Paris, Blicke Roger Melis Cover

Die Stadt Fellbach erinnert mit Ausstellungen bekannter Photographen an die beiden hier geborenen Photojournalisten Hansel Mieth und Otto Hagel, die in Amerika (Ende 1930er Jahre) bedeutende Erfolge als Chronisten ihrer Zeit hatten. In dieser Kontinuität wird in der Städtischen Galerie jetzt die Serie »Paris, Blicke« des Photographen Roger Melis (1940–2019) gezeigt. Melis vertrat den ostdeutschen Photorealismus und war mit seinen Modephotographien auf internationalem Niveau, die zahlreichen Schriftsteller- und Künstler-Portraits prägen bis heute unser Bild dieser Zeit.

Möglich geworden war die gezeigte `Paris Serie´, da Melis eine einmonatige Ausreisegenehmigung für die französische Hauptstadt erhalten hatte. Die Serie zeigt eindrucksvoll den suchenden und analysierenden Blick des Photographen, der sich mit dem Gegensatz eines deutschen Stadtbildes der fünfziger Jahre und dem Flair einer Kultur- und Weltmetropole auseinandersetzt und daraus Bilder gestaltet, die aussagekräftig und damit zeitlos sind. Die ganz anderen gesellschaftlichen Strukturen werden sichtbar in der Demonstration S.16, den Straßenszenen S. 12+15. Die politische Pluralität einer gewachsenen Republik (im Gegensatz zur Diktatur) zeigt er (S. 16+18).
Ein besonders prägnantes Beispiel ist die Silhouette des `Flics´ mit Paletot vor der Kuppel des `Palais du Luxembourg,´der totale Gegensatz zum `Vopo´ bei der Abreise in Ostberlin.

Es ist das Staunen des Photographen vor einer weltberühmten, multikulturellen aber auch multiethnischen Stadt. Wie andere berühmte Paris-Chronisten u.a. Brassai, Otto Steinert und Cartier-Bresson beschreibt er besonders den Alltag der Menschen und die `Frauen von Paris´ - die Motive regen den fachkundigen Betrachter zu einem anregenden Vergleich an.

Das Buch ist eine wichtige Neuerscheinung, da es stilistisch einen bedeutenden Photographen vorstellt und zugleich dazu anregt, über die aktuelle Frage nachzudenken, welche identitätsstiftende Wirkung künstlerische Photographie in Verbindung mit dem `Europa Gedanken´ haben kann. Den Photographien wird der pointierte und kenntnisreiche Text von Michael Davidis (Historiker und Buchwissenschaftler) auch mit dem Hinweis auf die `ROM-Reisenden´ gerecht.

Eine gelungene Publikation, die zum Nachdenken über die Photographie und ihre künstlerischen Möglichkeiten anregt, Ein empfehlenswerter Erinnerungsband an eine Reise nach Paris, bei dem nur bedauerlich ist, dass einem so bedeutenden Photographen nicht ein umfangreicherer Bildband gewidmet werden konnte.(db)

Paris, Blicke - Roger Melis
Photographien von Roger Melis

Herausgeber: Kulturamt der Stadt Fellbach
Essay von Michael Davidis
Deutsch
Buchgestaltung Broschur
24 Seiten, 16 Abbildungen in Schwarz-Weiß
Schutzgebühr 5 € (in der Galerie)

Ausstellung:  bis 30.08.2020, Galerie der Stadt - Fellbach