Fotobibliothek im Hause Gruber
Fotobibliothek im Hause Gruber

Es gehört zu den schönen Traditionen der Kölner Fotoszene, dass der Geburtstag der Fotografie (*1839) im Hause des Sammlerehepaares Renate und L. Fritz Gruber gefeiert wird. Nach dem Tod ihres Mannes 2005 führte Renate Gruber diese Tradition fort und konnte am 19. August 2021 Erfreuliches verkünden: Die „Gruber Library – Fotobuchsammlung Renate und L. Fritz Gruber“ kann als nationales Kulturerbe erhalten und zukünftig für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Die 5000 Fotobücher, Ausstellungskataloge, Pressepublikationen und Ephemera – oftmals mit  persönlichen Widmungen  – wurden von der ZeroFourFoundation gGmbH für das ­PhotoBookMuseum gUG in Köln erworben, das noch ohne feste Bleibe ist. Anna Gripp sprach per Zoom mit den Initiatoren des ­PhotoBook­Museums Markus Schaden und Frederic Lezmi sowie mit Anne-Katrin Bicher, Geschäftsführerin der ZeroFourFoundation und vom PhotoBookMuseum.

Anna Gripp: Wann kann die Fotoszene mit einem Ort für das Photo­BookMuseum in Köln rechnen?

Anne-Katrin Bicher: Zu der Zeitachse möchte ich ganz diplomatisch antworten, dass die natürlich vom Standort abhängt. Je nach Liegenschaft werden unterschiedliche bauliche Maßnahmen erfolgen müssen. Deswegen können wir zum tatsächlichen Eröffnungsdatum noch nichts sagen. Im intensiven Austausch mit der Stadt Köln sind wir aktuell dabei, die bestgeeignetste Liegenschaft zu identifizieren.

Demnach könnte also noch ein Neubau oder größerer Umbau bevorstehen?

Markus Schaden: Bereits 2019 wurde ein Machbarkeitsplan für das PhotoBookMuseum im Bunker in der Kölner Körnerstraße begonnen, dieser wird nun bei den Planungen als Option aufgenommen. Wir sind nach den Kommunalwahlen jetzt mit einer neuen Situation in der Stadt konfrontiert. Stefan Charles wird Ende Oktober seine Arbeit als neuer Kulturdezernent aufnehmen. Für uns war es sehr wichtig, im Vorfeld des Termins am 19. August ­Gespräche mit den politischen Vertretern zu führen.  

Gibt es denn die Chance, bis zu einem Um- oder Neubau interimsmäßig eine Spielfläche für das PBM  in Köln zu bekommen? Diesen Sommer waren doch eigentlich die ehemaligen Opelhallen im Gespräch. Ich habe den Eindruck, dass so ein Ort für den Austausch in der Szene schmerzlich vermisst wird.  

Frederic Lezmi: Wir sind da dran. Geht ein Türchen zu, geht ein neues auf. Wir vermissen den Austausch auch!

Anne-Katrin Bicher: Auf ein Programm vom PBM wird man nicht warten müssen, bis ein festes Haus entsteht! Wir werden in der Zwischenzeit Ausstellungen machen, Kooperationen eingehen und auch mit der Gruber Library arbeiten.

Renate Gruber
Renate Gruber vor ihrer Fotobuchsammlung. Fotos: Marvin Ibo Güngör, ZeroFourFoundation gGmbH 2021

Die Gruber Library bleibt vorerst im Hause Gruber. Könnt Ihr dennoch Einblicke bieten?  

Anne-Katrin Bicher: Auf jeden Fall. Es geht jetzt um die weitere Erschlie­ßung und das Schaffen der museologischen Voraussetzungen, dann können wir mit einem Teilbestand Ausstellungen realisieren.  

Frederic Lezmi:  Es gibt ja viele Möglichkeiten, auf so eine Bibliothek zu blicken – auch Rekonstruktionen, Virtual Reality – da lassen sich schöne Zwischenformate finden, daran arbeiten wir bereits.

Markus Schaden: Dem PBM geht es generell um einen innovativen Umgang mit einer Bibliothek. Nicht nur das wertvolle Einzelstück, sondern die Bedeutung und Relevanz eines gesamten Bestandes – in Verbindung zur Biographie der Sammler – interessieren uns. Wir sind auch sehr gespannt, wie z. B. die Tate Modern in London mit dem Martin-Parr-Bestand umgehen wird. Ich gehe davon aus, dass der auch nicht als eine A-bis-Z-Library unkommentiert sein Dasein fristen wird.

In der Pressemitteilung zur Gruber Library habt Ihr Euch selbstbewusst  als „weltweit einziges Museum seiner Art“ bezeichnet. Könnt Ihr nochmals beschreiben, was das PBM auszeichnet?

Markus Schaden: Wir sind ja 2014 angetreten mit einem Prototyp im Carlswerk in Köln und ich erinnere mich an einen Kommentar zur  6000 qm Halle: „Schaden, so viele Bücher haste doch gar nicht“. Die brauchten wir auch nicht, denn wir wollten die Bücher ja vermitteln und haben da verschiedene Displays und Präsentationen realisiert. Das war der erste Schritt. Danach sind wir mit den Containern gereist, haben Kontakte zu Leuten gesucht und eine Art Feldrecherche betrieben. Mit dem großen „Welt im Umbruch“-Projekt und der Unterstützung der Montag Stiftung Kunst und Gesellschaft hatten wir dann die Chance, mit dem Medium Fotobuch weg vom hehren Elfenbeinturm der Experten zu gehen. Da haben wir viele Erfahrungen gemacht, auch in Workshops, die das Medium einer breiten Leserschaft näherbringen. Diese Erfahrungen möchten wir jetzt nutzen. 

