Thomas Hoepker
Nachruf von Ana Druga und Thomas Gust, Buchkunst Berlin
Der deutsche Fotograf Thomas Hoepker, geboren 1936 in München, ist am 10. Juli 2024 in Santiago de Chile im Kreise seiner Familie gestorben.
Thomas Hoepker zählte zu den bedeutendsten Fotografen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Viele seiner Fotografien, wie seine Portraits von Muhammad Ali und die Aufnahmen vom 11. September 2001, sind zu ikonischen Erinnerungsbildern geworden und in das kollektive Gedächtnis der Menschen eingegangen. Seine humanistischen Dokumentationen haben das Verständnis von künstlerischer Autorenfotografie geprägt. Hoepkers subtile Bilder haben oft einen humoristischen Ton, ohne dabei die Abgebildeten bloßzustellen: Bildgeschichten, die uns zum Lachen bringen können oder uns zum Nachdenken anregen. Hoepker wurde 1989 als erster deutscher Fotograf Vollmitglied der international angesehenen Agentur Magnum Photos. 1992 wurde er zum Vizepräsidenten ernannt; von 2003 bis Januar 2007 war er ihr Präsident.
Im Jahr 2017 wurde bei Thomas Hoepker Alzheimer diagnostiziert. Am 10. Juli 2024 ist der Fotograf kurz nach seinem 88. Geburtstag verstorben. Thomas Hoepker wurde 1936 in München geboren. Schon während der Schulzeit fotografiert er intensiv und noch während seines Kunststudiums beginnt er ab 1959 als Fotojournalist zu arbeiten. 1963 entsteht die Bildreportage eines Roadtrips durch die USA für die Zeitschrift Kristall: Erzählungen aus dem Alltag der Menschen, ein bildnerisch radikaler und menschlich intensiver Blick auf ein Land, welches von Rassendiskriminierung, Massenkonsum und Spiritualität geprägt und zerrissen ist. Mit der Reportage erlangte Thomas Hoepker internationale Anerkennung und wechselte zum Magazin Stern, wo er mit seinen Aufnahmen Generationen eine oft noch unbekannte, neue Welt nach Hause brachte. Thomas Hoepker war ein ruheloser Fotograf, immer auf der Suche nach dem nächsten Bild, von dem er wußte, dass es ihn finden würde. Hoepker bereiste alle Kontinente, seine Aufnahmen hat er sich mit seinen Füßen erschlossen. Er hielt sie für das unentbehrlichste Werkzeug eines Fotografen.
In der Welt hat er keine Grenzen, soweit wie möglich – akzeptiert, sich mit der ihm eigenen Eleganz und Willen darüber hinweg gesetzt. In einem geteilten Deutschland dokumentierte er über Jahrzehnte den Alltag und die Veränderungen im Leben der Menschen auf beiden Seiten der Mauer. Bereits 1959, als einen seiner ersten Aufträge besuchte er die damalige DDR an ihrem zehnten Jahrestag mit seiner Kamera.
1974 zieht er für eine umfangreiche Reportage für drei Jahre mit seiner damaligen Ehefrau, der Journalistin Eva Windmöller nach Ost-Berlin. Thomas Hoepker war auch ein Chronist des kalten Krieges, ein Autorenfotograf der mit seinen Serien einen fotografischen Zeitraum quer durch die Geschichte spannte, zu denen, die diese Geschichte gestalten.
Viele seiner fast unzähligen Reportagen – ab 1971 arbeitet Thomas Hoepker auch als Dokumentarfilmregisseur – haben ihn in Regionen bitterer Armut, geschüttelt von Kriegen und Krisen geführt. Noch heute lösen diese Bilder und die Filme, wie die von der Hungerkatastrophe im indischen Bundesstaat Bihar, 1967, oder die der verheerenden Hungersnot in Äthiopien im Jahr 1973, tiefe Emotionen aus. Thomas Hoepker sagte 1965: „Ich möchte versuchen, mit meinen Bildern zu provozieren, ohne Sensationen künstlich zu schaffen und ohne die Wahrheit zu entstellen. Aber ich möchte hin und wieder etwas in Bewegung bringen, um zu helfen“. Bereits 1962 fotografiert er die Indianerstämme der Konibo im Amazonas-Gebiet von Peru. Erschüttert vom Untergang der Menschen durch Krankheit und Hunger formuliert er hier für sich die Frage: „Darf man Elend und Krankheit und Tod fotografieren? Wie schafft man es, einem Kind beim Sterben zuzusehen?“ Die Kamera verschafft ihm die nötige Distanz, das alles auszuhalten und in emotionale Bilder zu verwandeln. Bereits im selben Jahr reist er nach Äthiopien um Leprakranke zu fotografieren, die auf Friedhöfen in zerfallenen Gräbern und Erdlöchern leben. Er gibt ihnen ein Gesicht, eine Würde. Fotografie ist für Thomas Hoepker immer eine Möglichkeit gewesen, sich für eine gerechtere Welt einzusetzen, er verstand seine Arbeit auch als Auftrag und Aufruf zum Ändern der Umstände, welche er dokumentierte.
Thomas Hoepker wurde 1967 und 1976 für seine Serien mit dem World Press Photo Award ausgezeichnet und 2014 in die Leica Hall of Fame aufgenommen. Mit vielen herausragenden Persönlichkeiten verbanden Thomas Hoepker intensive Freundschaften wie mit Muhammad Ali, dem Fotografen Elliott Erwitt oder dem Musiker Wolf Biermann. Seine Wahlheimat war ab Ende 1977 New York, er hat die Stadt und ihre Bewohner immer wieder porträtiert. Vieles in seinem umfangreichen Werk gilt es noch zu entdecken.
Seine Bilder werden in Retrospektiven auf der ganzen Welt gezeigt und befinden sich in allen wichtigen in den Museen und fotografischen Sammlungen. 2005 wurde er zum 50. Jahrestag seines fotografischen Schaffens mit einer retrospektiven Wanderausstellung in Deutschland geehrt.
Zu seinen bekannten Fotobüchern zählen „The Big Champ – Peperoni Books“ und „New York – teNeues“, sowie „Heartland – Peperoni Books“, „Leben in der DDR – ein STERN-Buch“, „The Way it was – Steidl“ und „Italia – Buchkunst Berlin“. Die Fotografien Thomas Hoepkers werden uns und künftigen Generationen helfen, uns selbst und unser Handeln als Auswirkungen auf die Welt, besser zu verstehen. Mit Thomas Hoepker ist ein großer Humanist mit einer ebenso großen Gabe des Bildermachens von uns gegangen.
Thomas Hoepker hinterlässt eine Ehefrau, die Filmemacherin, Christine Kruchen und einen Sohn, Fabian Hoepker.
„Ich bin kein Künstler. Ich bin ein Bilderfabrikant.“
Thomas Höpker, 1964
Ein Nachruf von Thomas Gust und Ana Druga (beide DGPh)