Die Definition der Fotografie ist heute das „Lichtbild“ im Gegensatz zu der „Kunst mit dem Medium Fotografie.“ Ob die Gestaltung der Fotografien dann „dokumentierend interpretierend oder experimentell“ ist, bleibt dem Künstler überlassen! Die fotografischen Arbeiten von Thomas Brummett sind technisch und formal eindeutig „Lichtbilder“ und stehen damit in einer stilistischen Kontinuität, die sich vom BAUHAUS mit Moholy-Nagy den Medienreflexionen und Licht-Experimenten u.a. von Man Ray (Solarisation) und Harold E. Edgerton über die „Formen des Mikrokosmos“ von Carl Strüwe bis zu der experimentellen Fotografie zur Erkundung bildkünstlerischer Formen bei Otto Steinert [Verspielter Punkt (1948) Strenges Ballett (1949) Place de la Concorde 3 (1952)] fortsetzt.
Auch in der zeitgenössischen künstlerischen Fotografie gibt es Werkgruppen, die sich mit experimenteller Fotografie und den Phänomenen des Lichtes auseinandersetzen. Alle diese Aspekte fokussieren sich im Höhlengleichnis des Platon, indem er eine Theorie der visuellen Wahrnehmung entwickelt, und eine Metaphysik des Lichts erwähnt. In seiner aktuellen Werkserie arbeitet Thomas Brummett mit Strahlen und Reflexionen und dokumentiert so die Naturphänomene des Lichtes. Dabei nimmt er in den Serien RIVER und HALOS Bezug auf die „Neue Sachlichkeit“ deren Credo es war, in völliger Neutralität eine Situation, Materialität oder Örtlichkeit wiederzugeben. Diese intensive Objektbeobachtung dem „Wesen der Dinge“ nachzuspüren wohnt der „Neuen Sachlichkeit“ aber auch dem Buddhismus und der taoistischen Philosophie inne. Es ist ein Forschen nach den Dingen als solchen! Alles gipfelt dann wie bei Platon in der „angenehmen Wahrnehmung“ (gr. Aisthetos) der Ästhetik.
Die Werkserie „RIVER“ basiert auf Wasserspiegelungen, die Brummett unter Einbeziehung aller technischen Möglichkeiten zu chromogenen Abstraktionen in „River #14 und River #15 River Diptych #“ reduziert. Dies ist die Zwischenwelt jenseits der Realität, die auch Platon anspricht und die sich im Dialog mit Katsushika Hokusai (Wellenstrukturen) oder den Lichteffekten wie Pierre Soulages' Outrenoirs (River #12) widerspiegelt.
Die Werkserie „HALOS“ setzt sich mit den Lichtphänomenen auseinander wie es auch Moholy-Nagy und Otto Steinert ausführlich taten. Licht ist immateriell und manche Aspekte nur flüchtig sichtbar wie z.B. „Halos“ des Sonnenlichts [ Halos #13 (Ascension) und Halos #12 (For the Fallen)] oder als Überstrahlung [Halos #9 (Ascension)].
In beiden Serien setzt Brummett die Naturphänomene ein um die Grenzen der Realität und das was wir für real halten - siehe Platon - auch unter philosophischen Aspekten hinterfragt. Die „Essenz der Schönheit“ ist die „Ästhetik,“ die aus der Reflexion unserer (Natur-) Beobachtung resultiert, und in der Fotografie ein neues Bild der Welt (siehe Paul Klee) entstehen lässt, das jeder Betrachter individuell interpretieren kann.
Ein empfehlenswertes Buch als Beitrag zu der Entwicklung der abstrakten Fotografie von der klassischen Moderne den stilistischen Impulsen „subjektiven Fotografie bis zu den aktuellen Werkgruppen. Für Kunstwissenschaftler und Fotografen ein gleichermaßen interessantes Buch, das schön gestaltetet ist mit einer sachlich funktionalen Buchgestaltung. Eine gelungene Publikation, die den gezeigten Werkgruppen künstlerisch gerecht wird und zum Nachdenken über die Fotografie und ihre künstlerischen Möglichkeiten anregt und einen Beitrag zu weiteren Diskursen über die stilistischen Varianten konzeptueller Fotografie bietet. (db)
Ausstellung bis 30.12. 2021 in der Galerie Karsten Greve (5, rue Debelleyme Paris)
This Shimmering World
Fotografien von Thomas Brummett
Hrsg.: Galerie Karsten Greve Köln
Texte von Thomas Brummett
Deutsch, Englisch, Französisch
Buchgestaltung Broschur
40 Seiten, 35 Abbildungen in Schwarz-Weiß und Farbe
Eigenverlag: Galerie Karsten Greve, Paris
10,00 €