„Wem verdanken wir eigentlich die Erfindung der Digitalfotografie?“ Mit einem Mal steht eine simple Frage im Raum, als im Frühjahr der Geschäftsführende Vorstand der DGPh tagt, um eine*n Kulturpreisträger*in zu bestimmen. Die Vergabe soll im Herbst des Jahres auf der photokina stattfinden. Die Photofachmesse will 2008 ihren Schwerpunkt rigoros auf die Digitalphotographie legen.
Die Online-Recherche benötigt nur wenige Sekunden, das Ergebnis erweist sich als so valide wie überraschend. Steven J. Sasson, ein 1950 in Brooklyn geborener Ingenieur, hatte als Mitarbeiter der Eastman Kodak Company in Rochester 1975 eine Hand-held Electronic Still Camera entwickelt, die zum ersten Mal die CCD Elektronik als Sensor mit einem dauerhaften elektronischen Bildspeicher verknüpft.
Zwei Jahre später gelangt seine epochale Erfindung zur Patentierung. Sasson selbst bezeichnet seine Innovation mit großer Weitsicht als „Camera of the Future“. Es zählt zu den tragischen Facetten der Geschichte, dass die bahnbrechende Entwicklung bei Kodak nicht weiterentwickelt wird. Vielmehr wird die Patentierung unter Verschluss gehalten und Sasson von seinem Arbeitgeber vertraglich verpflichtet, sich nicht darüber zu äußern. Infolge bleibt sein epochaler Beitrag zur Weiterentwicklung der Photographie über Jahrzehnte nahezu unbekannt.
Begleitet von großem Medieninteresse wird der Kulturpreis der DGPh feierlich am 27. September im Kristallsaal der Kölnmesse an Steven J. Sasson vergeben. Gottfried Jäger hält die Laudatio. Der Preisträger reist eigens mit seiner Familie aus den USA an und bringt sein annähernd vier Kilogramm schweres „Baby“ mit. Flankierend zur Preisvergabe veröffentlicht die DGPh ein zweisprachiges Druckwerk mit einer Auflage von 300 Exemplaren. Neben der Laudatio enthält die Broschur eine Biografie des Preisträgers und den faksimilierten „Technical Report“ aus dem Jahr 1977. Daneben findet sich ein Essay über das erste Digitalbild, das von jener ersten Digitalkamera überliefert ist. Auf einem Fernsehbildschirm erscheint die Schwarzweißreproduktion eines Studioportraits. Es zeigt einen lächelnden Jungen mit seinem Hund. Das Glück ist ungetrübt.
Christoph Schaden