Taschen-Verlag: Die vielen Gesichter des Frank Sinatra
Mit dem Band „Frank Sinatra Has a Cold“ ist dem Taschen-Verlag, Köln, eine wunderbare Zusammenstellung von Texten und Photographien aus dem Leben eines der größten und wichtigsten Entertainer der 1950er/1960er Jahre gelungen: Francis Albert (Frank) Sinatra (1915 – 1998), auch „The Voice“ genannt.
In einer ausführlichen Einleitung beschreibt der Journalist Gay Talese (* 1932) seine persönliche Arbeitsweise: Ohne Tonbandgerät, höchstens mit einem Kugelschreiben und einem Notizblock ausgestattet näherte er sich seinen Interviewpartnern und schuf damit von vornherein eine äußerst entspannte und vertrauensvolle, mitteilsame Gesprächsatmosphäre. Im Winter 1965 sollte er für „Esquire“ ein Interview mit Frank Sinatra verfassen. Als er ankam, verhielten sich der Sänger und seine wachsame Entourage allerdings eher frostig: Sinatra war verschnupft und wollte nicht interviewt werden. Doch Talese blieb am Ball, beobachtete den Star aus der Distanz und traf sich zunächst mit Personen aus Sinatras engerem persönlichen Umfeld – seinem Sohn, seinem bevorzugten Herrenausstatter, einem seiner Leibwächter und einer älteren Dame, die auf Reisen dessen Tasche mit den 60 Toupets hütete.
Aus diesen vorbereitenden Gesprächen notierte er: „Sinatra mit Schnupfen ist wie Picasso ohne Farbe, Ferrari ohne Sprit – nur schlimmer. Weil ihn eine Erkältung seines unbezahlbaren Juwels, seiner Stimme, beraubt; sie bohrt sich nicht nur tief in sein Selbstbewusstsein und verändert seine Psyche, sie ruft obendrein noch eine Art psychosomatischen Schnupfen bei Dutzenden von Menschen hervor, die für ihn arbeiten, mit ihm trinken, ihn verehren, auf Gedeih und Verderb von ihm abhängig sind.“ Im April 1966 erschien dann auf 55 Seiten der Artikel „Sinatra ist erkältet“, der in dem von Talese eingeführten, völlig neuen Stil, dem „New Journalism“, in dem er Techniken aus der Prosaliteratur mit Tiefgang und Einfühlungsvermögen auf seine journalistischen Arbeiten anwandte, verfasst war. Sinatra gewährte ihm zwar letztlich nie das erhoffte Einzelinterview. Dennoch zahlte sich die Beharrlichkeit des Journalisten letztlich aus: Sein detailversessenes Porträt ging als Glanzstück des ‚New Journalism‘ in die Geschichte ein. Das dichte Porträt offenbart ebenso viel über den ausnahmsweise mal maulfaulen Entertainer wie über die ganze Hollywoodmaschinerie.
Der Band „Frank Sinatra Has a Cold“ ist in insgesamt sieben als „Szenen“ bezeichnete Kapitel aufgeteilt, die durch Faksimiledrucke von Manuskriptseiten, Briefwechseln und Originalstoryboards sowie eine Vielzahl von Photos ergänzt werden. Darunter sind zahlreiche Aufnahmen des legendären Phil Stern (1919 –2014), des einzigen Photographen, der Sinatras Karriere über vier Jahrzehnte begleitete, und anderer prominenter Bildjournalisten der 1960er Jahre, wie John Bryson, John Dominis und Terry O’Neill.
Die Photographien dokumentieren die vielen Gesichter des nicht gerade pflegeleichten Frank Sinatra: den Showmenschen, den notorischen Großkotz, den liebevollen Vater, den cleveren Geschäftsmann und Hollywoodkassenmagneten, den Boss des ‚Rat Packs‘ mit Dean Martin und Sammy Davis Jr., den Freund führender Mafiosi und den gnadenlosen Womanizer. (vZ)
Gay Talese. Phil Stern
Frank Sinatra Has a Cold
Text: Englisch, mit Einlage in Deutsch
250 Seiten
Format: 24x34cm, Hardcover
Köln, Taschen-Verlag
ISBN: 978-3-8365-8829-4
50,00 €