Julia de Cooker hat sich schon einmal mit einem isolierten abgeschiedenen Lebensraum auseinandergesetzt, der Funafuti gegenüber gestellt nicht unterschiedlicher sein könnte. War es seinerzeit die Kälte des norwegischen Svalbard, hier besteht ein Nebeneinander von norwegischen und russischen Siedlungen, Bergbau, Klima- und Arktis Forschung, von Tourismus und moderner Dienstleistung (deutsch Spitzbergen, Buch „Svalbard, an Arcticficial Life “), so ist es jetzt das Atoll Funafuti in der Südsee. Beides sind Inselkulturen einerseits die 2.500 Meter tiefe Grönlandsee und 1.700 Meter hohen Berge, andererseits der 5.000 bis zu 7.000 Meter tiefe Pazifische Ozean und ein nur wenige Meter über den Meeresspiegel ragendes Atoll. Aber in beiden Werkserien geht es um Diversität und Anpassung an die jeweiligen lokalen Umweltgegebenheiten. Funafuti ist ein 2,8 Quadratkilometer großes Atoll im südlichen Pazifischen Ozean, das gleichzeitig die Hauptstadt des Inselstaats Tuvalu ist. Die fotografische Serie zeigt eine isolierte Region, die in ihren Lebensgewohnheiten (hölzernes Ruhebett, S. 8) ruht und andererseits doch schon mit der globalen Welt (Plastikflaschen, Motorradreifen am Sandstrand, Mülldeponie unter Palmen, Bauruinen) verzahnt ist.
Nur zweimal auf Seite 29 und 90 erkennt der Betrachter ein Südsee-Paradies in dem Frauenkopf mit eingesteckter Blume und dem Blumenkranz, die uns aus den Gemälden Gauguins vertraut sind. In dem Buch wird ein Inselalltag beschrieben, der schon stark von globalen Einflüssen und Verbindungen geprägt ist. Der steigende Meeresspiegel ist ein weltweites Phänomen, von dem die Menschen auch in anderen Ländern wie in den Niederlanden oder an der deutschen Nordseeküste betroffen sind.
Vom individuellen Charakter und Lebensfreude der Inselbevölkerung zeugen einzig die gelungenen Portraits „Schlafend“ (S. 16), „junge Frau“ (S. 18), „Mutter und Kind“ (S. 27), „Blume im Haar“ (S. 29), „Opa mit Enkel“ (S. 37), „junger Mann“ (S. 38), „Fischer“ (S. 61), „Oma und Enkelin“ (S. 74), „Frau mit Blumenschmuck“ (S. 90), „Mädchen mit Besen“ (S. 107), die ein überzeugendes Argument gegen globale Standardisierung und für lebendige Diversität aller Bevölkerungsgruppen sind.
Die Bildstrecke ist leider unstrukturiert, was sicher die spontanen Eindrücke der Fotografin wiedergeben soll, für den Betrachter aber schwer nachvollziehbar bleibt. Diesen Eindruck kann auch der philosophische Text von Emilie de Cooker nicht ausgleichen.
Eine gelungene Publikation, die schön gestaltet mit einer sachlich funktionalen Buchgestaltung, der gezeigten Werkgruppe künstlerisch gerecht wird. Diese themenreiche fotografische Werkgruppe wird zum Nachdenken über die Autorenfotografie und ihre dokumentarischen Möglichkeiten in Bezug auf die Motivthemen - kulturelle Identität und klimatische Veränderungen - anregen. (db)
Funafuti - i aso nei
Julia de Cooker
Texte von Émilie de Cooker
Englisch, Französisch
Buchgestaltung Festeinband mit Lesebändchen
120 Seiten, 73 Abbildungen in Farbe
Kehrer Verlag, Heidelberg
ISBN 978-3-96900-118-9
28,00 €