Helga Paris. Künstlerportraits

Es ist immer wieder interessant Werkgruppen in Bezug zueinander zu sehen und daraus neue stilistische Aspekte und Erkenntnisse zu gewinnen. In diesem Fall sind es die Künstlerportraits von Helga Paris, die im Dialog mit ihren Portraits in Halle (Diva in Grau) und den ebenfalls in dieser Rubrik vorgestellten Künstlerportraits von Barbara Niggl Radloff und dem Bildjournalismus (1960er Jahre) stehen.

Helga Paris, die in Halle pointierte Milieustudien des Alltags erstellt hat, war auch durch ihren Mann den Maler und Grafiker Ronald Paris Teil der alternativen Kulturszene und hat in ihren Portraits somit den Blick von innen und Generationen übergreifend festgehalten, indem sich viele Künstler*innen auch mehr oder weniger inszenieren. Unter diesem Aspekt ist es ein interessanter Blick auf das nicht offizielle Kulturleben und seine Protagonisten/Kulturschaffenden in den beiden letzten Jahrzehnten der DDR. Für nicht beteiligte, aber interessierte Betrachter hat das Buch ein Glossar mit Vita Skizzen aller abgebildeten Personen.
Gerhard Wolf (Schriftsteller und Verleger) beleuchtet den besonderen Blick zu dieser Zeitgeschichte, den wir in den Portraits von Dichtern und Künstlern heute sehen, der selbst zur Zeitgeschichte einer kritischen Kulturszene wurde. Er erläutert, dass Helga Paris nicht nur Portraits, sondern besonders auch das Milieu der „Prenzlauer Berg Connection“ fotografierte. 

Eugen Blume setzt sich mit Aspekten der Portraitfotografie unter dem Motto „Ins Gesicht fotografieren“ auseinander. SW-Fotografie ist in ihrer Abstraktion bis heute ein gewolltes Stilmittel und wird nicht nur eingesetzt, weil sie bis in 2000er Jahre gleichbedeutend mit künstlerischer Fotografie war. Immer noch wird auch von Laien der Gegensatz zur digitalen „Handyfotografie“ erkannt, deren quantitativen nichtssagenden Bildstrecken eben keine Wahrnehmung gestalten, die eine Interpretation und Auseinandersetzung mit dem Dargestellten ist - „Ein Lichtbild eines unwiederholbaren Moments.“

Ein empfehlenswertes Buch als Dokument der Kulturgeschichte der DDR aber auch für die Entwicklung des dortigen Bildjournalismus und den Aspekten des Portraits im künstlerischen Milieu. Für zeitgeschichtlich interessierte Leser, Kunstwissenschaftler und Fotografen ein gleichermaßen interessantes Buch, das den gezeigten Werkgruppen künstlerisch gerecht wird und den Liebhaber der Portraitfotografie mit einem weiteren stilistischen und zeitgeschichtlichen Aspekt erfreut. (db)

Ausstellung bis 16.01.2022 im Leonhardi-Museum (Dresden)

Künstlerportraits
Photographien von Helga Paris

Hrsg.: Bernd Heise, Franziska Schmidt, Inka Schube
Texte von Eugen Blume, Gerhard Wolf
Deutsch, 
Buchgestaltung Festeinband
224 Seiten, circa. 80 Abbildungen in Schwarz-Weiß 
spectorbooks Verlag, Leipzig
ISBN 978-3-95905-513-0
28,00 €