Alles an Letizia Battaglia war Leidenschaft. Die Photographie, die sie erst im Alter von 40 Jahren für sich entdeckte und die ihre Sprache wurde, die ihre Waffe und ihre größte Liebe wurde. Genauso die Hingabe für die Menschen ihrer Heimatstadt Palermo, der sie nicht nur als Reporterin, sondern auch als Politikerin und unermüdliche Kämpferin für die Rechte der Frauen diente. Legendär aber wurde sie mit ihren Photographien, die das Unwesen der Mafia dokumentierten, und dafür erhielt sie 2007 den Dr. Erich Salomon-Preis. Letizia Battaglia starb am 13. April 2022 in Palermo.
Aufgewachsen in einem strengen, patriarchalisch geprägten Elternhaus, erzogen in einer Klosterschule, floh sie mit gerade einmal 16 Jahren in eine Ehe, die von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Also ging sie rastlos auf die Suche nach sich selbst, nach der Freiheit und dem Glück. Das führte sie an ihre Belastungsgrenze, aber es verlieh ihr auch Stärke und einen unbändigen Überlebenswillen. Schließlich landete sie in der Redaktion der linken Tageszeitung L’Ora. Es dauerte nicht lange und sie entdeckte, dass sie sich mit dem Photoapparat viel besser ausdrücken konnte als mit der Schreibmaschine. Die emotionale Spontanität entsprach eben so viel mehr ihrem Naturell. Schließlich wurde sie Chefphotographin von L’Ora und war damit die erste Frau in Italien, die als Photographin für eine Tageszeitung arbeitete. Ihren Platz in der männerdominierten Welt musste sie sich erst erkämpfen. Es war die Zeit des Krieges gegen die Mafia, der fortan das Lebensthema von Letizia Battaglia wurde und der Italien mit einer nie zuvor gekannten Brutalität konfrontierte, die sich oft in einem halben Dutzend Morde am Tag entlud. Giovanni Falcon, Paolo Borsolino und die unzähligen anderen namenlosen Opfer, die auf dem Asphalt lagen oder seltsam verrenkt in ihren zerschossenen Autos hingen. Letizia Battaglia hat uns in schonungsloser Offenheit die Brutalität eines janusköpfigen Systems vor Augen geführt, das sich anschickte Recht und Ordnung in Gänze auszuschalten.
Sie selbst fand ihre Photographien oft unerträglich und bekannte, dass „man nie mehr richtig glücklich sein kann“, wenn man all dieses Leid gesehen hat. Und natürlich wurde sie mit ihrer aufrechten Haltung, aus der sie nie ein Hehl gemacht hatte, auch zur Zielscheibe derer, die sie nicht nur mit ihren Bildern bekämpfte. Mit der Angst zu leben aber lernte sie und lehnte Personenschutz stets ab.
Die Romantisierung der Mafia hasste sie vielleicht am meisten, und wenn sie auf einem Wochenmarkt Kassetten mit der „Musica della Mafia“ entdeckte, dann konnte sie fuchsteufelswild werden. Auch dann war ihr Name ihr Credo. Das Leben von Letizia Battaglia war stets ein Kampf, ein Kampf um Liebe, der Kampf um ein besseres Leben für die Menschen in ihrer Heimat, ein Kampf gegen die Mafia, die das Land in ihrem eisernen Griff hielt. Ihr photographisches Œuvre aber nur auf die Bilder des Grauen zu reduzieren, würde Battaglia nicht gerecht. Abseits von Leid und Tod war sie eine Poetin mit der Kamera, fest verwurzelt in der Tradition der „Photographie Humaniste“. Ihre Bilder von Kindern und den einfachen Menschen in der quirligen süditalienischen Metropole berühren zutiefst und belegen das, was sie immer als Wichtigstes sah: „Ich fotografierte aus Liebe!“
Am Schluss war sie desillusioniert, aber immer voller Hoffnung, denn sie glaubte fest an die kommende Generation. Angst vor dem Tod, dem sie sie so häufig begegnet war, hatte sie nicht.
2007 verlieh ihr die DGPh den Dr. Erich Salomon-Preis und ehrte sie mit einer Ausstellung in Ludwigshafen. Die Laudatio hielt damals der ehemalige und zukünftige Bürgermeister von Palermo, Leoluca Orlando. Er würdigte vergangene Woche seine verstorbene Freundin: „Palermo verliert eine außergewöhnliche Frau, einen Bezugspunkt, Letizia Battaglia war ein international anerkanntes Symbol, eine Fahnenträgerin auf dem Weg der Befreiung der Stadt Palermo von der Herrschaft der Mafia.“
Hinter ihrem Sarg, der im Palazzo delle Aquile, dem Rathaus von Palermo, aufgebahrt ist, steht kein Bild der inzwischen historischen Schrecken der Mafiakriege, sondern das häufig zitierte Foto eines kleines Mädchens mit einem Fußball. Am Ende ist Frieden.
Michael Ebert