Der Vietnamkrieg - nachgestellt
Der 1949 in San Francisco geborene Photograph David Levinthal kann ein ansehnliches Oeuvre vorlegen, für das er vorzugsweise eine großformatige Polaroid-Kamera einsetzte. Dabei geht es ihm vor allem um die vielfältigen Aspekte amerikanischer Kultur, auch wenn er maßgeblich durch seine zwischen 1972 und 1975 erarbeitete Bildserie „Hitler Moves East“ bekannt geworden ist. Dabei simulierte er unter Einsatz von Kinderspielzeug dessen Schlachten an der Ostfront – nur das Feuer war echt, wie Lisa Hostetler in ihrer ausführlichen Einführung mitteilt.
Denn schon in den 1970er Jahren gehörte Spielzeug zu Levinthals Lieblingsutensilien: „Spielzeuge erstaunen, ja verblüffen und ich möchte einfach sehen, was ich als Photograph damit anstellen kann. Auf hohem Niveau zeigen sie, dass Erwachsene ihre Jugendzeit nicht vergessen haben.“ Und so ist dem Photographen durchaus der Wert, den Kinderspielzeug hat, bewusst: „Als ich anfing, mich mit Spielgeräten zu befassen, war ich regerecht verblüfft darüber, welche unbändige Kraft diese entwickeln konnten, wenn sie auf bestimmte Art und Weise photographiert wurden, beispielsweise wie ich mit geringer Schärfentiefe Bewegung und Realität erzeugen konnte.“
In seinem im Kehrer-Verlag, Heidelberg, erschienenen opulenten Bildband „Vietnam“ erkundet David Levinthal anhand von Photographien mit durchschlagender Wirkung das visuelle Lexikon des Vietnamkriegs, der zwischen 1955 und 1975 unter kräftiger Mithilfe der USA zwischen Nord- und Südvietnam wütete, am Ende von Nordvietnam gewonnen wurde und letztlich zur Wiedervereinigung Vietnams führte. Mit Hilfe von Spielzeugsoldaten reflektiert er in starken Farbaufnahmen die Folgen des Konflikts für die amerikanische Populärkultur ebenso wie seine eigenen Erinnerungen an diese Zeit. Das Ergebnis beweist den raffinierten Umgang des Künstlers mit Techniken zur Darstellung kriegsbasierter Dioramen. Das großformatige Buch erinnert mit seinen über 130 Farbphotographien an Filme wie ‚Platoon‘ und ‚Full Metal Jacket‘ und stellt die in Zusammenarbeit mit dem Cartoonisten und Comicautoren Garry Trudeau Anfang der 1970er Jahre entstandene Serie ‚Hitler Moves East‘, die für Levinthals Durchbruch sorgte, in einen neuen Kontext:
Mit Textbeiträgen des französischen Philosophen Bernard-Henri Lévy, des Kritikers Walter Kirn und der Kuratorin Lisa Hostetler ist der Band letztlich die visuelle Bestandsaufnahme eines Kriegs, der gängige Vorstellungen über Amerika zerstörte. (vZ)
David Levinthal
Vietnam
Texte: Lisa Hostetler, Walter Kirn, Bernard-Henri Lévy
Format: 33 x 28 cm, Leineneinband mit Titelschild und Schutzumschlag
204 Seiten mit 132 Farbabbildungen
Sprache: Englisch
Heidelberg, Kehrer Verlag
ISBN: 978-3-96900-145-5
58,00 €