Anne-Katrin Bicher: Wir sehen uns hier in einem aktuellen Diskurs über die Identität und Aufgaben­ von Museen, ich nenne als Stichworte Partizipation und multiperspektivische Blicke auf Sammlungen. Die Zukunft ist da sicher vielfältig und ­divers, so dass wir die Struktur des PBM ganz bewusst nicht fest definieren, sondern eine Offenheit mitbringen wollen. Dafür ist das PBM ja auch bekannt: Es geht uns um Austausch und zeitgemäße Vermittlung und nicht um die Etablierung eines Anachronismus, also eines Museums des 19. Jahrhunderts.

Mit der Präsentation am 19. August tauchte die ZeroFourFoundation als neuer Akteur in der Fotoszene auf. Die gGmbH hat ja nicht nur den Ankauf ermöglicht, sondern wird auch das PBM fördern. Das ist ein großes Glück, oder?  
 

Markus Schaden: Das ist es in der Tat ...

Könnt Ihr etwas mehr über diese Förderer erzählen?

Anne-Katrin Bicher: Die ZeroFourFoundation ist eine unabhängige ­gemeinnützige gGmbH, eine Neugründung. Die wunderbare Zusammenarbeit mit dem PBM steht am Anfang der ­Aktivitäten, aber die Zwecke sind weiter gefasst, es geht um die Förderung der visuellen Künste in ihrer Vielfalt.
Wichtig ist zu erwähnen, dass in Zukunft noch weitere Stakeholder*innen für die Realisation des PBM als festen Standort benötigt werden und wir auch die Stadt Köln, die öffentliche Hand, nicht aus der Verantwortung lassen wollen.  

Ihr verfolgt ja sicher die Diskussionen um das geplante Bundesinstitut für Fotografie. Wie seht Ihr das als PBM?

Markus Schaden: Wir sind hier an einem Punkt, der für die Fotografie, für das fotokulturelle Erbe sehr wichtig ist und ich hoffe, dass durch die unschönen Grabenkämpfe das Projekt nicht in Ungnade bei den politisch Verantwortlichen fällt. Als PBM fiel uns auf, dass das Fotobuch bei den Konzepten für das Institut und bei dem Symposium im Februar 2020 keine zentrale Bedeutung hat, sondern – so wie wir es gewöhnt sind – als ein Posten, als Handbibliothek auftaucht.
Aber ich erinnere mich an eine Diskussion um das österreichische Fotomuseum; es war, glaube ich, Thomas Seelig, der hier sehr treffend formuliert hat, dass die Fotografie heute so komplex und vielfältig ist, dass man davon absehen sollte, einer Institution alle Bereiche des Mediums aufzuerlegen.  Das wäre eine vollkommene Überforderung und spricht zugleich für die große Bedeutung der Fotografie. Ich folge da eher einer Netzwerk-Idee, die an eine Vielfalt, auch international, glaubt, aber für Deutschland ein Fundament, einen Ort schafft, der in der Lage ist, Dinge zu koordinieren.

Frederic Lezmi:  Als Essener Absolvent und großer Ruhrgebietsfan ist mir die Stadt Essen näher als Düsseldorf, aber das ist meine persönliche Meinung. Ich hoffe, dass dieses längst überfällige Projekt realisiert wird mit einem ganzheitlichen Angang an die Fotografie und es hier nicht nur um die Kunst geht. Ich finde es natürlich super, dass das Institut hier in der Region entstehen soll und wir als PBM sind da zu jeglicher Kooperation bereit.

Anne-Katrin Bicher: Ich denke, da geht es anderen Institutionen und Initiativen ähnlich: Wir wünschen uns alle eine Bereicherung und ­Erleichterung, keine Konkurrenz. Durch das zentrale Institut und das Netzwerk, das es etablieren möchte, könnte eine Stärkung erfolgen.   

Markus, das Schlusswort für Dich: Was gibt es noch zum PBM zu sagen?

Markus Schaden: Ich war natürlich sehr angetan, dass es mir gelungen ist, am 19. August 2021 Clément Chéroux aus New York per Video dabei zu haben. Als Chefkurator für Fotografie am MoMA möchte er die Fotografie öffnen, diverser machen. Er meint, dass das Fotobuch heute aus der Position der Sammler einen ähnlichen Stellenwert hat wie das Künstlerbuch in den 80er-Jahren. Auch das MoMA ist dabei, seinen als Bibliothek organisierten Bestand neu zu betrach­ten, neu zu aktivieren. Das ist natürlich ein hoffnungsvoller Support, wenn der Leuchtturm der Fotografie in New York hier einem ähnlichen Ansatz folgt wie das PBM.

thephotobookmuseum.com
zerofourfoundation.com

Das Interview erschien zuerst im Magazin Photonews 10/21 und wurde der DGPh freundlicherweise von Anna Gripp zur Verfügung gestellt.

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