Photo Martina Virbom
Anlässlich der Verleihung des Robert-Luther-Preises an Gerhard Bonnet veranstaltete die Sektion Wissenschaft und Technik am 6. November an der FH Köln einen High-Dynamic-Range-Workshop
Seit vierzehn Jahren war der Robert-Luther-Preis der Sektion Wissenschaft und Technik nicht mehr vergeben worden. Mehr als sechzig Interessierte hatten sich zu der denkwürdigen Veranstaltung eingefunden, darunter leider nur wenige DGPh-Mitglieder. Während der den Workshop einleitenden Preisverleihung beschrieb Prof. Dr. Hans Brümmer, Vorsitzender der Sektion, kurz die Umwälzungen, die sich in den letzten Jahrzehnten vollzogen hatten. 1966, als der Preis zum ersten Mal vergeben wurde, stand die Photographie, insbesondere die deutsche Photoindustrie, noch ganz im Zeichen der Chemie. Bis zu seiner bis jetzt letzten Vergabe 1995 wurde der Preis für Photochemische Erkenntnisse vergeben. Der Titel der vor genau zwanzig Jahren prämierten Arbeit lautete beispielsweise: „Festkörperchemische Vorgänge bei der Herstellung Photographischer Emulsionen." Der damalige Preisträger, Dr. Wolfgang Schmidt, ist inzwischen einer der beiden stellvertretenden Sektionsvorsitzenden. Er verfolgte die Preisverleihung an Gerhard Bonnet sichtlich erfreut.
Gerhard Bonnet erhält den diesjährigen Preis für die Entwicklung der vollspärischen Kamera SpheroCam HDR, die von der von ihm mitgegründeten Firma SpheronVR AG entwickelt wurde. Er ist seit 2002 alleiniger Vorstandsvorsitzender von SpheronVR.
Hans Brümmer stellte den Preisträger und dessen Leistungen in seiner Laudatio vor. Gerhard Bonnet ist Jahrgang 1967 und studierte Physik an der TU Kaiserslautern. Er beschäftigte sich mit Laserphysik und Holografie, wobei er auch freie künstlerische holografische Arbeiten schuf. Nicht nur dies weist Bonnet als vielfältig Interessierten aus. Er unterbrach seine Studien mehr als einmal, um als Tauchlehrer zu arbeiten oder in fernen Gewässern zu segeln. Schließlich begann er in der zweiten Hälfte der 90er Jahre seine Promotion an der TU unter der Leitung von Prof. Klaas Bergmann, der seinen Mitarbeitern bewusst genügend Freiräume für eigene Projekte ließ.
Zu dieser Zeit war der Bedarf entstanden, im Internet virtuell begehbare Räume zu präsentieren, beispielsweise die Zimmer in einem Hotel. Grundlage hierfür waren Technologien wie QuickTime von Apple. Ausgangsmaterialien waren jedoch Aufnahmen auf Film, die aufwändig zu 360° Panoramen zusammengesetzt werden mussten. Dieses „Stitching“ nach vorhergehendem Scannen der Bilder klappte jedoch nicht immer einwandfrei. Zudem stellte der eingeschränkte Dynamikumfang ein Problem dar. Besonders ärgerlich für die Photographen war, dass das Ergebnis nicht vor Ort schon zu beurteilen war. „Das verlassen des Ortes war“, schmunzelte Gerhard Bonnet in seinem lebendigen Vortrag, „mit erhöhtem Risiko verbunden.“
Noch als Doktorrand kam Bonnet mit Photographen in Kontakt, die ihm ihre Probleme schilderten. Als digitale Lösung entwickelte er mit Kollegen den Prototypen einer digitalen Panoramakamera, die 1998 auf der photokina gezeigt wurde. Sie erregten damit große Aufmerksamkeit. Bescheiden nannte Bonnet die dazu nötigen, entscheidenden technischen Entwicklungen, insbesondere ausgefeilte Kalibrierungen, als „Physikers Hausaufgabe“. Die Begeisterung der Kunden war so groß und ansteckend, dass die Begeisterung für die Formeln der Physikpromotion abnahm.
Unabhängig von der Panoramaphotographie hatten sich seit Mitte der 1980er Jahre in der Computergrafik virtuelle Beleuchtungstechniken entwickelt. Zwei Pioniere auf diesem Gebiet waren Greg Ward und Paul Debevec. Dabei bestand das Problem, dass nicht nur die Helligkeiten des Objekts modelliert werden mussten, sondern auch die der Lichtquellen. 1997 hatte Debevec die Idee, virtuelle Gegenstände mit real aufgenommenen Lichtquellen zu beleuchten (Image Based Lighting, IBL). Aufwändig mussten dazu jedoch erst einmal verschiedene Aufnahmen mit unterschiedlichen Belichtungen Photographiert werden, weil traditionelle Filme mit ihrem Belichtungsumfang von 8-10 Blenden den Dynamikumfang einer realen Szenerie von 25 und mehr Blenden nicht auf einmal einfangen konnte (High Dynamic Range Imaging; HDRI). In diesem Kontext wurde die SpheroCam HDR entwickelt und im Jahr 2000 vorgestellt.
Bonnet betonte, dass die Häufigkeit, mit der inzwischen mit Begriffen wie „HDR“ und „IBL“ hantiert wird, oft vergessen mache, dass die zugrundeliegenden Innovationen erst etwa zehn Jahre zurückliegen.
