Das Thema »Deutschland« war in den 1990er Jahren auf Grund der gerade erfolgten Wiedervereinigung häufiger ein Buch Thema mit verschiedenen konzeptionellen Strukturen. Damals gab es folgende Ansätze „Landschaften und Baukunst“ „Orte und ihr historischer Hintergrund“ „Landschafts- Architektur und Geschichts-Impressionen,“ die einer Photographen*innen Generation geschuldet waren, die nur einen Landesteil kannte und den anderen wie Neuland entdecken musste. „Das Bild der Heimat“ von Herbert List sicher ein Klassiker der SW-Photographie und zeigte ein Deutschland in den Grenzen von 1938. Mit Menschen im Alltag sind die „Deutsche West“ und „Deutsche Ost“ von Stefan Moses wohl die berühmtesten Bücher.
Der jetzt zur 30. Wiederkehr der Wiedervereinigung erschienene Bildband von Burkardt beruht auf seiner 30jährigen Auslandstätigkeit (GEO, STERN, Reportagen vom Zerfall der UdSSR) nach der er ein neues (Heimat-)Land entdeckte. Dafür wählte er einen ungewöhnlichen konzeptuellen Ansatz, indem er sich von deutschen Liedertexten zu einer ungewöhnlichen Deutschland-Reise inspirieren ließ. Er hat seine subjektiven Eindrücke inspiriert von Songtexten aktueller deutscher Popmusik wie ‚Mädchen von Kreuzberg‘ von Prinz Pi, ‚Rotlichtmilieu‘ von Haftbefehl, ‚Eppendorf‘ von Samy Deluxe oder ‚Hinterland‘ von Casper, in große Bilder übersetzt: frei, schräg, verstörend, fröhlich, rätselhaft – zu einem Spiegel deutscher Zustände und Befindlichkeiten geformt. So kommt es zu der Motivvielfalt u.a. von Walen an Dithmarschens Nordseeküste, dem urbayrischen Gäubodenfest in Straubing, den Hinterlassenschaften der „Rock am Ring“-Besucher und dem Kölner Karneval.
Das Buch ist ein empathischer Blick auf eine fremde Welt und zugleich auf ein als vertraut empfundenes Land. Die Photographien werden mit Zitaten aus den Liedtexten unterlegt so ist jede Doppelseite neben der Photographie mit dem Namen der jeweiligen Band und des Textdichters sowie einer Bildunterschrift mit den persönlichen Impressionen des Photographen gestaltet. Die Texte spielen eine wichtige Rolle im Buch so hat Silke Müller (STERN) in ihrem einführenden Text die Entwicklung der der deutschsprachigen Popmusik (von1974 mit Kraftwerk bis Rammstein und den Toten Hosen) dargestellt und Peter-Matthias Gaede (GEO) anhand von früheren Reportagen Hans-Jürgen Burkards seinen Werdegang als Bildjournalist.
Eine interessante und gelungene Publikation, als Dokument der Entwicklung des Deutschland-Bildes (seit 1950) und dessen Impulse für den klassischen Fotojournalismus und die Photographie. Für Kulturwissenschaftler und Photographen ein gleichermaßen interessantes Buch, das schön gestaltetet ist mit einer sachlich funktionalen Buchgestaltung von Bild, Text und persönlichen Impressionen. Das Buch regt zum Nachdenken über die Photographie und ihre Möglichkeiten zur Identitätsstiftung an, und für den Profi wie ambitionierten Amateurphotographen auch eine schöne Anregung für eine eigene Photographieserie zu einem persönlichen Deutschland-Bild. (db)
Ausstellung "IN UNSEREM LAND“ Photographien von Hans-Jürgen Burkard bis Februar 2021 im Haus der Geschichte (Bonn)
Hans-Jürgen Burkard (DGPh)
AN TAGEN WIE DIESEN
Texte: Silke Müller, Peter-Matthias Gaede, Hans-Jürgen Burkard
Deutsch
Buchgestaltung Festeinband, Leinen gebunden, French-Fold-Schutzumschlag
224 Seiten, ca. 111 Abbildungen
Verlag Edition Lammerhuber, Baden bei Wien
ISBN 978-3-903101-39-5
49,90 €
Ausstellung "IN UNSEREM LAND“ Photographien von Hans-Jürgen Burkard bis Februar 2021 im Haus der Geschichte (Bonn)