„Gesichter des Krieges“ ist, wie es der Pressetext des Rhein-Mosel-Verlags sagt, das Ergebnis einer historischen Spurensuche, die anhand von Briefen, Fotos und Wehrmachtsakten versucht, die Lebenswirklichkeit der Angehörigen des Maschinengewehr-Bataillons 10 (M10) unmittelbar vor und während des zweiten Weltkriegs darzustellen. Das Bataillon war 1937 in Pirmasens aufgestellt worden. Der Bevölkerung dort war Militär schon aus früheren Zeiten insbesondere dem ersten Weltkrieg vertraut. Sie hieß die Wehrmachtseinheit daher willkommen, wohl zum einen, weil hier viele Soldaten aus der Pfalz eingezogen waren, und zum anderen eben auch als Wirtschaftsfaktor für die Stadt und die Region. Von den etwa 1.005 Mann Aufstellungsstärke gingen dann schlussendlich rund 500 nach vielfältigen Einsätzen an der West- und später an der Ostfront in russische Gefangenschaft.
Über diese nackten Fakten hinaus, stellt sich aber dem/r ein oder anderen Betrachter/in die Frage, warum man sich heute noch – außerhalb von militärhistorisch interessierten Kreisen – mit diesem Thema in dieser Detailgenauigkeit befassen sollte. Ist nicht alles von Spezialisten der historischen Forschung schon gesagt, beschrieben, eingeordnet, abgeheftet und damit auch irgendwie (endlich?) abgeschlossen?
Einmal mehr stellt dieses Buch die Frage und verneint sie mit der Akribie seiner Details, mit der Genauigkeit seiner Darstellung unmittelbar. Denn erstens kommen trotz oder wegen des Aussterbens der unmittelbar Beteiligten neue Aspekte an die gesellschaftliche Oberfläche und zweitens muss jede Generation ihr Verhältnis zu diesem wie auch den anderen unfassbaren Großereignissen des 20sten Jahrhunderts neu bestimmen, definieren, justieren und sich letztlich dazu positionieren. Dies gelingt den Verfassern mit einem sehr direkten und zugleich notwendigerweise bruchstückhaften Blick auf die persönlichen Briefe und Fotos der Angehörigen des Bataillons.
Obwohl die meisten der Fotos weder datiert sind noch örtlich zugeordnet werden können, lassen sie ein lebendiges Bild entstehen, das sicherlich vorrangig einer bestimmten psychologischen Notwendigkeit entsprechen musste. Die Eltern und Geschwister vom eigenen Wohlergehen zu vergewissern, die Brutalität der normalen Kriegshandlungen auszublenden und gegebenenfalls sogar Kriegsverbrechen schlicht aus Eigenschutz geheim zu halten, war wohl Hauptzweck der ausgewerteten Dokumente.
Daher ist es umso mehr das Verdienst der Verfasser, dass sie sich um eine übergreifende Perspektive bemühen, Fragen stellen, wo zumeist nur vordergründig eine irgendwie heile Welt im Krieg dargestellt werden sollte und somit helfen, das Verhältnis der heutigen Generation zu diesen weltumspannenden Vorgängen neu auszuleuchten.
In diesem Sinne bleibt zu hoffen, dass dieses Buch mit seinen aufgenommenen Spuren die Leserinnen und Leser dazu anregt, noch vorhandene Zeitzeugnisse zu suchen und zu sichern, um nachfolgenden Generationen eine vertiefte Erfassung der Lebenswirklichkeit der Kriegsgenerationen und eine tiefergehende Auseinandersetzung auch und gerade im europäischen Kontext zu ermöglichen. (Dr. Joachim Herth, 09.01.2021)
Gesichter des Krieges – Auf den Schlachtfeldern Europas 1939-1945
Stefan Sauer und Wolfgang Steche (DGPh)
168 Seiten, 132 Fotos
Deutsch
Hardcover
2021
Rhein-Mosel-Verlag, Zell/Mosel
ISBN 978-3-89801-380-2
29,80 €