Um die technologische Entwicklung im Bereich HDR – Computergrafik – Photographie zu beschreiben, verwies Gerhard Bonnet auf eine bemerkenswerte Analogie zwischen Musik und Bild. Die künstliche Erzeugung von Tönen sei zunächst mit analog-elektronischen Mitteln erfolgt. Die Erfindung des digitalen Synthesizers hätte dann zu Versuchen geführt, den spezifischen Klang bestimmter Instrumente rein synthetisch zu erzeugen. Die Klänge seien allerdings immer erkennbar künstlich geblieben. Erst als Töne realer Instrumente digital gesampelt, weiterverarbeitet und beliebig kombinierbar wurden, seien realistisch klingende, rein digitale Generierungen möglich geworden. Offensichtlich spielen so viele unbekannte Einzelfaktoren bei der Erzeugung eines realen Tons eine Rolle, dass sie nicht alle rein synthetisch erzeugt werden können. Die Entwicklung in der Computergrafik sei es ähnlich verlaufen. Die rein synthetischen Bilder der 1980er und 1990er Jahre seien immer als solche erkennbar gewesen. Erst die gesampelten HDR-Bilder, wie sie mit der SpheroCam HDR möglich wurden, hätten die Möglichkeit eröffnet, virtuelle Bilder mit realistischer Anmutung zu erschaffen.
Knapp und präzise charakterisierte Bonnet die SpheroCam HDR als ein Messgerät für die Bestimmung von Lichtintensitäten. Sie sei somit keine Kamera im eigentlichen Sinn des Wortes. Photos müssen aus den erfassten Daten erst berechnet werden.
Am Ende seines mitreißenden Vortrags betonte Bonnet, dass das HDR-Imaging in nur zehn Jahren zu einer etablierten Technologie geworden sei. Inzwischen gibt es nicht nur recht große Konferenzen zum Thema HDR, wie beispielsweise im September dieses Jahres an der Stanford University, bei denen Bonnet einer der Vortragenden gewesen war. Allein die Liste der Firmen, die Spheron-Produkte einsetzen, ist inzwischen lang und umfasst Firmen und Institutionen aus allen möglichen Bereichen, von Automobilfirmen und Hollywood-Studios über die NASA bis zum BKA, um die Bandbreite nur grob zu skizzieren.
Die Anwendung der HDR-Photographie mit der SpheroCam HDR wurde eindrucksvoll demonstriert durch Andreas Mierswa, Studio Mierswa-Kluska, und Andreas Krämer, TechVis München (Vortragsfolien). Mierswa zeigte, wie HDR-Aufnahmen in der Praxis zu Werbezwecken entstehen, vor allem im Fahrzeugsektor, während sich Krämer auf die bemerkenswerten Einzelfragen fokussierte, wie ein virtuelles Modell, ausgehend von den Konstruktionsdaten (CAD), in eine reale Umgebung mittels CGI-Programme eingebettet werden kann (Computer Generated Images).
Insbesondere im Automobilbau sind HDR- und IBL-Verfahren Stand der professionellen Technik. Beide Vorträge vermittelten einen realistischen Eindruck über das vielschichtige Know-How und die kreative Finesse, die im Workflow beherrscht werden muss. Interessant war allerdings auch die Feststellung von Andreas Krämer, CGI hätte, anders als von manchen Beobachtern vor wenigen Jahren prophezeit, die nicht-virtuelle Photographie realer Objekte nicht verdrängt. In vielen Fällen wäre eine „normale Photographie“ einfacher und somit kostengünstiger zu erstellen, als ein CGI-basiertes, virtuell-reelles Bild. Zudem verfügten viele Branchen nicht über CAD-Daten in der Qualität, die für überzeugende, generierte Bilder notwendig wäre.
Den Abschluss des Workshops bildeten die Vorträge von Prof. Dr. Gregor Fischer, Institut für Medien- und Phototechnik der FH Köln (Vortragsfolien), und Paschá Kulijew, ehemaliger Student der FH und inzwischen bei Limelight Photography, Utrecht (Vortragsfolien). Sie beschäftigten sich mit den Grundlagen der HDR-Photographie und der Erzeugung von HDR-Bildern mit digitalen Standardkameras. Fischer schlug einen Bogen von klassischen Verfahren in der Photographie, insbesondere dem Zonensystem von Ansel Adams, bis zum HDRI. Kulijew zeigte anhand zahlreicher Beispiele, worauf beim Erstellen von HDR-Photos zu achten ist und welche Tools verwendet werden sollten.
Dr. Christian Gapp
Im Anschluss an den Workshop fand die Mitgliederversammlung der Sektion Wissenschaft und Technik statt. Der Vorsitzende Prof. Dr. Hans Brümmer gab einen Überblick über die Aktivitäten der Sektion im Zeitraum 2002 – 2009 (siehe Bericht). Die angebotenen Veranstaltungen hatten regelmäßig gute bis sehr gute Teilnehmerzahlen – allerdings war die Zahl DGPh-Mitglieder in der Regel sehr überschaubar. In der Vorstandswahl wurden Brümmer als Vorsitzender sowie Dr. Wolfgang Schmidt und Prof. Dr. Gregor Fischer als seine Stellvertreter ohne Gegenstimmen bestätigt.