Ein hochaktuelles Buch, das das Leiden der Zivilbevölkerung im modernen Krieg zeigt und dass besonders die Kinder - heute in der Ukraine wie vor 50 Jahren in Vietnam - darunter leiden. Die Fotografien vietnamesischer Kinder von Thomas Billhardt sind von großer Empathie und Aussagekraft getragen. Darum ist es bedauerlich, dass für den Buchtitel ein Propagandamotiv und nicht ein Bild des Kinderleidens wie auf dem Frontispiz oder Seite 83 verwandt wurde. Thomas Billhardt beschreibt ausführlich seine Reise von Ostberlin über Moskau und Sibirien in das Peking der Kulturrevolution und dann nach Vietnam. Vor diesem Hintergrund ist die gut komponierte Fotografie des jungen amerikanischen Piloten, der in die Kriegsgefangenschaft von einer Vietnamesin mit Gewehr und Bajonett abgeführt wird, kritisch zu sehen, denn es zeigt nicht das Leid des Krieges, sondern eine Ideologie.
Blättert man das das Buch dann durch, nimmt man dem Fotografen Thomas Billhardt sein Credo „Ich habe menschliche Freude und Leid erlebt, sei es an der Front in Vietnam und bei der Arbeit für UNICEF in den Elendsvierteln dieser Welt.“ sicher ab. Auch ist eine deutliche stilistische Entwicklung von den frühen Fotografien des Kriegsalltags mit Gewalt, Tod und Leid in Vietnam zu den heutigen Portraits der damaligen Protagonisten, den heutigen Zeitzeugen des Krieges zu erkennen. Thomas Billhardt ist immer ein empathischer Beobachter des Krieges gewesen, den er selbst auch psychisch und physisch erlebt und die Fotografien mit seinen Texteindrücken ergänzt hat. Diese Werkserie hat er durch eine Reise 2000 nach Vietnam mit Portraits der heutigen Zeitzeugen (damaligen Aktiven) und deren Lebensrealität 25 Jahre nach Kriegsende vervollständigt, so dass eine menschliche Chronik von 60 Jahren Vietnam entstanden ist.
Der in manchen Motiven sichtbare ideologische Parteiname macht das Buch so interessant, da es dem Betrachter ermöglicht, selbst abzuwägen und zu bewerten. Thomas Billhardt (*1937 in Chemnitz) hat mit Engagement und Leidenschaft das Leid und das Lachen der Menschen in Fotografien festgehalten. Ein empfehlenswertes Buch als Dokument einer Zeitepoche, die momentan wieder sehr aktuell - in Bezug auf die Ukraine - ist und die Möglichkeiten der Fotografie im Austausch der Themen zeigt. Für zeitgeschichtlich interessierte Leser*innen und Fotograf*innen ein gleichermaßen interessantes Buch, das auf Grund seiner expressiven Aussagen zur kritischen Reflexion eines historischen Abschnitts und der heutigen Medienpräsenz beiträgt. Eine Publikation, die zum Nachdenken über die Fotografie und ihre künstlerischen Möglichkeiten anregt und einen Beitrag zu weiteren Diskursen über die stilistischen Varianten des Kriegsbildes bietet. (db)
Ausstellung „Witnessing History“ bis 7. Mai 2022 in der Galerie CAMERA WORK, Berlin
Fotografien von Thomas Billhardt
Texte von Thomas Billhardt
Deutsch/Englisch/Vietnamesisch
Buchgestaltung Festeinband
144 Seiten, 153 Abbildungen in Schwarz-Weiß und Farbe
Edition Braus, Berlin
ISBN 978-3-86228-225-8
29,95 €