Der in Paris lebende US-amerikanischer Maler, Filmregisseur und Fotograf William Klein wird 1988 mit dem Kulturpreis der DGPh ausgezeichnet.
Klein ist ausgebildeter Maler und studierte bei Fernand Léger. Nach frühen Erfolgen mit Ausstellungen seiner Werke wandte er sich der Fotografie zu und wurde vor allem als Modefotograf für die Vogue und für seine Fotoessays über verschiedene Städte weltberühmt. Er führte Regie bei Spielfilmen, zahlreichen Kurz- und Langfilmdokumentationen und produzierte über 250 Fernsehwerbespots. Klein wurde 1957 mit dem Prix Nadar, 1999 mit der Centenary Medal and Honorary Fellowship (HonFRPS) der Royal Photographic Society und 2011 mit dem Outstanding Contribution to Photography Award bei den Sony World Photography Awards ausgezeichnet.
Auszug aus der Laudatio von L. Fritz Gruber, gehalten auf der Preisverleihung im Museum Ludwig am 16. September 1988:
Die Deutsche Gesellschaft für Photographie ehrt mit ihrem Kulturpreis 1988 den Amerikaner in Paris William Klein, der im Jahre 1956 mit seinem spektakulären Bildband über New York alle photographischen Traditionen brach, der seine revolutionierenden Visionen neuartig präsentierte und der von jenem Zeitpunkt bis heute ein unverwechselbar eigenes Oeuvre mit der Kamera geschaffen hat.
William Kleins Buch erzeugte Schockwirkung. will man ihm heute gerecht werden, muß man sich vergegenwärtigen, wie das Bild war, das sich Amerikaner, und nicht nur sie, damals von ihrem Land und ihren Landsleuten machten. Inzwischen klassische Namen von Ansel Adams bis Edward Weston hatten in den Jahren ab 1930 nach altväterlicher Manier mit großformatigen Apparaten auf Stativen Mensch und Natur fast ehrfurchtsvoll mit höchster Präzision wiedergegeben. Man konnte auf ihren Photographien jedes Haar und jeden Grashalm zählen. Auch Walker Evans, der sich mehr den Ansiedelungen und ihren Bewohnern zuwandte, verlieh dem Gewohnten einen heroischen Aus-druck, und selbst seine heimlichen Aufnahmen in der Subway erwiesen ihn als respektvollen Beobachter.
Und wie sahen Photographen aus der Alten Welt nun die Erscheinungen der Neuen? Sie benutzten die entfesselte Kleinbildkamera Leica, mit der man unbemerkt und schnell Aufnahmen machen konnte. Der Deutsche Dr. Erich Salomon, bekannt geworden durch sein Buch "Berühmte Zeitgenossen in unbewachten Augenblicken", war zwischen 1930 und 1932 mit seiner Limousine auf den Highways unterwegs gewesen und hatte das, was er typisch und bemerkenswert fand, aufgenommen: Alltagsvorgänge, Durchschnittsleute, Zuschauer, Plakatwände, Tankstellen, Unfälle, sachlich berichtende Bilder. Sowohl 1935 wie 1947 hatte der Franzose Henri Cartier-Bresson die USA bereist und seine dabei gewonnenen Eindrücke 1952 in dem Buch "The Decisive Moment" veröffentlicht. Er hatte postuliert, der Photograph müsse unsichtbar bleiben, das dem Auge entsprechende 50mm Objektiv sei allein wirklichkeitsgetreu, und das zwei-zu-drei Rechteck dürfe nicht verändert werden, sein festgelegter Rahmen müsse alles Darstellenswerte umgrenzen. Dann hatte der Schweizer Robert Frank Amerika durchkreuzt und seine Sichten 1959 in einem Bildband herausgegeben. Frank unterschied sich von Cartier-Bresson nur in dem, was er anvisierte. Wo der Franzose einmalige Ereignisse zu visuellen Höhepunkten veredelte, was die Amerikaner freute, zeichnete der Schweizer das sich wiederholende Banale in Tiefpunkten auf, was die Amerikaner kränkte. Auch sonst schienen die beiden in einem Anti-Verhältnis verwandt. Zurückgekehrt in die Alte Welt hatte Cartier-Bresson 1955 sein zweites Buch "The Europeans" betitelt. "The Americans" nannte Frank danach sein erstes 1959. Beide erschienen in Paris und beide Photographen unterstellten, mit einer Auswahl von Bildern - Cartier-Bresson mit 114 und Frank mit 84 - die Bewohner jeweils eines Kontinents gültig umrissen zu haben. Und beide präsentierten ihre Photographien, wie schon Ansel Adams, Edward Weston und Walker Evans, einzeln, säuberlich, museal mit weißem Rand in der seit 1839 üblichen Guckkasten-Ästhetik. So also war Amerika, so waren die Amerikaner. Bis William Klein kam. [...]
So fragt man sich: wer war, wer ist eigentlich William Klein?
Er wurde vor 60 Jahren in New York geboren und erinnert sich, als Elfjähriger auf der Weltausstellung 1939 zuerst mit einer Box Brownie photographiert zu haben. Später studierte er Sozialwissenschaft am City College seiner Vaterstadt, und der zweite Weltkrieg verschlug ihn als Soldat nach Europa, wo er sich auch als Zeichner für "Stars and Stripes" bewährte. Vom Militärdienst entlassen, widmete er sich, seinem bildnerischen Drang folgend, eine zeitlang der Malerei bei Fernand Leger. Noch heute zeugen in Kleins Studio Leinwände mit Riesen-Typographien von jener Zeit. Und bis heute verrät sich der brillante Designer in seinen Publikationen, Als Autodidakt, photographisch nicht geschult, wurde William Klein zum kreativen Lichtbildner. Er hat Grenzen gesprengt und die Photographie mit neuen Sehweisen erweitert und vertieft. Ein Künstler der Kamera, dem wir eine besondere Bereicherung unserer visuellen Erfahrungen verdanken.
Deshalb ehrt ihn die Deutsche Gesellschaft für Photographie mit ihrem Kulturpreis 1988.