Fred Koch. Naturfotografie der 1920/30er Jahre

Es ist bemerkenswert, wie sich die aktuellen Diskurse zur Klassischen Moderne und zur „Neuen Sachlichkeit“ in der Fotografie sich auch in den Publikationen widerspiegeln. So steht das Buch 'Fred Koch. Naturfotografie der 1920/30er Jahre' in einer Reihe mit den bereits rezensierten Werkgruppen von Karl Blossfeldt (1865-1932), Aenne Biermann (1898-1933), Albert Renger-Patzsch (1897-1966) oder Alfred Ehrhardt. Die Alfred Erhardt Stiftung hat mit Fred Koch einen wichtigen Vertreter der Neuen Sachlichkeit in der Weimarer Republik wiederentdeckt, der ebenbürtig neben dem bekannteren Karl Blossfeldt steht. Dieses Buch zeigt ein eigenständiges interessantes Werk von Fred Koch (1904–1947 in Kriegsgefangenschaft), das kunsthistorisch bedeutend für die „Neuen Sachlichkeit“ ist, und von Stefanie Odenthal (Alfred Ehrhardt Stiftung) in aufwändigen Recherchen seit 2004 mit rund 100 Werken aus den 1920er bis 1930er Jahren und Zuschreibungen erarbeitet wurde.

Albert Renger-Patzsch (Leiter des Bildarchivs des Folkwang-Verlags) mit dessen Schwarz-Weiß-Fotografien von „Pflanzen“ für Ernst Fuhrmanns Publikation „Die Pflanze als Lebewesen“ beginnt die Fotografie der „Neuen Sachlichkeit.“ Fred Koch kommt 1922/23 durch Renger-Patzsch mit der Photographie in Kontakt und erweitert ab 1928 als sein Nachfolger das Pflanzenfotoarchiv. Seine neusachlichen Schwarzweißfotografien zeigen vorrangig in Detailaufnahmen Pflanzen und Kristalle, aber auch Eisblumen, Korallen, Conchylien, Insekten, und werden ergänzt durch Röntgenfotografien.

Fred Koch betont die florale Schönheit und Anmut der Pflanzen, die durch Lichtreflexionen und starke Schattenwirkungen betont wird. Dafür entwickelte er Spezialkameras mit extremer Tiefenschärfe und studierte bis ins kleinste Detail die Ausleuchtung.  Damit erzeugt er eine Plastizität der Pflanze, die diese wie Portraits inszeniert. Es ist eine intensive Auseinandersetzung mit Ernst Fuhrmanns „Biosophie.“ Im Gegensatz dazu stehen die von Alfred Ehrhardt (1901-1984) bewunderten Fotografien der Kristalle und Mineralien, deren Detailreichtum, Schärfe und Präzision, deren stofflichen Beschaffenheit herausragende Motive im neusachlichen Stil sind.

Ein sehr empfehlenswertes Buch als Dokument der stilistischen Entwicklung der „Neuen Sachlichkeit“ in der Weimarer Republik, aber auch für die Entwicklung der klassischen Moderne und ihre stilistischen Impulse für die aktuelle Fotografie. Interessant ist der erkennbare stilistische Unterschied von Fred Koch zu Karl Blossfeldt (1865-1932), Aenne Biermann (1898-1933), Alfred Ehrhardt und Albert Renger-Patzsch (1897-1966). Das folgende Zitat von Adolf Herz (1931): „denn so wunderbar sehen die Sachen in natura gar nicht aus; doch künstlerisch wundervoll.“ zeigt, dass sich Koch trotz einer neusachlichen Sichtweise mehr einer künstlerischen Interpretation zuneigte. Eine gelungene Publikation, die den gezeigten Werkgruppen künstlerisch gerecht wird und zum Nachdenken über die Fotografie und ihre künstlerischen Möglichkeiten anregt sowie einen Beitrag zu weiteren Diskursen über die stilistischen Varianten neusachlicher Fotografie bietet.  (db)

Ausstellung vom 15.01. bis 24.04. 2022 in der Alfred Ehrhardt Stiftung (Berlin)
 

Fred Koch. Naturfotografie der 1920/30er Jahre
Photographien von Fred Koch

Hrsg.: Stefanie Odenthal für die Alfred Ehrhardt Stiftung
Texte von Rainer Stamm und Stefanie Odenthal
Deutsch, Englisch
Buchgestaltung Festeinband mit Prägung und Titelschild
144 Seiten, 90 schwarz-weiße Tafeln
Snoeck Verlag, Köln
ISBN 978-3-86442-373-4
29,80 €