„Deutschland um 1980“ - Porträt einer Epoche
Im geteilten Deutschland war die Zeit um 1980 eine Phase tiefgreifender Umbrüche: Globales Wettrüsten, grassierende Umweltzerstörung und steigende Arbeitslosigkeit befeuerten eine allgemeine Untergangsstimmung, sorgten jedoch auch für einen Kreativitätsschub. Um diese lebendige Epoche Deutschlands um 1980 photographisch zu rekapitulieren, haben sich fünf Fachleute aus drei Institutionen - Lothar Altringer, Adelheid Komenda und Thorsten Valk vom LVR-Landesmuseum, Bonn, Jens Bove von der Deutschen Fotothek, Dresden, und Sebastian Lux von der Stiftung F.C. Gundlach, Hamburg - zusammengetan und den im Hirmer Verlag, München erschienenen Katalogband „Deutschland um 1980“, Untertitel „Fotografien aus einem fernen Land“ mit insgesamt sieben beispielhaften Photoessays gestaltet.
Nach einem gemeinsamen Vorwort stellt Thorsten Valk die Frage „Apokalypse oder Aufbruch?“ und beschäftigt sich mit dem geteilten Land zwischen Rüstungswettlauf, Friedenssehnsucht und ökologischer Erneuerung, schildert Jens Bove unter der Überschrift „Grell und düster, aber fit und gesund“ das damalige Leben in Deutschland und stellen Adelheid Komenda und Sebastian Lux unter dem Titel „Lizenz zum Photographieren“ fest, dass die Photographie in Deutschland um 1980 im Privaten ebenso wie im Öffentlichen allgegenwärtig war.
In sieben photographischen Positionen nähert sich der Band einer bewegten Zeit. Angela Neuke (1943-1997) hat 1975 den Frauenkongress in Ludwigshafen, die Beisetzungen von Hans Martin Schleyer und Gudrun Ensslin ebenso dokumentiert wie sie im Abgeordnetenhaus in Bonn, bei McDonalds, der Wahlparty der Grünen 1983 oder beim Weltwirtschaftsgipfel 1985 in Bonn photographierte. Es folgen Bilder aus der DDR von Gerd Danigel (* 1959), einem eher stillen Dokumentaristen des dortigen Alltags. Ein wichtiger Ausgangspunkt des Themas „Deutschland um 1980“ war die Übernahme des photographischen Nachlasses von Hans-Martin Küsters (1946-2014) in die Sammlung des Bonner LVR-Museums. Dessen Aufnahmen von westdeutschen Wohnzimmern, Festen und Bällen sowie Straßenszenen zeigen hautnah das Leben in den Achtzigern. Die in dieser Zeit bemerkenswerte Renaissance der Neonschrift als Symbol für neue, auf grelle Farben setzende Modetrends hat Ingolf Thiel (1943-1985) in seiner Bildserie „Neon“ festgehalten. Der 1981 in die DDR eingewanderte Libanese Mahmoud Dabdoub (* 1958) durchstreifte mit seiner Kamera voller Neugier die Stadt Leipzig, immer darauf bedacht, die Funktionsweise einer ihm gänzlich fremden Welt zu entschlüsseln. Martin Langer (* 1956) hat seine Bildserie zwar „Gorleben“ genannt, weist aber mit seinen Bildern vielfach auch auf skurrile Situationen des Alltags Anfang der 1980er Jahre hin. Den Abschluss bildet die Bildserie „Bruderkuss“ der vielfach ausgezeichneten ehemaligen FAZ-Photographin Barbara Klemm (* 1939). Diese fasst ihre wichtigsten Aufnahmen von Alltagsszenen, offiziellen Anlässen und politischen Anlässen der 1980er Jahre zusammen, bei denen sie ihr Gespür für die jeweilige Lichtsituation ebenso beweist, wie ihre Fähigkeit, durch die Wahl des Bildausschnitts die Blicke des Betrachters auf das Wesentliche zu richten.
Die Photographinnen und Photographen zeigen in „Deutschland um 1980“ das facettenreiche Bild einer vergangenen Epoche, die bis heute nachwirkt. (vZ)
Ausstellung im LVR-Museum, Bonn, noch bis 14. August 2022
Deutschland um 1980
Hsg.: Jens Bove, Sebastian Lux, Thorsten Valk
Texte: Lothar Altringer, Jens Bove, Adelheid Komenda, Sebastian Lux, Thorsten Valk
256 Seiten, 210 Abbildungen
Format: 25 x 29 cm, Hardcover
München, Hirmer Verlag
ISBN: 978-3-7774-3957-0
39,90 €