Es gibt Themen, die sich zu bestimmten Zeiten ballen, dazu gehören die Bücher "FOTOGRAFIE HEUTE III - RESISTANT FACES" und "Welt im Umbruch", die von besonderer Aktualität sind, da sie eine Entwicklung in der Kunst/Photographie nachzeichnen, die z.Zt. intensiv diskutiert wird. Es geht um die Wechselwirkung von Malerei und Photographie zur digitalen Welt, die viele Bereiche überformt. Dabei wird weniger die künstlerische Auseinandersetzung gesucht, sondern Fragen wie „Autonomie und Individualität“ in „sozialen Netzwerken und flächendeckender Gesichtserkennung“ bestimmen den Diskurs der Arbeiten. Es stellt sich damit die Frage in welchem Zusammenhang steht eine konzeptuelle gestalterische Photographie noch mit medialen Ausdrucksformen, die Gesichts- und Körperbilder mit digitalen Technologien produziert. Sind das noch kritische Bild- und Wirklichkeitsentwürfe oder steht hier die Aktion wie beim „Fluxus“ im Vordergrund? Ist das Portrait des Menschen nur noch Teil einer neuen Sharing- und Kontrollkultur geworden oder gibt es aktuell ein verändertes gesellschaftliches Autonomieverständnis?
Dennoch ist es ein interessanter Aspekt zu diskutieren wie Themen einer photographischen Sammlung in Bezug zu aktuellen photographischen Positionen stehen. Entstehen so neue künstlerische Strategien oder werden alte wie Fluxus neu interpretiert. Collage, Print, Video, Zeichnung, Installation und Skulptur im musealen Raum sind künstlerische Ausdrucksformen, die mit einem „Lichtbild“ kaum etwas gemein haben. Bleibt die Frage: ist die Photographie eine gestaltete, interpretierte Wirklichkeit oder wie ist das Verhältnis von Wirklichkeit und Authentizität einerseits, zur Autonomie des Bildes andererseits?
Die Arbeiten von Broomberg & Chanarin, Eli Cortiñas, Esther Hovers und Frida Orupabo thematisieren den fortschreitenden Autonomieverlust im Umgang mit algorithmisch-definierten Körperbildern und stellen die digitalen Technologien in einen politischen Zusammenhang. Antye Guenther, Basim Magdy und Emmanuel Van der Auwera arbeiten mit Bild, photographiertem Objekt/Subjekt der Zuschreibung und hinterfragen die Realität dokumentarischer Bilder im digitalen Zeitalter, die sie aus dem Internet in das Museum übertragen.
Das Buch FOTOGRAFIE HEUTE III ist Teil der Ausstellungsreihe zur künstlerischen Photographie im digitalen Zeitalter und wurde von der ALEXANDER TUTSEK-STIFTUNG (München) gefördert. Ein wichtiger Beitrag im Diskurs zu stilistischen Möglichkeiten und dem Verhältnis der Medien in der Kunst. Interessierten Laien und Photographen gibt das schön gestaltetet Buch einen Überblick über Sichtweise und die Möglichkeit der digitalen Photographie. Sicher ist es lobenswert wenn auch neue Sichtweisen und Experimente in einer Ausstellung zum Tragen kommen. Aber wer den Katalog zuklappt wird sich an das Honnef Zitat „Bei diesen Bildern springt einem die Kunstabsicht penetrant ins Auge, der Wille zum Künstlichen. Vielmehr erwarte ich die vollendete Beherrschung von Technik und Bildsprache“ erinnern! (db)
Ausstellung bis 11. April 2021 in der Pinakothek der Moderne (München)
FOTOGRAFIE HEUTE III - RESISTANT FACES
Photographien von Broomberg & Chanarin, Eli Cortiñas, Antye Guenther, Lynn Hershman Leeson, Esther Hovers, Basim Magdy, Frida Orupabo, Emmanuel Van der Auwera
Hrsg.: Jana Johanna Haeckel, Franziska Kunze, Bayerische Staatsgemäldesammlungen
Texte von Jana Johanna Haeckel, Magdalena Kröner
Deutsch
Buchgestaltung Broschur
66 Seiten, ca. 80 Abbildungen in SW und Farbe
Eigenverlag, München
ISBN 978-3-9816500-8-2
19,90 €