Photographie – wie geht die Reise weiter?

Über die Nachhaltigkeit digitaler Bilder

Auf dem von der Sektion „Wissenschaft und Technik“ der DGPh zusammen mit der Kölnmesse und der Prophoto GmbH unter dem Titel „Photographie – wie geht die Reise weiter?“ veranstalteten Symposium sprachen sieben Referenten und eine Referentin über Grundsatzthemen der Photographie: Kameratechnik, RAW-Formate, Color Management, Lebensdauer von CD und DVD, Langzeitarchivierung auf Microfilm, Fine-Art-Printing, Beständigkeit von Drucken und Verschmelzung von realer und virtueller Photographie.


Wolfgang Seljé, © Christian Gapp

Die Orientierungsfrage:„digital oder analog?“, welche die Diskussionen über Photographie jahrelang geprägt hatte, ist endgültig beantwortet. Die mit digitalem Standard-Equipment erreichbare Qualität liegt heute deutlich über der vergleichbarer analoger Verfahren. Im Fokus standen daher mögliche Entwicklungen spezifisch digitaler Eigenschaften.

Ein übergeordneter Problemkreis, der in den meisten Vorträgen anklang, war der der Nachhaltigkeit digitaler Bilder:

• Wie zukunftssicher sind die, vor allem im professionellen Workflow eingesetzten, proprietären RAW-Formate?

• Wie lassen sich digitale Bilder nicht nur für wenige Jahre sichern, sondern zuverlässig für mehrere hundert Jahre archivieren?

• Wie wird sich die Haltbarkeit digitaler Prints entwickeln?

• Welche neuen Basistechnologien werden in absehbarer Zukunft eine Rolle spielen?

Paradoxer Kulturtrend

Die Photographie war das erste technische Bildmedium überhaupt. Und von Anfang an war das „Festhalten eines Moments für die Ewigkeit“ eine ihrer Hauptaufgaben. Somit scheinen die besonders gravierenden Haltbarkeits- und Archivierungsprobleme, die beim Übergang von analogen zu digitalen Verfahren aufgetaucht sind, vor allem die Photographie zu betreffen.

Prof. Hans Brümmer, © Christian Gapp

Prof. Hans Brümmer, Vorsitzender der Sektion „Wissenschaft und Technik“, wies jedoch auf den übergeordneten kulturhistorischen Kontext hin, als er feststellte, 5.000 Jahre alte, in Tontafeln eingeprägte Keilschrifttexte seien bemerkenswerter Weise auch heute noch lesbar, während wir zunehmend Medien verwendeten, die Daten nur für wenige Jahre zuverlässig speichern würden. Obwohl in der Frühzeit der Schrift eine Jahrtausende lange Haltbarkeit von Dokumenten sicherlich nicht angestrebt wurde – das Bewusstsein für Geschichte entwickelte sich ja erst allmählich durch Gebrauch und Evolution der Schrift – wurden häufig Materialien eingesetzt, die eine potenziell extrem lange Haltbarkeit aufweisen. Heute ist das Bewusstsein um die geschichtliche Relevanz von Dokumenten voll entwickelt, dennoch gehen viele Informationen infolge unzureichender Speichermedien verloren. Dieser paradoxe Kulturtrend findet sich im Kleinen auch in der Photographie wieder. Glasnegative sind haltbarer als Filme, und Filme sind haltbarer als die derzeit verfügbaren digitalen Speichermedien. Durch die neuen Technologien muss die Bedeutung altbekannter Begriffe neu bestimmt werden. „Haltbarkeit“ und „Archivierung“ sind zwei davon.

Haltbarkeit und Archivierung

Sowohl die physikalische Haltbarkeit von Filmen, als auch von analogen und digitalen Prints lässt sich durch eine (Farb-) Dichteänderung definieren. Wenn ein Print die Haltbarkeitskriterien nicht mehr erfüllt, also etwa einen Farbstich aufweist, so ist er zwar ein „Artefakt“ geworden, transportiert jedoch oft noch genug Informationen für die Rekonstruktion seines Ursprungszustandes. Die Lebensdauer als „nützlicher Artefakt“ kann ein Vielfaches der Haltbarkeitsspanne betragen. Dies ist bei rein digitalen Medien völlig anders, da sie nur mit einer technischen Infrastruktur nutzbar sind. Infolge neuer Technologien kommt es vor, dass ein Speichermedium nicht deshalb unlesbar wird, weil das Medium zerstört wäre, sondern weil sich kein geeignetes Lesegerät mehr findet. Deshalb finden die rein physikalischen Haltbarkeitskriterien oft nicht genügend Beachtung, weil die Meinung vorherrscht, ein bestimmtes Medium würde wohl eher durch ein neues ersetzt, als physikalisch unlesbar. Es gibt genügend Beispiele aus der Informationstechnologie (IT), die diese Haltung als sehr gefährlich ausweisen. In ihnen musste an sich „veraltete“ Technologie aus unterschiedlichsten Gründen noch Jahrzehnte nach ihrem allgemeinen Verschwinden weiter betrieben werden.

