Die Deutsche Gesellschaft für Photographie verleiht in diesem Jahr ihren Kulturpreis an den Bauhaus-Schüler, Bildjournalisten und Fotopädagogen Andreas Feininger.
Damit ehrt die DGPh einen Mann, der als Redaktionsfotograf von LIFE mit seinen 346 Reportagen bereits heute ein Teil der Geschichte des Fotojournalismus ist. Sie ehrt aber auch den Fotopädagogen, der mit rund 50 allein in Deutschland erschienenen Fotolehrbüchern und Bildbänden einen großen Einfluss auf die Entwicklung der Fotografie in Deutschland hatte.
Der DGPh Ehrenpräsident, Professor Dr. L. Fritz Gruber hat die Bedeutung von Andreas Feininger in seinem Buch" Große Fotografen des 20. Jahrhunderts" sehr prägnant beschrieben. "Andreas Feininger vereinigt in sich zwei bedeutende Wesenszüge, die eines ausgefuchsten Magazinfotografen und die eines behutsamen Pädagogen. Feininger benutzt seine Kameras nicht impressionistisch, sein Intellekt bestimmt vielmehr seine Aufnahmen. In ihnen manifestiert er weniger seine Gefühle, als sein Wissen von den Objekten und seine praktische Erfahrung in der Ästhetik/der Fotografie. So ist er von vornherein für einen exzellenten Fotounterricht prädestiniert. Seine zweifache Tätigkeit schlug sich außer auf den Seiten der amerikanischen Weltillustrierten und den Lehrkolumnen der Fotozeitschriften "Modern Photography" und "Popular Photography" auch in zahlreichen Büchern nieder. Dabei spiegeln die Bildwerke seine pädagogischen Fähigkeiten und die Kompendien der Fotoästhetik und Technik die des vorzüglichen Lichtbildners wechselweise wider."
Andreas Feininger wurde aun 27. Dezember 1906 als Sohn des berühmten Malers Lyonel Feininger in Paris geboren. Von 1914 bis 1922 lebte er in Berlin und Weimar, wo sein Vater 1919 zum Leiter der Abteilung für Grafik am Bauhaus ernannt worden war. Von 1922 bis 1925 studierte er am Bauhaus in Weimar mit dem Schwerpunkt Möbeltischlerei. Von 1925 bis 1928 studierte er Architektur. In dieser Zeit beginnt sich Andreas Feininger für die Fotografie zu interessieren. Hierbei benutzt er zunächst eine Goerz/ Anschütz 9x12 Plattenkamera seiner Mutter. In diese Jahre fallen auch seine ersten Versuche in der Dunkelkammer. 1928 beginnt er seine Arbeit als Architekt in Dessau und von 1930 bis 1931 in Hamburg. Feiningers Fotos hatten schnell so großen Erfolg, dass er sich durch die Bildagentur dephot an zahlreiche Zeitschriften verkaufen konnte. Vor allem seine klare Bildauffassung war der Grund, dass er als einer der jüngsten Fotografen 1929 eingeladen wurde, auf der Internationalen Werkbuch Ausstellung Film und Foto in Stuttgart auszustellen.
Als amerikanischer Staatsbürger wurde es für ihn unmöglich, in Deutschland eine Arbeitserlaubnis zu erhalten. Nach einer 10monatigen Assistenz bei Corbusier in Paris, geht Feininger deshalb Mitte 1933 nach Schweden, wo er sich bald ausschließlich der Fotografie widmet. Seine Arbeiten werden in vielen schwedischen Architekturzeitschriften publiziert. In diese Zeit fällt seine Verbindung zu Walter Heering, für dessen jungen Verlag er eine Reihe von technischen Büchern zur Fotografie schreibt. 1936 erscheint Feiningers erster Städtebildband über Stockholm. 1937 zieht Andreas Feiningers Vater Lyonel nach New York. 1939 verlässt auch Andreas Feininger wegen des Krieges Europa und kommt im Dezember in New York an. Kurz darauf veröffentlicht er sein erstes Buch in englisch "New Paths in Photography". 1940 arbeitet er als freier Fotograf für die Black Star Fotoagentur in New York und lernt Wilson Hicks, den stellvertretenden Chefredakteur der Zeitschrift "Life" kennen.
1941 arbeitet er zunächst als freier Fotograf für "Life", 1943 wird er dort Redaktionsfotograf, eine Tätigkeit, die er zwanzig Jahre ausüben wird. In diesen Jahren fotografiert er 346 Reportagen. Zu seinen berühmtesten Life-Reportagen gehören seine New York Fotos. Obwohl Feininger amerikanischer Bürger von Geburt an war, hatte er, der in Frankreich geboren und in Deutschland aufgewachsen war, Amerika vor seinem 33. Lebensjahr nie besucht. Um sich der Herausforderung der Architektur New Yorks zu stellen, wandte er sich seinen frühen Versuchen wieder zu und baute eine verbesserte Fernbildkamera mit einem Objektiv von 40 inch Brennweite, das er an einer 4x5 inch Ansichtskarten-Kamera montierte. Seine äußerst gewissenhaft erarbeiteten Fotografien von New York waren so ungewöhnlich in ihrer räumlichen Reichweite und Detailauflösung, dass sie eine größtmögliche Wiedergabe verlangten. Deshalb erschienen viele von Feiningers Querformatbildern regelmäßig als Doppelseiten, was ihm bei seinen bewundernden Kollegen von Life den Spitznamen "Doppelseiten-Feininger" eintrug.
Heute kann der 91jährige Feininger, dessen gesamtes Fotoarchiv eine Heimat im Center for Creative Photography in Tucson, Arizona gefunden hat, immer wieder erleben, wie sein Werk in aller Welt Anerkennung findet.
Eine Gesamtbewertung des Menschen, Künstlers und Fotografen Andreas Feininger hat vor einiger Zeit der amerikanische Fotopublizist Ralph Hattersley treffend, kurz und prägnant so zusammengefasst: "In der Summe: Andreas Feininger ist eine große historische Persönlichkeit der Fotografie, über die jeder Bescheid wissen sollte".
Die Verleihung des Kulturpreises an Andreas Feininger fand am 23. Juni 1998, um 19 Uhr, anlässlich der Eröffnung der Ausstellung "Andreas Feininger Photographs 1928 bis 1988" in der Neuen Sammlung - Staatliches Museums für angewandte Kunst - Prinzregentenstraße 3, 80538 München, statt.
Da Andreas Feininger aus gesundheitlichen Gründen nicht nach München kommen konnte, wurde der Preis durch den amerikanische Gesandten Dr. David Arnett von der amerikanischen Botschaft in Bonn stellvertretend für Andreas Feininger entgegengenommen.