„Quo vadis – Photographie in Medizin und Wissenschaft?“ war der Titel der DGPh-Tagung im Oktober 2007 in Wuppertal, die den Rahmen zur Verleihung des Preises der Sektion für Medizin- und Wissenschaftsphotographie bildete (siehe auch 2002). Dieser trug bis ins Jahr 2017 den Namen Herbert-Schober-Preis und war nach dem einstigen Gründer der Sektion benannt. Prof. Herbert Schober (1905–75) war von 1957 bis 1964 auch ihr erster Vorsitzender. Dieser Preis der DGPh gilt als die älteste deutsche Auszeichnung ihrer Art. 1978 erstmals vergeben, honoriert sie herausragende photographische Arbeiten in Medizin und Wissenschaft.
Entsprechend vielfältig sind die Anwendungsgebiete von Photographie – von der standardisierten Dokumentation bestimmter Prozesse bis hin zur Darstellung des eigentlich Nicht-Sichtbaren. Wir bedienen uns dabei verschiedener Techniken und auch spezieller Apparaturen, angefangen bei der Röntgenphotographie und der Photographie des Augenhintergrunds, die wohl vielen geläufig sein dürften, bis hin zu Aufnahmen mit Hochgeschwindigkeitskameras oder beim Arbeiten im Infrarot- oder ultravioletten Spektrum.
„Quo vadis“? – zurück zu den Ursprüngen könnte man meinen, wenn man die Arbeitsweise von Edgar Lissel, dem Preisträger von 2007, genauer betrachtet: In den 1990er Jahren arbeitete er mit immer größeren Camerae obscurae bis hin zu einem ganzen Wohnraum, um sich anschließend den mikroskopisch kleinen Dingen zu widmen. Das Zeichnen mit Licht überließ Edgar Lissel in seinen prämierten Arbeiten „Bacterium-Vanitas“ (2000/01) und „Domus aurea“ (2005) nicht etwa den Kristallen auf einer Gelatineschicht oder Bits von Sensoren, sondern Bakterien, die aufgrund ihrer fototaktischen Eigenschaft (der Bewegung zum Licht) Lissels Medium der Wahl wurden.
Für „Bacterium“ züchtete er Cyanobakterien in einer Petrischale und belichtete wie bei Fotogrammen z. B. Fischgräten, verwelkende Blätter und Fliegen. Die dabei über einen Zeitraum von mehreren Tagen entstehenden Bilder sind ein Abbild vom Lebenszyklus der Bakterien, deren Vermehrung und Verderben. Eine Umkehrung dieser Arbeitsweise erfolgte bei „Domus aurea“. Diese von Kaiser Nero erbaute Villa wurde nach dessen Tod zugeschüttet und erst ab 1480 wieder entdeckt. Bakterien hatten zwischenzeitlich die Fresken an den Wänden zerstört. In Zusammenarbeit mit Wissenschaftler*innen extrahierte Lissel diese Bakterien, brachte sie auf Gipsplatten auf und belichtete diese über Monate mit dem Negativ eines bereits zerstörten Freskos. Auch bei dieser Arbeit sind Entstehen und Vergehen gleichermaßen für die Entstehung des Bildes verantwortlich.
Ein solch intensives Zusammenspiel von Wissenschaft und technisch-apparativer oder künstlerischer Photographie zeichnet seit jeher die mit dem DGPh-Preis für Wissenschaftsphotographie prämierten Werke aus.
Dorothea Scheurlen