Uckermark. Isabel Kittler

Das von Isabel Kittler (1966, lebt in Berlin und der Nordwest-Uckermark) vorgelegte Buch „Uckermark“ ist ein interessanter Beitrag zu Dokumentarfotografie, denn beim Betrachten tritt das Buch augenblicklich in einen Dialog mit dem hier vor einiger Zeit vorgestellten Buch „Randlage Uckermark“ von Ulrich Wüst (Edition Braus).

Isabel Kittler setzt in ihrer Werkserie mit Farbfotografien die Landschaft und die Architektur der Orte optisch gegen die Menschen, die hier leben und arbeiten wie die Tiere. Stilistisch changieren ihre Fotografien zwischen strenger Dokumentarfotografie und den pointiert anachronistischen Aspekten der dargestellten Alltagssituationen (S. 15, 25, 69). Durch ihre zwei Standbeine kann Isabel Kittler sehr akzentuiert den Gegensatz zwischen den „Einheimischen, Menschen mit schlesischen Wurzeln, Bauern, kinderreichen Familien, Altenteilern, einem Dorfalltag mit Traditionen und Gewohnheiten, wie die Jagd oder das Schlachten“ und dem 100 km südlich liegendem „hippen Berlin“ herausarbeiten. Die Uckermark ist keine „Randlage“, sondern es ist das Land an sich wie es seit der letzten Eiszeit entstanden ist, - ein Lebensgefühl, das wir in unseren Städten vollständig verloren haben. Isabel Kittlers fotografische Intention ist ein emphatischer, interessierter beobachtender Blick auf eine Region, die anders ist als die gängigen Klischees vom „Landleben.“ Auch in den Porträts zeigt sie individuelle Facetten von bodenständigen Charakteren.

Der Text von Judka Strittmatter ergänzt die Fotografien mit der Begründung, warum Isabel Kittler sich dieses Thema gewählt hat. Sie geht auf die Touristen, Berliner und Zugezogenen ein, die in den Fotografien ausgeblendet werden.

Bei Ulrich Wüst steckt in allen Fotografien - ein „magischer Realismus,“ der offen ist für alle möglichen Fantasien der Betrachter. Bei dieser Art Fotografie macht es Sinn, dass der literarische Text von Saša Stanišić (Roman Herkunft erschien 2019) den Fotografien vorangestellt ist, denn mit seinen verbalen Betrachtungen und Imaginationen von Situationen zeigt er dem Leser die Herangehensweise von Ulrich Wüst an das Thema, und wie und wo dieser seine Motive gesucht und gefunden hat.

Wüst und Kittler zeigen eine Region in ihren Widersprüchen mit den Spuren einer modernen Zivilisationsgesellschaft und im gleichen Motiv sind auch die anachronistischen Aspekte einer stehengebliebenen Entwicklung, die uns an Erlebnisse aus unserer Jugendzeit erinnern.
Für Fotografen*innen sind beide Bücher und vor allem der direkte Vergleich miteinander eine besondere und sehr intensive Inspiration zu einzelnen Aspekten der eigenen Arbeit. Kunstwissenschaftler*innen erhalten dabei einen wichtigen Zugang zu den Intentionen und Arbeitsweisen in der Dokumentarfotografie.

An den Regionen in Deutschland interessierte Leser*innen haben den direkten Vergleich der Uckermark aus zwei sehr differenzierten Perspektiven einer Landschaftsdarstellung jenseits aller Klischees von „blühenden Rapsfeldern unter weißblauem Himmel “ und idyllischer Ferienregion.

Eine gelungene Publikation, die den gezeigten Werkgruppen künstlerisch gerecht wird und zum Nachdenken über die Dokumentarfotografie und ihre künstlerischen Möglichkeiten anregt. Ein Beitrag zu weiteren Diskursen über die stilistischen Varianten konzeptueller Fotografie, der auch zeigt, dass für außergewöhnliche Fotografien keine „exotischen Orte“ erforderlich sind. (db)

Uckermark
Isabel Kittler

Text von Judka Strittmatter
Deutsch, Englisch
Buchgestaltung Festeinband, interessantes Verzeichnis der Bildunterschriften
96 Seiten, circa 84 Abbildungen in Farbe
Edition Braus, Berlin
ISBN 978-3-86228-235-7
20,00 €