Photographien von drei Meisterphotographen
Die Erfahrungen des Ersten Weltkriegs und die Hyperinflation von 1923 führten für die Kunstschaffenden zu einer Ernüchterung: Nach dem eher emotionalen und phantasievollen Expressionismus machten sie sich daher auf die Suche nach neuen Inhalten und Ausdrucksmöglichkeiten. Ein Streben nach Klarheit und Objektivität setzte ein. Auch in der Photographie rückte die Abbildung der nüchternen und ungeschönten Wirklichkeit in den Vordergrund.
Es war Gustav Friedrich Hartlaub, der damalige Direktor der Mannheimer Kunsthalle, der im Jahr 1925 seine legendäre Ausstellung „Neue Sachlichkeit“ benannte. Damit schuf er einen epochemachenden, gleichzeitig bleibenden Begriff der Kunstgeschichte. Dabei war es in erster Linie die Photographie, die die Realität unmittelbar und ungeschönt einfing, vor allem, als die Mitte der 1920er Jahre auf den Markt kommenden Kleinbildkameras das Medium revolutionierten. Denn Pioniere der neuen Sachlichkeit waren die Photographen August Sander (1876 – 1964), der unter anderem durch seine Porträts als Chronist seiner Zeit gilt, und Albert Renger Patzsch (1897 – 1966), der mit seinen Landschaftsaufnahmen und Stillleben stilbindend war, wie Prof. Dr. Wilfried Rosendahl, der Generaldirektor der Reiss-Engelhorn-Museen, Mannheim, und Prof. Dr. Claude Sui, der Leiter des dortigen Forum internationale Photographie, im Vorwort zu dem im Hirmer Verlag, München, erschienenen Katalogbuch „Sachlich Neu - Photographien von August Sander, Albert Renger-Patzsch & Robert Häusser“ feststellen. Denn hier treffen frühe Aufnahmen der beiden Protagonisten auf Ikonen von Robert Häusser (1924 – 2013).
In dem Buch führt Inge Herold in das Thema „Neue Sachlichkeit in Mannheim“ ein und befassen sich Klaus Honnef mit der „Bildnis-Photographie von August Sander und Robert Häusser“ sowie Claude W. Sui mit dem „Bezug von Robert Häusser zur neuen Sachlichkeit und zum magischen Realismus“. Im wunderbar gestalteten achtteiligen Bildteil sind zunächst August Sanders „Menschen des 20. Jahrhunderts“ abgebildet, werden dann die Menschendarstellungen von August Sander und Robert Häusser verglichen und sind schließlich „Bilder von Menschen“ von Robert Häusser zusammengestellt. Mit „Industrie“, „Menschen bei der Arbeit“, „Behausungen“ sowie „Natur und Landschaft“ folgen vier Kapitel, die aufgeschlagen jeweils links eine Photographie von Albert Renger-Patsch und rechts eine ähnliche von Robert Häusser zeigen. Das Schlusskapitel ist unter dem Titel „Zwischen Neuer Sachlichkeit und magischem Realismus“ ganz der Arbeit von Robert Häusser gewidmet.
In dem Buch „Sachlich Neu“ treffen somit legendäre Aufnahmen der 1920er und 30er Jahre von August Sander und Albert Renger-Patzsch, den Hauptvertretern der „Neuen Sachlichkeit“ in der Photographie, auf Ikonen von Robert Häusser, einem Klassiker der Nachkriegszeit. Die Photographien zeigen eine Welt zwischen Schönheit und Abgründigkeit durch das Objektiv dreier Meisterphotographen, die in faszinierender Beobachtung und in ihrer jeweiligen Handschrift Menschen, Arbeitswelten und Natur in Zeiten von Umbruch und Neuanfang eingefangen haben. (vZ)
Claude W. Sui, Wilfried Rosendahl
Sachlich Neu
Text: Inge Herold, Klaus Honnef, Claude W. Sui
168 Seiten mit 140 Abbildungen
Format: 23 × 25,5 cm, Hardcover
München, Hirmer Verlag
ISBN: 978-3-7774-4436-9; € 39,90
Ausstellung im Reiss-Engelhorn-Museum, Mannheim, noch bis 27. April 2025