Photographers. Birgit Kleber

Selbst und Fremd-Portraits von Fotografen*innen sind ein außergewöhnliches Genre, weil wir in den Portraits u.a. von Richard Avedon (mit dem Negativ), Andreas Feininger (Auge und Objektiv), Ilse Bing (frontal und Seitenansicht) immer auch ihre Arbeitsweise und ihr mediales Verständnis von Fotografie erkennen wollen.

Die Fotografin Birgit Kleber (*1956) hat nun eine Langzeitstudie in dem Buch „Photographers“ vorgelegt, in der sie Kollegen*innen in Kopfportraits darstellt. Sie hat dafür bei den 100 Portraits immer die gleiche Bildgestaltung – leichte Untersicht, natürliches Umgebungslicht, immer gleicher Ausschnitt von der Stirnmitte bis kurz unter dem Kinn - angewendet. Eine Perspektive in der sich gerne Filmdiven und Politiker darstellen ließen. Diese Bildgestaltung wird nur von Saul Leiter und Gisèle Freund durchbrochen, indem sie sich mit der rechten Hand an das Kinn fassen und damit einen weiteren persönlichen Aspekt einfügen. Ganz aus diesem Gestaltungsraster fällt das 2/3 Portrait von Nan Goldin.

Durch die einheitliche Bildgestaltung erreicht Birgit Kleber eine starke Charakterisierung der abgebildeten Personen, nur welchen Charakter soll der Betrachter daraus filtrieren? Am Beispiel von Cindy Sherman würde man nicht auf die Intensionen ihrer Werkgruppen schließen, das ist eher bei F.C. Gundlach möglich, bei dem der strenge Blick durch die Brille und das elegante Halstuch einen Hinweis geben, die unterschiedlichen Gesichtsausdrücke lassen nicht auf einen gleichen Beruf schließen. Birgit Kleber setzt auf den besonderen Moment und versucht dem Bild eines Menschen einen neuen Aspekt hinzuzufügen, wie eine Regisseurin.

Das Buch „Photographers“ zeigt Portraits u.a. von Sophie Calle, Nan Goldin, Thomas Höpker. Peter Lindbergh, Richard Mosse, Sebastiào Salgado, Cindy Sherman, Wolfgang Tillmans und Gisèle Freund in charakterisierenden Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Eine informative Ergänzung der Werkserie ist der Textbeitrag „Sie verwandelt Menschen in Charaktere“ von Matthias Harder (Helmut Newton Stiftung), der die systematische Werkgruppe „Photographers“ in ihrer Entstehung erläutert und die konzeptuellen Bezüge zu den Werkgruppen von Stefan Moses und August Sander herstellt.

Diese künstlerische Thematik fordert vom Betrachter aufmerksames Hinsehen und eine kritische Reflexion der Portraits. Die umfangreiche Werkserie wird zum Nachdenken über die Portraitfotografie und ihre dokumentarischen und charakterisierenden Möglichkeiten in Bezug auf unterschiedliche Personengruppen anregen. Aktive Fotograf*innen sind aufgefordert zum Diskurs über die stilistischen Varianten einer konzeptuellen Portraitfotografie. (db)

Photographers
Birgit Kleber

Text von Matthias Harder
Deutsch, Englisch
Buchgestaltung Festeinband
128 Seiten, 106 Duplexabbildungen
Kehrer Verlag, Heidelberg
ISBN 978-3-96900-110-3
39,90 €