Das Buch »Paris zu Fuß« seine Entstehung und die Werkserie haben eine besondere Vita. Ein interessanter Aspekt ist dabei, die andere Sicht auf Menschen in der Stadt in der DDR als in New York oder Paris. Ausnahme ist Helga Paris, deren „Diva in Grau“ (1991 erschienen) Häuser und Gesichter in Halle der 1980er Jahre zeigt. Diese stark 'dokumentarische' Werkserie unterscheidet sich erheblich von den mehr bildjournalistischen Motiven von Roger Melis in Paris, die ihrerseits von anderen Bildauffassungen beeinflusst sind (siehe z.B. Seite 8, 24, 27, 45, 90 Brassai, Doisneau, H. List, Cartier Bressson u.a). So zeigt dieses Buch eindrucksvoll, dass zumindest der photographische Himmel über Europa 1982 ungeteilt war.
Der Erfolg der Erstausgabe lässt sich darauf zurückzuführen, dass mit dem Thema `Paris´ ein anderer photographischer Stil - der des `Flaneurs´ - präsentiert, aber auch eine ganz neue Welt, die der Kulturstadt Paris dem Betrachter erschlossen wurde (siehe u.a. Seite 30, 34, 52, 86, 104). 2020 ist diese Werkgruppe der Erstausgabe nach Sichtung des Archivbestandes um 30 bisher unveröffentlichte Photographien aus dem Nachlass von Roger Melis (1940–2019) ergänzt worden.
Möglich geworden war die gezeigte `Paris Serie´ da Melis eine einmonatige Ausreisegenehmigung für die französische Hauptstadt erhalten hatte. Die Serie zeigt eindrucksvoll den suchenden und analysierenden Blick des Photographen, der sich mit dem Gegensatz einer deutschen Stadt der fünfziger Jahre und dem Flair einer Kultur- und Weltmetropole auseinandersetzt. und daraus Bilder gestaltet, die aussagekräftig und damit zeitlos sind. Es ist das Staunen des Photographen vor einer weltberühmten, multikulturellen aber auch multiethnischen Stadt und den ganz anderen gesellschaftlichen Strukturen. Wie andere berühmte Paris Chronisten u.a. Brassai, Otto Steinert und Cartier-Bresson beschreibt er besonders den Alltag der Menschen und die `Frauen von Paris´, die Motive regen den fachkundigen Betrachter zu einem Vergleich an. Wie sie entwarf er „sein Bild“ von Paris und bemüht sich den ganz normalen Pariser Alltag zu zeigen, der so ganz anders ist als der im damaligen Ost-Berlin. So hatten seine Bilder bei den Mitbürgern in der der DDR eine starke Resonanz und verstärkten den Wunsch selbst zu reisen.
Das Buch stellt stilistisch einen bedeutenden Photographen vor und regt zu gleich dazu an, über die aktuelle Frage nachzudenken, welche identitätsstiftende Wirkung kann künstlerische Photographie in Verbindung mit dem `Europa Gedanken´ haben? Melis vertritt den ostdeutschen Photorealismus und war mit seinen Modephotographien auf internationalem Niveau, seine zahlreichen Schriftsteller- und Künstler-Portraits, prägen bis heute unser Bild dieser Zeit. Ein empfehlenswertes Buch einer Zeitepoche aber auch für die klassische SW-Photographie, das ein gelungene Darstellung einer Entwicklung des Bildjournalismus ist und für den ambitionierten Amateurphotographen eine schöne Anregung für einen eigenen Photorundgang in Paris. (db)
Paris zu Fuß
Photographien von Roger Melis
Herausgeber Mathias Bertram
Vorwort Sonia Voss
Texte von Mathias Bertram
Deutsch, Englisch
Buchgestaltung Festeinband, Duplexabbildungen
152 Seiten, 110 Abbildungen in SW Duplexdruck
Lehmstedt Verlag, Leipzig
ISBN 978-3-95797-114-2
32,00 €
Ausstellung bis 30. Oktober 2020 in der Galerie `argus fotokunst´ (Berlin)