Neben der Gefahr, dass Speichermedien infolge technischer Innovationen nicht mehr lesbar sind, gibt es das Risiko der Dyskontinuität von Computerprogrammen. Selbst wenn für ein bestimmtes Speichermedium noch Lesegeräte in ausreichender Anzahl vorhanden sind, kann die gespeicherte Information verloren sein, nämlich dann, wenn die Dateiformate von aktuellen Programmen nicht mehr gelesen werden können und ältere Programme auf aktuellen IT-Plattformen nicht mehr ausführbar sind. Dieses Problem ist bereits bei manchen proprietären RAW-Formaten digitaler Kameras aufgetreten und wird an Schärfe weiter zunehmen. Jan-Willem Rossée plädierte daher für die Etablierung eines einheitlichen, standardisierten RAW-Formats.

Digital speichern, analog archivieren

Beschreibbare CDs und DVDs spielen in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle, denn sie gelten für viele private und professionelle Anwender als Standardmedien für die Archivierung. Lange Haltbarkeiten werden meist einfach als gegeben angenommen, obwohl in der Praxis vor allem unter Preisgesichtspunkten eingekauft wird. So ist böses Erwachen vorprogrammiert. In seinem Vortrag ging Hans Brümmer daher der Frage nach, wie haltbar CDs und DVDs wirklich sind. Mit dem überraschenden Ergebnis, dass immense Unterschiede zu finden sind. Nur wenn für die CD-Beschichtung Phtalocyanin und Gold verwendet werden, bestätigen unabhängige Tester eine potentiell lange Haltbarkeit, die laut der Hersteller länger als 100 Jahre sein soll. Aber welcher Käufer weiß schon, dass er nach einer solchen Beschichtung Ausschau halten sollte? Bei anderen Beschichtungen ist die Haltbarkeitsdauer entweder umstritten oder erwiesenermaßen deutlich geringer. Sie liegt bei billigen Produkten bei maximal fünf Jahren.

Eine klassische Archivierung besteht, stark vereinfacht ausgedrückt, aus nur zwei Schritten: der Erzeugung des zu archivierenden Produktes (Original oder Kopie) und seiner sachgerechten Lagerung. Die in der Routine verwendeten IT-Verfahren basieren vor allem auf Backup-Lösungen. Dies sind regelmäßig stattfindende Datensicherungen. Es ist nicht ihr Zweck, Dokumente für Jahrhunderte zu bewahren, sondern bei einem fatalen Systemabsturz Datenverlust zu verhindern. Digitale Archive benötigen jedoch darüber hinaus kontinuierlich anzupassende Migrationsprozesse, d.h. die archivierten Daten müssen in bestimmten Abständen immer wieder auf neue Medien umkopiert werden. Jede Unterbrechung von Backup- oder Migrationsprozess, etwa durch eine Krise, birgt das Risiko von Totalverlusten in sich.

Darauf wies auch Rainer Tewes hin, der das von ihm entwickelte „savedpictures"-System vorstellte. Dieses verwendet langzeitbeständigen Ilford Micrographic Film, also ein schon seit Jahrzehnten verwendetes, sehr gut bekanntes Material, dessen Haltbarkeit unter "guten Bedingungen" von Experten laut Tewes auf „mehrere Jahrhunderte" veranschlagt wird. Es fallen bei dem System keine Migrationskosten an und die Qualität der archivierten Filme lässt sich relativ leicht prüfen. Hans Brümmer goss die Haltbarkeitsthematik in die griffige Empfehlung: "Digital speichern, analog archivieren."

 

Die Vorträge

Dietmar Wüller, Image Engineering, Frechen
Technischer Stand der Kameraentwicklung. Was ist noch zu erwarten?

Im Fokus des Vortrages standen mögliche Entwicklungen bei Photohandys, bei Digicams der gehobenen Kompaktklasse und bei digitalen Spiegelreflexkameras. Infolge der geringen Größe der bei Kompaktkameras eingesetzten Sensoren führt der ungebremste Trend zu immer höheren Pixelanzahlen zu schlechterer Bildqualität. Der von Kameras zu bewältigende Dynamikumfang wird sich vergrößern. Zudem sind Weiterentwicklungen von Life-View-Techniken bei digitalen Spiegelreflexkameras zu erwarten.

 

Jan-Willem Rossée, Lasersoft Imaging AG, Kiel
Die Notwendigkeit eines standardisierten Rohdatenformates (RAW)

Derzeit gibt es etwa 230 proprietäre RAW-Formate, von denen manche von den Herstellern auch noch verschlüsselt werden. RAW-Formate sind insbesondere im professionellen Workflow allen anderen Formaten überlegen, da alle von der Kamera gelieferten Informationen nachträglich verwendet werden können. Photographen wollen ein digitales Pendant zum Negativ, das zukunftssicher und plattformunabhängig ist. Dies ist langfristig nur mit einem offenen, herstellerunabhängigen Standard zu gewährleisten.

