Benjamins Phantasmagorie

Der Buchtitel mag auf den ersten Blick in einer Photographie Buchrezension deplaziert wirken, ist es aber keineswegs. Denn Wahrnehmung ist ein wichtiger Bestandteil des Photographierens und die Bildwerke werden wiederum in Buch und Ausstellung vom Betrachter wahrgenommen. Ein weiterer Aspekt ist, dass Walter Benjamin sich ausführlich mit Photographie in seinen theoretischen Schriften auseinandergesetzt hat!

Die „Phantasmagorie“ ist eine romantische Leitmetapher für geisterhafte, unheimliche und irrationale Erscheinungen. Dafür sind „Künstler“ besonders sensibel wie z.B. Strömungen in der zeitgenössischen Photographie zeigen. Der „Dingweltzauber“ ist seit der „Neuen Sachlichkeit“ Bestandteil der Photographie. Entstehung, Wanderung und Wirkung von Phantasmagorien führt Christine Blättler aus, etablieren keinen neuen Gespensterglauben, sondern entwickeln die Spannung zwischen sinnlicher Wahrnehmung und Verstand, die bis heute die Theoriearbeit herausfordert.

Im Dialog mit Walter Benjamins Spätwerk setzt sie sich mit der Bildwahrnehmung auf theoretischer Ebene auseinander, und erkundet es Beziehungen zwischen Technik und Imagination, Wahrnehmung und Wissen. So untersucht das Buch, wie sich der Blick vom metaphysischen Sinn auf dinglichen Eigensinn, auf menschliche Sinne und Sinngebilde verschiebt. Der Diskurs fragt mit den Zeitzeugen „Charles Baudelaire, Richard Wagner, Friedrich Nietzsche, Karl Marx, Auguste Blanqui, Rosa Luxemburg.“ nach, was Geschichte heißt, ein wichtiger Aspekt in der thematischen Photographie und wie diese über phantasmagorische Bilder erneut philosophisch relevant wird.

Ein empfehlenswertes Buch für jeden Photograph*in, der sich auch theoretisch mit seiner Gestaltungsarbeit auseinandersetzen möchte. Es ist die Dokumentation eines Aspekts der klassischen Wahrnehmungstheorie und deren stilistischen Impulsen für die künstlerische Photographie. Christine Blättlers Forschung befasst sie sich mit Wissenschaft, Technik und Kunst als kulturellen Formen. Für Kunstwissenschaftler und Photographen ein gleichermaßen interessantes Buch, das schön gestaltetet ist mit einer sachlich funktionalen Buchgestaltung. Der DEJAVU Gesellschaft für Fotografie und Wahrnehmung ist zu danken, dass sie diesen interessanten Aspekt publiziert und damit auch die theoretische Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Photographie unterstützt. (db)

Titelbild mit dem Motiv «Rolltreppen» von Hendrik Krawen.
Hrsg.: DEJAVU Gesellschaft für Fotografie und Wahrnehmung e.V.
Texte: Christine Blättler
Deutsch,
Buchgestaltung Taschenbuch (geklebt und Fadenheftung)
280 Seiten mit 5 Abbildungen in Schwarz-Weiß
Eigenverlag, Berlin
ISBN 978-3-9823146-0-0
15,00 €