Arbeitersiedlungen entlang der Seidenstraße

Aus dem Kulturbegriff „Seidenstrasse“ hat die Chinesische Regierung nach der Fertigstellung einer direkten Eisenbahnverbindung von Xian nach Duisburg den Begriff „Neue Seidenstrasse“ geschaffen. Für seine Werkgruppe „Arbeitersiedlungen entlang der Seidenstraße“ hat der Fotograf Bernard Langerock aber keine Straße dargestellt, sondern setzt mit dieser begrifflichen Klammer drei schwerindustrielle Standorte – Oberhausen in Deutschland, das oberschlesische Hindenburg (heute Zabzre, Polen) und die südwestchinesische Industrieregion Chongqing – miteinander in Bezug. Möglich wurde dies durch die Unterstützung des Kulturreferats Oberschlesien, das Oberschlesische Landesmuseum (NRW), das Konfuzius-Institut Metropole Ruhr und das Bergbaumuseum in Zabzre (Polen).

Bernard Langerock hat sich an allen drei Standorten auf die Arbeitersiedlungen beschränkt und stellt diese neben der Dokumentation der Örtlichkeit in acht thematischen Serien u.a. das „Verweilen“ „Ceci n’est pas un but de football“ (Fussball als Bekenntnis) und „Deuk-deuk tong“ (der Zuckerschläger kommt) dar. Das Buch zeigt weniger eine Handels- und Karawanenstraße, sondern drei postindustrielle Arbeiterquartiere an der „neuen Seidenstraße“ Eisenheim (Oberhausen), Siedlung „Borsigwerk" (Zabrze) und Tongyuanju (in Chongqing). Charakteristisch für alle drei Orte ist das typische Zusammenleben der Bewohner, die spezifische Architektur gut erkennbar in Eisenheim (1846) und im Borsigwerk (1863 bis 1871) und ihre wechselvolle Stadtteilgeschichte, einheitlicher Aufbau, Veränderungen, drohender Abriss und Baudenkmal. Allen gemeinsam ist mit der „Veränderung der Arbeitswelt“ ein schleichender Niedergang, der in Tongyuanju bereits radikal vollzogen wurde. Die Metropole Chongqing lässt hier moderne Hochhäuser errichten. Bernard Langerock hat somit Trennendes und Verbindendes dargestellt: den Alltagswandel in drei sehr unterschiedlichen Ländern mit ähnlichen Zukunftssorgen.

Die dieser Serie übergeordnete Werkserie, in der die Zugfahrten zwischen den drei Städten in Landschaftsmotiven dokumentiert werden und die damit mehr dem Begriff „Neue Seidenstrasse“ entspricht wird, im vorliegenden Buch leider nur kurz gestreift.
Das Buch regt dazu an über die aktuelle Frage nachzudenken, welche identitätsstiftende Wirkung künstlerische Photographie in Bezug zu urbanen Veränderungen haben kann. Kann sie neue Perspektiven schaffen und einen interkulturellen Austausch ermöglichen? Ein gelungenes Buch, das die bisherigen Werke zur Industriegeschichte durch seinen interdisziplinären Ansatz ergänzt, und damit der zeitgenössischen Fotografie neue Themengebiete aufzeigt. (db)

Ausstellung bis 28.02.2022 im LVR-Industriemuseum St. Antony-Hütte (Oberhausen)


Arbeitersiedlungen entlang der Seidenstraße
Fotografien von Bernard Langerock

Hrsg.: Bernard Langerock
Texte von Tobias Chriske, Walter Hauser, Bernard Langerock, Ulrike Langerock, Kornelia Panek, Andrea Perit, Beata Piecha-van Schagen, David Skrabania
Deutsch, Polnisch, Chinesisch
Buchgestaltung Festeinband
152 Seiten circa 186 Abbildungen Farbe
Bergischer Verlag, Remscheid
ISBN 978-3-96847-012-2
19,00 €