Upload-Plattformen für hochgeladene Inhalte sowie Regelungen über kollektive Lizenzen mit erweiterter Wirkung. Hierfür sieht der aktuelle Gesetzesentwurf neben Anpassungen im Urheberrechtsgesetz (UrhG) ein ergänzendes neues Urheberrechts-Dienste-Anbieter-Gesetz (UrhDaG-E) vor. In ihm ist geregelt, dass die Plattformen für die öffentliche Wiedergabe ihrer Inhalte verantwortlich sind und dass sie die Pflicht haben, bestimmte Lizenzen für die öffentliche Wiedergabe geschützter Werke zu erwerben.

Die einzige Alternative zum Lizenzerwerb wäre, dass die Plattformen Upload-Filter einsetzen, die automatisiert urheberrechtlich geschützte Werke Dritter, die User hochladen, erkennen und herausfiltern. Bei Filmen und Musik können diese bereits eingesetzt werden, weil es entsprechende Werkdatenbanken gibt. Im Bereich der Fotografie sind solche umfassenden digitalen Werkverzeichnisse nicht vorhanden. Hier werden die Plattformen nicht darum herumkommen, sich nach geeigneten Vertragspartnern umzusehen, die entsprechende Rechtekonvolute verwalten.


Der Marktmacht der Social-Media-Plattformen begegnen

In Deutschland ist das für den Bereich Fotografie die VG Bild-Kunst, die in einer Partnerschaft mit dem Bundesverband professioneller Bildanbieter (BVPA), der das umfangreiche Bildangebot der Bildagenturen einbringt, über die notwendige und wettbewerbsrechtlich gestattete Bündelung des Fotorepertoires verfügt und durch das Verwertungsgesellschaftengesetz (VGG) von 2016 rechtlich zusätzlich unterstützt wird. So kann der Marktmacht der großen Social-Media-Plattformen auf Augenhöhe begegnet werden, was für die Durchsetzung einer angemessenen Vergütung unerlässlich ist.
Lizenzgegenstand sind ausschließlich urheberrechtlich geschützte Werke Dritter, die von Privatpersonen ungenehmigt auf die Plattformen hochgeladen wurden. Für Fotografien, die professionell handelnde User auf den Plattformen einstellen möchten, müssen diese weiterhin die Lizenzierung individuell mit den Rechteinhabern klären. Die VG Bild-Kunst will sehr darauf achten, dass ihr Kollektivlizenzmodell die Lizenzmodelle professioneller Fotografen und Bildagenturen nicht stört.
Das neue Gesetz sieht vor, dass die von der VG Bild-Kunst angebotene kollektive und erweiterte Lizenz (ECL) auch für Urheberinnen und Urheber gilt, die mit der VG keinen Wahrnehmungsvertrag abgeschlossen haben. Auch sie haben dann Ansprüche auf eine Vergütung durch die VG Bild-Kunst.

Die VG Bild-Kunst bereitet bereits vor Inkrafttreten der neuen Gesetze Tarife vor und veröffentlicht diese, so dass sie den Plattformen angeboten werden können.

 

Initiative Urheberrecht verlangt Nachbesserungen

Fotografinnen und Fotografen werden die Möglichkeit haben, mit einer Opt-Out-Option entweder für ihr Gesamtwerk oder für einzelne Fotografien die Vertretung durch die Kollektivlizenz für Upload-Plattformen zu unterbinden.

Aktuell befasst sich der Rechtsausschuss des Bundestages nach der ersten Lesung im Bundestag (26.3.) mit der aktuellen Textfassung des Gesetzesentwurfs. Dazu findet am 12. April 2021 eine Anhörung von 10 Experten statt, unter ihnen der Sprecher der Initiative Urheberrecht, die 35 Verbände und 140.000 Urheberinnen und Urheber vertritt. Die Initiative Urheberrecht verlangt im Interesse der Urheberinnen und Urheber zahlreiche Nachbesserungen am Gesetzestext.

Da es bei der Umsetzung der Urheberrechtsreform um einen fairen und angemessenen Interessenausgleich zwischen den Rechten der Urheberinnen und Urheber auf der einen Seite und der Berücksichtigung der Meinungs- und Kommunikationsfreiheit auf der anderen Seite geht, wird das Ergebnis immer ein Kompromiss sein.

Mit der Einführung einer Haftung der großen Social-Media-Plattformen für die öffentliche Wiedergabe der bei ihnen von Usern hochgeladenen Inhalte sowie ihrer Vergütungspflicht für alle von Privatpersonen auf ihre Plattform ungenehmigt hochgeladenen Werke Dritter wird mit dem neuen Gesetz für Urheberinnen und Urheber ein großer Erfolg erzielt.

Links zu weiteren Informationen zu diesem komplexen rechtlichen Sachverhalt:
1.    Text der EU-Richtlinie (EU) 2019/790 in deutscher Sprache:
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32019L079…  

2.    Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 09.03.2021 Drucksache 19/27426 („Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes“):
https://dserver.bundestag.de/btd/19/274/1927426.pdf

3.    Website der „Initiative Urheberrecht“ mit ausführlichen Stellungnahmen zum Regierungsentwurf des Gesetzes:
https://urheber.info

4.    Interview des Geschäftsführers der VG Bild-Kunst Dr. Urban Pappi in Profifoto 4/2021
https://www.profifoto.de/szene/notizen/2021/01/26/plattformlizenz-work-…

5.    Website „Fotografie hat Urheber – Urheber haben Rechte“ mit der kritischen Stellungnahme von fünf Fotografen zum Gesetzesentwurf und vielen weiteren Unterzeichnern
https://fotografie-hat-urheber.de