Die geheimen Sperrgebiete der DDR
Die Photographin Anne Heinlein, 1977 in Potsdam geboren, ist in der DDR groß geworden. Sperrgebiete waren dort alltäglich, überall waren sie präsent, auch in den Städten. Nach dem Ende der DDR wurden die meisten Sperrgebiete aufgelöst und die dort stationierten Truppen zogen sich aus den Gebieten zurück. Was blieb, war eine Landschaft, die durch Munitionsreste und chemische Stoffe großflächig kontaminiert ist - hunderte Hektar bodenverseuchtes Land, das zum Naturschutzgebiet geworden ist, weil kein Mensch dieses Land gefahrenfrei betreten kann.
Anne Heinlein, die ab 2000 künstlerische Photographie an der Hochschule für Graphik und Buchkunst Leipzig (HGB) bei Prof. Timm Rautert und Prof. Joachim Brohm studierte und dieses 2006 mit dem Diplom für Bildende Kunst abschloss, durchstreifte die ehemaligen Sperrgebiete der Nationalen Volksarmee (NVA) und der Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland (GSSD) und recherchierte in den ehemaligen Archiven der Staatssicherheit der DDR. Dabei sind großformatige, schwarzweiße Photographien der Sperrgebiete entstanden, Bilder von unberührtem Wald, dichtem Gestrüpp oder Unterholz, das den Blick in die Ferne verstellt und so zur Naturbühne wird. Darüber hinaus wurden Reproduktionen aus schulischem Soldatenlehrmaterial zu Kriegs- und Kampfstrategien sowie einem Fund von Photographien für Propagandazwecke erstellt, die diese Strategien geradezu glorifizieren.
In ihrem Beitrag erinnert sich die ebenfalls in der DDR geborene Schriftstellerin Julia Schoch unter dem Titel „Im Dickicht der Erinnerung“ an ihre Kindheit und wie sie sich einer Grenze der DDR näherte. Denn für die meisten Menschen dort waren Grenzen, Verbotszonen und Sperrgebiete ein fester Bestandteil ihrer Lebenswelt. Ihr Text wird durch eine „Vorkommnisse“ betitelte Aufzählung von Fahnenfluchten, Flugzeugabstürzen, Straftaten, Selbsttötungen oder auch Angriffe gegen Offiziere vervollständigt.
In seinem mit „Versperrte Räume, verborgenes Land“ überschriebenen Text schildert Peter Ulrich Weiss vom Leibniz-Zentrum für zeithistorische Forschung, Potsdam, dass es in der DDR unzählige Sperrgebiete von riesigen Manövergeländen über mittelgroße Kasernenobjekte bis hin zu einzelnen Gebäudegrundstücken gab. Der größte Anteil mit mehr als 7100 Quadratkilometern diente der Grenzsicherung zur Bundesrepublik einschließlich West-Berlin mit ihren Sicherheitszonen und tödlichen Anlagen.
In dem in der Edition Fotohof, Salzburg, erschienenen Buch „Geheimes Land“ setzt sich die Photographin Anne Heinlein künstlerisch mit der Geschichte der DDR und dem dort herrschenden militärischen Drill auseinander, der in scheinbarer Perfektion auf den großen Krieg vorbereiten sollte. Sie deutet Menschen und ihre Schicksale an, lässt aber bewusst keine genaue Verortung zu - vieles bleibt bewusst rätselhaft und diffus. Die Schriftstellerin Julia Schoch und der Historiker Peter Ulrich Weiss schildern die Gefühle, mit denen ehemalige dort lebende Bürger diese Vergangenheit sehen - mit dem Schein der Wirklichkeit und verborgenen Wahrheiten, die rückblickend nicht eindeutig rekonstruierbar sind. (vZ)
Anne Heinlein
Geheimes Land
Beiträge: Julia Schoch, Peter Weiss
Texte: Deutsch, Englisch
128 Seiten mit 42 Schwarzweiß- und 30 Farbabbildungen
Format: 19,5 x 25,5 cm, Softcover
Salzburg, Edition Fotohof
ISBN: 978-3-903334-38-0
30,00 €