PRISMA. Dagmar Varady
Ein Buch wie eine Ausstellung

Die bildende Künstlerin Dagmar Varady photographiert vornehmlich in Bibliotheken und an Arbeitsorten von Personen, denen sie durch ihre Kunst begegnet: „Mich interessiert der Blick hinter die Kulissen, den Ort, an dem das Werk entsteht.“ In dem bei der Edition Lammerhuber, Baden (A), erschienenen Band ‚Prisma‘ vermittelt sie mit einer Auswahl von 23 Photographien den Denkhorizont des Wissensraums hinter der visuellen Recherche zum jeweiligen Genius Loci.

Die eine Seite, der Bilderfluss des von der Photographin Dagmar Varady zusammen mit dem Verleger Lois Lammerhuber als Leporello konzipierten Bandes, zeigt im Querformat Photographien privater Bibliotheken, Schreibtischen, Arbeitszimmern, Studierstuben und Galerien, somit Arbeitsplätze von Forschern im weitesten Sinne.

Auf der anderen Seite des Buchs sind deren Begleittexte, Essays und Glossare zum Thema der Reflexion individueller Arbeitsweisen der Wissensproduktionen abgedruckt. Stephanie Jacobs, die Leiterin des Deutschen Buch- und Schriftmuseums in Leipzig, ordnet das Buch in ihrem Prolog unter dem Titel „Vom Sammeln, Wissen und Speichern – ein Blick zurück nach vorn“ denn auch in den größeren Kontext kultureller Praktiken der Wissensspeicherung ein. Der Kulturpublizist Paolo Bianchi widmet sich in einem Gespräch mit dem Kurator Roger M. Buergel unter dem Thema „Die Irritation des Verstehens“ den grundsätzlichen Fragen zur Wissensaneignung am Beispiel der Bibliothek im Johann-Jacobs-Museum in Zürich. Der Autor Hubertus Gassner beschreibt in seinem Essay „Der Bücher süße Last“ den Umzug seiner privaten Bibliothek, Schwerpunkt Surrealisten, von Hamburg nach Perinaldo. Zum Hauptinteresse von Michael Hagner, Professor für Wissenschaftsforschung an der ETH Zürich, gehören neben der Geschichte der Humanwissenschaften die Geschichte des Buchs, der er sich unter dem Titel „Lust am Buch, mehr nicht“ ausführlich widmet. Bernd Kaufmann, in Weimer u.a. als Präsident der Klassik-Stiftung tätig, outet sich in seinem Text „Die Seufzer des Digitalen. Vom Vergessen und Verschwinden“ als Wanderer zwischen der „Ordnung der Dinge“ und anderen „Sichtweisen von Ding“. Der Gründer der Stiftung Bibliothek, Werner Oechslin, äußert sich unter dem Titel „Die Bibliothek und ihre Beweger“ zum Schwerpunkt Architekturgeschichte. Die Kulturjournalistin Vanessa Simili entwickelt in ihrem Beitrag „Über das Suchen und Finden im Analogen und Digitalen“ ein Porträt der Material- und Kunstbuchbibliothek in der Kunstgießerei Sitterwerk in St. Gallen. Der Kunsthistoriker Thomas Weiss, ehemals Vorstand und Direktor der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz, thematisiert in seinem Essay „Vom Sammeln und Erinnern“ den Mikrokosmos des privaten Ortes.

Beide Seiten, den Phototeil und den Textteil, verbindet somit eine Vielzahl gedanklicher Verbindungen zwischen Architektur, Wissenschaft, Kunst, Forschung, Handelsgeschichte, Gartengeschichte, Kunstbuchsammlung und Kulturmanagement, die das Denken nach außen und nach innen durchlässig machen. Betrachtet man die beiden Seiten des außergewöhnlich gestalteten, ausklappbaren Leporellos als künstlerisches Werk, ist es zudem möglich, sich diesem Bildband wie einer Ausstellung zu nähern - einer Ausstellung von fast 10 Metern Länge.

Das Buch ist in hochwertiger Verarbeitung von Hand gebunden und erscheint in einer einmaligen Auflage von 345 nummerierten, von der Künstlerin signierten Exemplaren. Für alle Liebhaber eines außergewöhnlichen Photobuchs liegt mit „Prisma“ ein künstlerisches Werk vor, das sowohl inbezug auf den Inhalt als auch die Gestaltung zum Nachdenken anregt.  (vZ)


Dagmar Varady
PRISMA 
Texte: Paolo Bianchi, Roger M. Buergel, Hubertus Gassner, Michael Hagner, Stephanie Jacobs, Bernd Kauffmann, Werner Oechslin, Vanessa Simili, Thomas Weiss
48 Seiten mit 30 Photos 
Format: 38x28 cm, Leporello im Schuber
Limitierte Auflage von 345 nummerierten, signierten Exemplaren 
Baden (A), Edition Lammerhuber
ISBN: 978-3-903101-72-2
250,00 €