Die Emscher. Bildgeschichte eines Flusses

Der Fluss „Emscher“ hat mehr mit der Fotografie gemeinsam als man auf den ersten Blick annehmen würde. Die Emschergenossenschaft hat vom Beginn ihrer kommunalen Tätigkeit an (1899) auf die Fotografie als Dokumentation ihrer Bau- und Versorgungstätigkeit gesetzt. Das Buch zeigt die Metamorphose der Emscher vom vorindustriellen Flusslauf zum Abwasserkanal und zurück zu einem renaturierten Fluss in 250 Jahren. Es zeigt damit nicht nur einen Reigen berühmter Fotografen*innen sondern auch die technische und stilistische Geschichte der Fotografie von 1900 bis heute. Dazu zählt auch das wertvolle historische Negativarchiv der Emschergenossenschaft, das circa 40.000 großformatige Glasplatten umfasst. Darauf sind der Lauf der Emscher und ihrer Bäche, die zahlreichen Baustellen, die topografischen Gegebenheiten im Emschertal, der Fortschritt der Bauarbeiten wie auch die Schäden durch Bergsenkungen, Materialermüdungen oder Kriegseinwirkungen dokumentiert. Aus fotografischer Sicht sind die eindrucksvollen Panoramen und die vergleichende Dokumentation der Vorher-Nachher-Situationen am gleichen Ort interessant.

Es ist die fotografische Dokumentation der Umweltbelastung in der 150-jährigen industriellen Prägung des Ruhrgebiets, die die ökologischen Schäden der industriellen Wertschöpfung zeigen. Dazu gehören durch Bergbau entstandene Senkungssümpfe und Überschwemmungen sowie die Belastungen der Bevölkerung durch Seuchen wie Cholera und Typhus. Damals entstandene Namen wie „Schwatte,“ „Cloaca maxima,“ oder „Köttelbecke“ gehören seit dem aktuellen ökologischen Umbau des Emschersystems und der 2021 beendeten Renatuierung der Vergangenheit an.

Das Buch zeigt, dass der Fluss Emscher und die Fotografie im postindustriellen Ruhrgebiet angekommen sind, dies mit Aspekten wie Umwelt- und Hochwasserschutz, Artenvielfalt und Maßnahmen zur Klimafolgenanpassung. In seiner umfangreichen Dokumentation der technischen Leistungen bei der Renaturierung eines Industrieflusses, dem Alltag der Bevölkerung, und den umfassenden Landschaftstransformationen, ist es für am Ruhrgebiet Interessierte wie auch Fotografen*innen gleichermaßen interessant. Die Emscherregion ist heute bereits durch die Emscherkunst und den bei Radfahrenden und Spazierenden beliebten Emscher-Weg bekannt. Eine gelungene Publikation, die schön gestaltet mit einer sachlich funktionalen Buchgestaltung den gezeigten Themen dokumentarisch gerecht wird. Diese themenreiche Retrospektive wird zum Nachdenken über die Fotografie und ihre dokumentarischen Möglichkeiten anregen. (db)

Ausstellung bis 16.4.2023 im Ruhr Museum UNESCO-Welterbe Zollverein (Essen)


Die Emscher. Bildgeschichte eines Flusses
Fotografien aus dem Emscherarchiv und zahlreiche Leihgaben
Hrsg.: Heinrich Theodor Grütter und Uli Paetzel
Texte von Giulia Cramm, Thomas Dupke, Stefanie Grebe, Axel Heimsoth, Christoph Hübner,              Henning Maier-Jantzen, Gabriele Voss
Deutsch
Buchgestaltung Festeinband, mit zahlreichen Karten
288 Seiten, zahlr. Abbildungen in Schwarz-Weiß und Farbe
Klartext Verlag, Essen
ISBN 978-3-8375-2531-1
29,95 €