Iwona Knorr. Selbstporträt
Iwona Knorr. Selbstporträt
1.    Wie sind Sie zur Fotografie gekommen?

Zwei Masterabschlüsse, in Germanistik und Business Administration, haben mich beruflich zunächst auf einen Karriereweg im Management gebracht. Als ich durch günstige Lebensumstände die Freiheit bekam, mich neu zu definieren, probierte ich verschiedene kreative Tätigkeiten aus. Eine davon entwickelte sich zu einer Passion und das ist die Fotografie. Dass es nicht Schreiben, Malen, Töpfern, Filzen, Bildhauerei oder Möbeldesign geworden ist, liegt wahrscheinlich daran, dass ich Bewegung brauche, gerne meine Komfortzone verlasse und mich für Entdeckungen begeistern kann.  

2.    Welcher Bereich der Fotografie ist aktuell am wichtigsten für Sie?

Ganz klar das FOTOBUCH. Seit geraumer Zeit experimentiere ich mit diesem Format und sehe darin sehr viel kreatives Potenzial. Meine Fotobücher gestalte und binde ich selbst, und ziehe einen Graphiker inzwischen lediglich beratend hinzu. Mir ist es zum Bedürfnis geworden, meine Kompetenzen über das Fotokünstlerische hinaus so zu erweitern, dass ich den gesamten Entwicklungsprozess bestimmen kann. Und, ich bin mir sicher, dass in Zukunft das Format FOTOBUCH zu einem Oberbegriff für eine Vielfalt von Genres stehen wird. Verschiedene Gattungen sind eigentlich schon da. Es fehlen noch die Begriffe dazu.

3.    Welches fotografische Projekt würden Sie in Zukunft gerne umsetzen?

Die Arbeitseinschränkungen während der Pandemie haben zur Entstehung meines sehr persönlichen Fotobuchs mit dem Titel ANGST geführt. Thematisch würde ich mich gerne weiteren emotionalen Erfahrungen widmen und dabei mein Konzept der aktivierenden Fotografie anwenden. AKTIVIERENDE FOTOGRAFIE nenne ich meinen Ansatz, Fotos zu schaffen, die zum Handeln inspirieren.

4.    Nennen Sie uns zwei bis drei Fotobücher oder fotografische Arbeiten, die Sie besonders beeindruckt haben.

Mich beeindrucken sehr viele, verschiedene Fotobücher. THE DISTANCE BETWEEN US von Christopher Capozziello ist eines, das mich nachhaltig berührt hat. Capozziellos porträtiert darin seinen an Kinderlähmung leidenden Zwillingsbruder in Form eines emotional intensiven und ehrlichen Tagebuchs. Ungeschönt intime Fotos harmonieren mit direkt formulierten Texten. Insgesamt ist das Fotobuch bis ins kleinste Detail gut durchdacht und stimmig.


Diese beinahe brutale Ehrlichkeit seine Ängste und Verzweiflung darzustellen, schätze ich auch sehr bei Leif Sandberg, der in ENDING, nach einer aussichtslosen ärztlichen Diagnose, sein Sterben inszeniert. Auch er möchte auf einen Text nicht verzichten und wählt die Form eines poetischen Dialogs.  


Frank Ockenfels3, VOLUME 3, ist anders als die zwei zuvor vorgestellten Fotobücher. Bereits der spartanisch gestaltete Einband mutet ein unfertiges Werk an. Ockenfels3 erzählt uns keine Geschichte. Wir blättern in seinem Skizzenbuch, in dem er mit dem Portrait experimentiert. Was mich an diesem Werk immer wieder aufs Neue fasziniert und inspiriert, ist die Leichtigkeit mit der Ockenfels3 Fotografie mit Zeichnung und Collage kombiniert.

5.    Welche historische Persönlichkeit der Fotogeschichte hätten Sie gerne kennengelernt?

Wenn Bilder auf mich wirken, dann befinde ich mich bereits in einem Dialog mit deren Urheber und spüre nach. Fotografie ist ein visuelles Medium, das keiner Sprache bedarf, wenn sie gut ist. Das genügt mir vollkommen.

IWONA KNORR, 1.11.2022

 

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