Das Buch 'Treffpunkt Rom 1810' zeigt keine Fotografien, ist aber für die zeitgenössische Fotografie von stilistischem und medialem Interesse. Es gibt praktische Anregungen wie man sich als Fotograf*in künstlerisch, thematisch und in seiner Bildsprache weiterentwickelt. Daraus ergeben sich neue formale und theoretische Themen, die im Idealfall neue Kontakte mit der Möglichkeit von Ausstellungen und Publikationen entstehen lassen.
Die mit dem Buch »Treffpunkt Rom 1810« gezeigte Thematik - sich mit künstlerischen Arbeiten zu profilieren, wäre auch für die Fotografie eine interessante Variante. Ist es in der zeitgenössischen Fotografie doch auch von Bedeutung für seine Werkserien und geplanten Projekte Kunstinteressierte, wohlhabende Institutionen und Bürger zu finden, da staatliche Förderung nicht alles Sehenswerte ermöglichen kann. Hier ist der im Buch ausführlich beschriebene Freundeskreis (Netzwerk) um Caroline von Humboldt, der als Begegnungsstätte für Künstler*innen fungierte von Bedeutung. Aktuell könnte eine solche neutrale Förderrolle ein 'Bundesinstitut für Fotografie' in Deutschland übernehmen, wenn es den an einem neutralen Ort wie z.B. Essen käme und nicht partikularen Interessen wie einer Schule oder Stilrichtung zugeordnet wird. Das von Caroline von Humboldt ausgehende Engagement kann man heute in der Liste der bedeutenden Künstler*innen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sehen.
Eine aktuelle Version wäre dann das Anlegen von (Portfolio) Mappen, für die ein jeder Künstler*in ein Werk (Fotografie) gibt und die von den Unterstützern dann in ihrem Tätigkeitsbereich oder Freundeskreis gezeigt werden. So entständen ein großer Öffentlichkeitseffekt und viele Kontakte, und im Nachhinein könnte man erkennen wer zu wem Kontakt gehabt und welchem Austausch und welche Inspiration es gab!
Die im Buch gezeigten Zeichnungen von Künstlern wie Thorvaldsen oder Koch bis zu den gerade in Rom eingetroffenen Lukasbrüdern Overbeck und Pforr, die wie Schick oder Daniel Rauch aus dem Beziehungskreis um Caroline von Humboldts (Gattin des Kulturwissenschaftlers Wilhelm v. Humboldt, preußischer Botschafter am Heiligen Stuhl) gehören. Betrachtet man die weitere Entwicklung dieser Künstler dann wird der große Einfluss dieses Humboldt-Kreises deutlich und seine Wirkung auf die Kunst in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Neben dem geplanten 'Bundesinstitut für Fotografie' bedarf die zeitgenössische Fotografie vor allem solcher Förderkreise, die unabhängig von Politik und scheinbarem Marktwert tätig werden. Durch direkte Aufträge, durch Subskribenten und gesponserte Ausstellungen kann Fotografie in Ihrer Vielfalt gefördert werden. Es werden dadurch Biografien und Entwicklungslinien, die Wirkung der Sammlertätigkeit und Stipendien deutlich.
Die ausführliche wissenschaftliche Erschließung, dieses Themas ist ein bedeutender Forschungsbeitrag und ermöglicht, dass man zukünftig aus diesem Fundus schöpfen kann und in den kommenden Jahren sicher neue Werkserien auch als Bücher präsentiert werden. Ein empfehlenswertes Buch als Dokument der kulturellen Bedeutung der Portfoliomappe aber auch für deren stilistische Impulse für die Fotografie. Es regt dazu an einer neuen erweiterten künstlerischen Fotografie mit neuen Ansätzen zu mehr Aufmerksamkeit und Anerkennung zu verhelfen. Eine gelungene Publikation, die den gezeigten Werkgruppen künstlerisch gerecht wird und zum Nachdenken über die Fotografie und ihre künstlerischen Möglichkeiten anregt. Thematisch ein interessanter Beitrag zu weiteren Diskursen über die konzeptionellen Varianten einer Verortung der Fotografie in der Kunstszene. (db)
Ausstellung bis 30. Januar 2022 im Schloss Wilhelmshöhe, Kassel
Treffpunkt Rom 1810
Hrsg.: Museumslandschaft Hessen Kassel
Texte von Anna Ananieva, Victoria Cordts, Susanne Glasl, Nico Kirchberger, Peter Prange
Deutsch
Buchgestaltung Festeinband
208 Seiten, 130 Farb- und 5 SW-Abbildungen
Michael Imhof Verlag, Petersberg
ISBN: 978-3-7319-1005-3
29,95 €