Der um die Beiräte erweiterte Vorstand der Sektion Geschichte und Archive der Deutschen Gesellschaft für Photographie (DGPh) hat in seiner Sitzung vom 20. November den Erich-Stenger Preis 2008 Angela Matyssek zuerkannt. Ihr Dissertation Kunstgeschichte als fotografische Praxis wurde aus 24, teils hochkarätigen photohistorischen Arbeiten aufgrund ihres Reflexionsniveaus, der beeindruckenden Komplexität in der Darstellung von Richard Hamanns “photographischer Praxis” sowie der Stringenz ihrer Argumentation ausgewählt.
Die diesjährige Erich-Stenger-Preisträgerin behandelt in ihrer Studie die Verschränkung von photographischer Praxis und Kunstgeschichtsschreibung seit dem letzten Drittel des 19. bis zu den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts. Im Zentrum ihrer Untersuchung steht der Marburger Kunsthistoriker Richard Hamann, der 1913 mit dem Aufbau eines kunsthistorischen Bildarchivs begonnen hat, das als Weltinstitut imaginiert, als Foto Marburg tatsächlich zu einem der größten seiner Art werden sollte. Im Unterschied zu photohistorischen Untersuchungen, die seit den 1990er Jahren die Photographie als Analyseinstrument, als Beweismittel und als Grundlage wissenschaftlicher Praktiken untersuchten, arbeitet die Autorin in ihrer Studie die Bedeutung des Photographierens für die Konstituierung von Hamanns kunsthistorischer Methodik heraus. Für diesen fungierten weder das Medium noch dessen Ausübung im Sinne einer „Dienerin der Wissenschaften und Künste“ wie Baudelaire 1859 geschrieben hatte. Ganz im Gegenteil – Hamann entwickelte aus der Praxis des Photographierens sein Verständnis der Disziplin Kunstgeschichte: Erst durch das Photographieren wurden für ihn Kunstobjekte intelligibel; darüber hinaus bildete für ihn das photographische Archiv die Grundlage der Wissenschaft.
Angela Matyssek gelingt es in ihrer materialreichen und äußerst sorgfältigen recherchierten Dissertation grundlegende photohistorische Fragen neu zu stellen und zu beantworten: Wie z.B. die nach der Objektivität beziehungsweise der Subjektivität des photographischen Dokuments oder die nach dem epistemischen Status der Photographie als Quelle sowie die nach der Bedeutung und Bedeutungskonstituierung des photographischen Archivs.
Der Preis wird Angela Matyssek im Rahmen der von der Sektion Geschichte und Archive veranstalteten Tagung „Depot und Plattform – Bildarchive im post-photographischen Zeitalter“ am 5. Juni 2009 im Museum für Angewandte Kunst in Köln überreicht.