Das Photobuch hat in den letzten Jahrzehnten als zentrales Format der Bildpublizistik und eigenes Medium breite Aufmerksamkeit erfahren. Nachdem das Buch gegenüber Einzelbildern und Serien, künstlerischen Formen und Reportagen, zunächst zurückstand, widmeten sich Sammlungen, Ausstellungen, Preise und Forschung ihm nach der Jahrtausendwende stärker. Dabei stand Grundlagenarbeit, die einzelne Bestände erstmals zusammenträgt – wie dies etwa Martin Parr und Gerry Badger oder Manfred Heiting getan haben –, neben der Arbeit an Spezialfragestellungen, die beginnt, sich in Dissertationen, auf Tagungen oder in Zeitschriften auszubilden.
Zu den nur temporär eingerichteten, trotzdem wichtigen Stipendien der DGPh, die sich besonders an junge Forscher*innen richten, gehörte das DGPh-Stipendium zur Geschichte des deutschsprachigen Photobuchs. Es wurde auf Initiative und mithilfe eines Legats des international renommierten Designers, Kurators, Sammlers und Photographie-Förderers Manfred Heiting (DGPh) eingerichtet. Das Stipendium berücksichtigte alle Facetten von Produktion, Distribution sowie Rezeption von Photobüchern und stand für kultur-, medien-, technik- und wissenshistorische Ansätze offen. Es wurde 2013 an Julia Catherine Berger für Ihre Arbeit Reise ans Meer. Maritime Bilder in Photoalbum und Photobuch sowie 2015 an Mareike Stoll vergeben. Die daraus resultierenden Publikationen sind 2016 bzw. 2018 im Verlag der Buchhandlung Walther König erschienen.
Stoll untersucht in ihrem Band ABC der Photographie. Photobücher der Weimarer Republik als Schulen des Sehens wichtige Bücher wie Aenne Biermanns 60 Bilder (1930) und Alfred Ehrhardts Das Watt (1937) aus einer zentralen Entwicklungszeit für das Medium. Zugleich skizziert sie eine erste Theorie des Photobuchs als einer Schule des Sehens. Ihr Band – dessen Grundlage ihre in Princeton 2015 abgeschlossene Dissertation bildet – stellt den pädagogischen Kontext von Photobüchern als „Wahrnehmungsfibeln“ in den Mittelpunkt, die, durch Auswahl, Montage und Sequenzierung, Betrachten und Lesen, Vergleichen und Korrelieren von Text und Bild, Erblättern und Begreifen im Wortsinn als Werkzeuge der photographischen Alphabetisierung fungieren sollten (Stoll, 10f). Damit folgt sie der utopischen und demokratischen Forderung vieler Vertreter*innen der Weimarer Republik nach visueller Alphabetisierung und entwickelt zugleich anhand ihrer Objekte ein eigenes Instrumentarium der Analyse von Photobüchern, dass die aktive Rolle der Betrachter*innen und Leser*innen betont.
Angela Matyssek