Eindrucksvolle Bilder, die Geschichten erzählen
Die Stadt- und Straßenphotographien, die der nach seinem Studium für viele Jahre als Systemberater bei IBM tätige Hansgert Lambers (*1937) als Photographieliebhaber über sieben Jahrzehnte hinweg in Barcelona, West- und Ost-Berlin, Bologna, London, Ostrava, Paris und Prag aufnahm, zeigen ein von Humanismus und Neugier geprägtes Interesse an Menschen. Das Glück, die Erotik, die Traurigkeit und die Mühsal des Lebens finden sich in seinen Bildern als zur Conditio humana gehörende Daseinszustände.
Dabei erfasste er mit seiner Kleinbildkamera in Schwarzweiß-Photographien über viele Jahre hinweg eindrucksvolle Motive, die über das Festhalten der jeweiligen Situation hinaus zum Verweilen, zum Betrachten animieren, wie der Kulturjournalist Matthias Reichelt unter dem Titel „Die Zeit wie ein Zug, mit den Bildern als Fracht“ in seinem Text feststellt: „Etwas krallt sich in der Wahrnehmung der Betrachter fest, fordert die ganze Aufmerksamkeit und zieht sie regelrecht in das Motiv hinein.“ Und weiter: „Im Zentrum seines photographischen Interesses standen und stehen die Menschen, sogar in den Landschaftsaufnahmen, die immer auch Spuren und Zeugnisse menschlichen Handelns in den Fokus nehmen. . . . Für Hansgert Lambers war es dediziert die persönliche Ungebundenheit, die es ihm erlaubte, sich seine Bilder von der Welt so zu machen, wie er es wollte.“ So interpretiert Lambers, der auch immer wieder einen Hinweis auf die von ihm benutzte Leica, teilweise auch die Minox einstreut, „die Stadt als polyvalente Projektionsfläche der Gefühle und Gedanken, Sehnsüchte und Passionen, Hierarchien und Strukturen, in die sich die Passanten als selbstbewusst-souveräne Protagonisten integrieren,“ wie die freie Journalistin Irene Bazinger in ihrem „Die Stadt als Bühne“ betitelten Text herausstellt.
Der Schotte Ian Jeffrey, der oft über die Geschichte der Photographie publiziert hat, widmet sich in seinem Beitrag „. . . dann plötzlich dieser Augenblick“ den philosophischen Interessen, die Lambers in seinen Aufnahmen zeigt: „Diese sind Teil von dessen Daseinsweise, dennoch zumeist das Ergebnis von Augenblicksentscheidungen.“ Die Einführungen beschließt ein Gespräch, das der Herausgeber Matthias Reichelt unter dem Titel „Ein Nachteil – man kann mich nicht in eine Schublade stecken“ mit Hansgert Lambers über dessen Leben als Verleger und Photograph führte. Dem folgt der umfangreiche Bildteil mit den 215 von den 1950er Jahren bis heute aufgenommenen Schwarzweiß-Photographien.
Der in der Edition fotohof, Salzburg, erschienene Bildband „Verweilter Augenblick“ fasst ein Konvolut eindrucksvoller Einzelaufnahmen von Hansgert Lambers zusammen, in denen dieser die Diskrepanz zwischen der Anonymität riesiger Wohnanlagen ebenso eingefangen hat, wie die einsame Präsenz eines spielenden Kindes oder das intime Glück in einer eher unwirtlichen Umgebung von Osrtrava – Bilder, die Geschichten erzählen. (vZ)
Hansgert Lambers
Verweilter Augenblick
Hrsg.: Matthias Reichelt
Beiträge: Irene Bazinger, Ian Jeffrey, Matthias Reichelt
Texte: Deutsch / Englisch
334 Seiten, mit 215 Schwarzweiß-Abbildungen
Format: 25x21,5 cm, Hardcover
Salzburg, Edition Fotohof
ISBN: 978-3-903334-40-3
34,00 €