Erna Wagner-Hehmke - Für immer Recht und Freiheit

Der Bildband „Für immer Recht und Freiheit“ ist als historisch und dokumentarfotografisch einzustufen. Die Industriefotografin Erna Wagner-Hehmke hat die Präambel „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ des Grundgesetzes auch ihrer Fotografie zu Grunde gelegt und damit die Entwicklung in der Fotografie der 1920er fortgeführt. Dabei steht sie mehr der Neuen Sachlichkeit als dem Werk von Erich Salomon nahe, obwohl sie thematisch und motivisch dessen Werk fortführt.

Erna Wagner-Hehmke (1905-1992) wurde in Breslau von Anne Winterer ausgebildet, beide gründeten in Düsseldorf ein gemeinsames Atelier. 1932 legte sie die Meisterprüfung ab und heiratete den Architekten Rudolf Wagner. Sie fotografierte Schauspieler des Düsseldorfer Theaters und aus der Kunstszene „Junges Rheinland“ Otto Dix, Jankel Adler oder die Galeristin Mutter Ey. Berühmt waren ihre Industriefotografien und hier zeigt sich auch ihre stilistische Nähe zur „Neuen Sachlichkeit“ zu Albert Renger-Patzsch und dem Ehepaar Becher.

1948 erhält sie den Auftrag den Parlamentarischen Rat in Bonn zu dokumentieren. Eine Werkserie, die deutsche Geschichte und deren Protagonisten festhält, die Grundlagen für das heutige Deutschland legten. Interessant ist dabei ihre Arbeitsweise neben den langweiligen Beratungsbildern sind es vor allem die Portraits der Sitzungspausen, die informelle Ebene in Kaffeegärten und Clubzimmern, die quer durch die Fraktionen den Gedankenaustausch zeigen. Hier wird ihre Nähe zu Erich Salomon sehr deutlich. Aber sie beachtet auch die vielen Menschen – Kellner, Fahrer, Sekretärinnen – die im Hintergrund im Restaurant, in der Vervielfältigungsstelle, Poststelle, Fahrbereitschaft den parlamentarischen Ablauf erst möglich machen.

Auftritte am Rednerpult und Einzelportraits zeigen, dass auch 1948-49 Eitelkeit eine Triebfeder politischen Handelns war. Neben dem Tagesgeschehen und den Sitzungsdokumentationen sind es vor allem die Portraitstudien der bereits historischen Personen, die mit Kenntnis der damaligen Ereignisse und Entscheidungen zu Charakterstudien werden. Hier seien genannt Carlo Schmidt, Konrad Adenauer, Georg August Zinn, Elisabeth Selbert, Ernst Reuter, Theodor Heuss u.a., die aus fotografischer Sicht besonders interessant sind.

Das vom Greven Verlag vorgelegte Buch ist nicht nur als historische Zeitzeugnis von Bedeutung, sondern auch für die stilistische Entwicklung der Fotografie. Sie spiegelt die „Neue Sachlichkeit“ der Weimarer Republik in die „Neue Sachlichkeit“ der Bundesrepublik, eine Entwicklung, die von Otto Steinert an der Folkwangschule fortgesetzt wird. Ihre Fotografien setzen einer Inszenierung von Macht und Pathos (Leni Riefenstahl, Albert Speer, Heinrich Hoffmann) eine realistische Darstellung eines bescheidenen Neuanfangs in einer Schulaula mit schadhaften Möbeln entgegen. Im Saal eines naturhistorischen Museums unter den Blicken von Giraffe, Elefant und Co. zeigen ihre Fotografien was damals zu sehen war und überlassen die Auslegung dem Betrachter.

Mit diesem Buch wird der vielzitierte Anspruch, dass Fotografie neue Perspektiven schafft und ein Verständnis für historische Orte und Entwicklungen ermöglicht, eindrucksvoll umgesetzt. (db)

Für immer Recht und Freiheit
Erna Wagner-Hehmke

Hrsg.: Stiftung Haus der Geschichte Bonn
Texte von Helge Matthiesen, mit einem Nachwort von Prof. Dr. Harald Biermann
Deutsch,
Buchgestaltung Leinenband mit Schutzumschlag
140 Seiten, 168 Abbildungen in Schwarz-Weiß
Greven Verlag, Köln
ISBN 978-3-7743-0945-6
30,00 €