Wechselspiel zwischen Mode und Kunst
Seit knapp 50 Jahren zieht sich das Thema Mode wie ein roter Faden durch das Schaffen der US-amerikanischen, 1954 in Glen Ridge geborenen Künstlerin Cindy Sherman, die sich konzeptuell mit Fragen der Identität, Rollenbildern und Körperlichkeit beschäftigt. Das Buch „Anti Fashion“ beleuchtet ihr photographisches Werk jedoch aus einer neuen Perspektive, wobei vor allem ihr Wechselspiel zwischen Mode und Kunst deutlich wird.
Als ständige Quelle der Inspiration nutzt Cindy Sherman für ihre Arbeit ihre zahlreichen Aufträge von Modezeitschriften sowie ihre enge Zusammenarbeit mit berühmten Designerinnen und Designern. Gleichzeitig beeinflusst die Künstlerin bis heute die Ästhetik der Modewelt und setzt wesentliche Impulse, auch für eine ganze Generation von Photographinnen und Photographen. Durch das Medium Photographie sind Mode und Bildende Kunst seit jeher im Dialog – Cindy Sherman stellt darüber hinaus jedoch das ganze System mit all seinen Abgründen in Frage. Ihre Photographien zeigen Figuren, vielfach auch sich selbst, die alles andere als begehrenswert sind und damit allen Konventionen von Haute Couture sowie den üblichen Vorstellungen von Schönheit bewusst widersprechen. Das Thema Mode erweist sich für die Photokünstlerin dabei als Ausgangs-punkt ihrer kritischen Fragen nach Identität, Gender, Stereotypen sowie dem Umgang mit dem Altern.
In dem im Sandstein Verlag, Dresden, erschienenen Katalogband „Anti Fashion“ beginnt die Kuratorin und Photographie-Expertin Alessandra Nappo ihre mit „Mode im Verborgenen – Cindy Shermans (Anti-) Modephotographien“ betitelte ausführliche Einführung mit der Feststellung, dass die letztlich allgegenwärtige Mode Teil komplexer Spannungsverhältnisse zwischen Alltagsleben, Konsumkultur und Kunst ist. Cindy Sherman war die Dynamik und das Potenzial der Mode für ihre Arbeit von Anfang an bewusst: Mode ist ein Ort der Disziplinierung und Uniformierung, bietet aber auch das Potential für alternative Identitäten, Lebensstile und Begehrensformen. „Dabei arbeitet Sherman seit fast 50 Jahren als ihr eigenes Modell und inszeniert sich in ihren photographischen Porträts in mehr als 600 unterschiedlichen Rollen, die uns zuweilen von bizarren ‚Fashion Victims‘ erzählen.“
Während Hanne Loreck, Professorin für Kunst- und Kulturwissenschaften, in ihrem Beitrag unter der Überschrift „Mode maskieren“ erläutert, wie Cindy Sherman sich selbst oder auch Models in ihren Photographien inszeniert, widmet sich die wissenschaftliche Mitarbeiterin Katharina Massing unter dem Titel „Katalog“ in mehreren bebilderten Kapiteln ausführlich dem Werdegang der Photokünstlerin und beleuchtet ihr photographisches Werk aus einer neuen Perspektive.
Der Bildband beweist Cindy Shermans große Bandbreite an Charakteren. Zu ihrer Arbeit stellt sie fest: „Mir selbst erscheint es langweilig, die typische Vorstellung von Schönheit zu verfolgen, weil es der einfachste und offensichtlichste Weg ist, die Welt zu betrachten. Die wahre Herausforderung ist, einen Blick auf die andere Seite zu werfen.“ (vZ)
Ausstellung noch bis 10. September 2023 in der Staatsgalerie Stuttgart sowie vom 7. Oktober bis 28. Januar 2024 in den Deichtorhallen Hamburg
Cindy Sherman
Anti Fashion
Texte: Hanne Loreck, Katharina Massing, Alessandra Nappo
Sprache: Deutsch, Englisch
168 Seiten mit 130 farbigen Abbildungen
Format: 25x25 cm, Hardcover
Dresden, Sandstein Verlag
ISBN: 978-3-95498-740-5
38,00 €