 

Heinz-Jürgen Groß, DeltaE Image Consulting, Mönchengladbach
Colormanagement – Kommunikation statt Schuldzuweisung

Colormanagement gilt weiterhin als „schwierig". Aber auch mit alten, analogen Technologien gab es große Probleme bei der Darstellung von Farben. Nur konnten diese infolge fehlender Steuerungsmöglichkeiten nicht systematisch angegangen werden. RGB-Werte sind ohne zusätzliche Informationen wertlos. Heute ist das Arbeiten mit Colormanagement nicht nur einfacher, sondern auch viel kostengünstiger als noch vor wenigen Jahren. Dies gilt insbesondere für die Kalibrierung von Monitoren, auf die heute auf keinen Fall verzichtet werden darf. Ausschlaggebend für durchgehende Qualität ist die funktionierende Kommunikation der Workflow-Partner.

 

Prof. Dr. Hans Brümmer, Vorsitzender der Sektion Wissenschaft und Technik, Springe
Lebensdauerprobleme bei der Bildarchivierung auf CD-ROM und DVD

CD-ROM und DVD werden heute oft als Standard-Archivmedien benutzt. „Lange" Haltbarkeiten werden dabei oft einfach vorausgesetzt. Je nach Qualität und verwendeten Materialien kann es jedoch beträchtliche Unterschiede zwischen CDs und DVDs verschiedener Hersteller in der physikalischen Haltbarkeit geben. Entsprechende Kriterien zur Auswahl geeigneter CDs und DVDs sind den Konsumenten und Anwendern meist gar nicht bekannt.

 

Rainer Tewes, savedpictures, Stuttgart
Langzeitarchivierung von Digitalkameradaten auf Microfilm

Eine Strategie für eine auf mehrere Jahrhunderte angelegte Langzeitarchivierung kann nicht davon ausgehen, dass Bilder und Dokumente im Laufe der Zeit immer wieder auf neue Medien umkopiert („migriert") werden. Eine substanzielle Krise (Krieg, Technologieabriss, o.ä.) führt schnell zum Totalverlust eines migrationsabhängigen Archivsystems. Eine Archivierung auf langzeitstabilem Farbmicrofilm zusammen mit den entsprechenden Farbrauminformationen ist hingegen eine wartungs- und migrationsfreie Lösung.

 

Hermann Will, fine art printer, München
17 Schritte zur Fine-Art-Qualität
Teil1, Teil2 und Teil3

Die Inkjet-Technologie ist die Print-Basistechnologie für das Fine-Art-Printing. Das Angebot an Papieren von Drittherstellern ist groß. Profile können selbst erstellt werden, allerdings bieten die Hersteller auch eigene Profile an. Umwelteinflüsse spielen eine besondere Rolle für die Haltbarkeit eines Prints. Um daher bei Bildveränderungen nachweisen zu können, dass nach dem Stand der Technik gearbeitet wurde, empfiehl es sich, Zertifikate für Drucke auszustellen. Diese enthalten u.a. Angaben über das verwendete Papier und die Farbe.

 

Dr. Rita Hofmann, ILFORD Imaging (Switzerland) GmbH
Beständigkeit von Drucken – Erwartungen und Wirklichkeit

Dr. Rita Hofmann, © Christian Gapp

Farbstoffe und Farbpigmente haben sich in den letzten Jahren in ihren bildwirksamen Eigenschaften angenähert. Die besten Pigmenttinten sind jedoch immer noch haltbarer, als die besten Farbstoffe. Für die Haltbarkeit sind vor allem die Wechselwirkungen mit Luftsauerstoff, Wasser, Ozon sowie anderen atmosphärischen Bestandteilen mit dem Licht entscheidend. Die Wirkung des UV-Anteils von Licht wird meist überschätzt. Besonders schädlich für Bilder ist Ozon, das nicht nur an heißen Sommertagen entsteht sondern auch in Laserdruckern.

 

Wolfgang Seljé, Thorsten Jasper Weese, recom GmbH, Ostfildern
CGI – Reality Based Visualization / Verschmelzung realer und virtueller Photographie

Computer Generated Images (CGI), also mit Computerprogrammen erzeugte realistische Bilder, sind dabei, die Werbephotographie zu revolutionieren. Ursprünglich aus der Kinofilmproduktion kommend, haben Programme und spezielle Kameras, wie die SpheroCam HDR, ein Qualitätsniveau erreicht, das für die Erzeugung von Photographien mit mehreren Megapixel Größe ausreicht. Mit dieser Technologie können noch nicht im realen Modell existierende Produkte, etwa Autos, photorealistisch in reale Szenerien eingebettet werden. Dies spart nicht nur Zeit und Geld, sondern macht es möglich, viel früher als bisher Kataloge und Werbematerialien zu erstellen. Die Arbeitsweise eines Produktphotographen ändert sich hierbei grundlegend.

Christian Gapp