Laudatio auf den Preisträger des Dr. Erich Salomon-Preises 1982 der DGPh, World Press Photo, Amsterdam
Die Deutsche Gesellschaft für Photographie vergibt ihren Dr. Erich Salomon-Preis 1982 an die gemeinnützige Stiftung World Press Photo, Amsterdam, in Anerkennung ihres fünfundzwanzigjährigen erfolgreichen Wirkens zum Nutzen der Pressephotographie, die uns täglich bildhaft neue Kenntnisse und Erkenntnisse des Geschehens auf unserem Planeten und darüber hinaus vermittelt.
Der Wettbewerb World Press Photo wurde im Jahre 1956 durch drei Amsterdamer Pressephotographen - Ben van Meerendonk Sr., Kees Scherer und Bram Widman - als Erweiterung ihres bis dahin nationalen Wettbewerbes gegründet. Von Beginn an bis heute gilt World Press Photo als eine 0rganisation von Pressephotographen für Pressephotographen, auch, wenn sich später Redakteure, Agenturleiter und andere Fachleute in die Bemühungen einreihten. Es ist ihr Ziel, die Leistungen der Pressephotographen unabhängig von politischen Blöcken und ideologischen Gegensätzen zusammenzutragen und geschlossen zu präsentieren. Dazu wird stets eine im Turnus wechselnde internationale Jury berufen, welche die Vereinigten Staaten ebenso wie die Sowjetunion, europäische wie asiatische und Mitglieder anderer Kontinente umfaßt. Diese jeweils über vier Tage tätige Beurteilergruppe arbeitet, von der Öffentlichkeit abgeschirmt, völlig unbeeinflußt und souverän. In einem Festakt werden dann die Preisträger geehrt, das "Photo des Jahres" mit 5.000.- Gulden und dem Ehrensymbol "Goldenes Auge" ausgezeichnet und die weiteren Preise ausgehändigt. Die besten Bilder werden jeweils als Wanderausstellung gezeigt, und ein Buch aus ihnen gestaltet.. - und das regelmäßig während der vergangenen fünfundzwanzig Jahre, so daß in vielen Ländern Hunderttausende die erschütternden oder erheiternden, jedenfalls eindrucksvollen Ergebnisse der Pressephotographie konzentriert sehen können.
Schon früh haben auch deutsche Photographen Preise davongetragen und haben auch deutsche Juroren, nicht zuletzt aus dem Vorstand der DGPh, an der Beurteilung mitgewirkt, aber es haben auch andere, fachfreundschaftliche Beziehungen zwischen den Niederlanden und der Bundesrepublik bestanden. So wurde im Jahre 1956 für die "photokina,, von unserem Kulturpreisträger Chargesheimer die Schau "Zehn Jahre World Press Photo" geschaffen. Hier erwies es sich, wie wertvolI das Wirken von World Press Photo für einen schweren, wechselvollen und mitunter gefährlichen Beruf , nämlich den des Pressephotographen, ist, da eine Anzahl von Preisträgern selbst schon nach einer Dekade nicht mehr auffindbar blieb. Andere waren während ihrer Berufsausbildung zu Tode gekommen oder gelten als verschollen. Der Japaner Kyiocho Sawada gewann mit seinem inzwischen berühmt gewordenen Bild "Flucht in die Freiheit" den ersten Preis. Er wurde über Nacht aus dem vietnam-Kriegsschauplatz nach Amsterdam geflogen, dort ziviI eingekleidet und empfing seine Auszeichnung aus der Hand des Schirmherrn von World Press Photo, Prinz Bernhard der Niederlande. Da alle Einsendungen gegenüber der Jury anonym bleiben, geschah es, daß er im Jahre 1967 wiederum den ersten Preis gewann. Diesmal konnte er nicht kommen, da er im Einsatz war, und so nahm seine Frau den Preis entgegen. Kurz darauf ist Sawada gefallen.
Ende der Sechziger Jahre - inzwischen in den Haag ansässig - wurde World Press Photo umorganisiert und in eine gemeinnützige Stiftung umgewandelt und kehrte nach Amsterdam zurück, von wo aus sie heute aktiv ist.
Verständlicherweise sind im Laufe der Wettbewerbe oft BiIder aus Kämpfen, Aufständen und höchst dramatischen gewalttätigen Ereignissen ausgezeichnet und dann erneut von der Presse veröffentlicht worden. So hat sich dann die irrige Meinung herausgebildet, Pressephotographien dokumentierten vornehmlich die negativen Geschehnisse, die Entsetzen auslösenden tragischen Vorkommnisse. In Wirklichkeit überwiegen quantitativ in den zehn Kategorien, mit welchen World Press Photo das Gesamtfeld der Pressephotographie umreißt, Bilder der positiven Seite unseres Lebens, ja des Humors. Um das zu beweisen und World Press Photo auch in dieser Hinsicht ein Kompliment zu machen, zeigte die "photokina" 1978 die aus Bildern von World Press Photo ausgewählte Schau mit dem ironischen Titel "Das unbekannte Pressephoto" zugleich mit einem Sonderpreis für "Das humanste Bild in einer zerstrittenen Welt". Pressephotographen mögen sich und uns oft an heiteren Anlässen erfreuen, indem sie diese mit der Kamera festhalten. Bildredakteure hingegen scheinen in der Mehrzahl kritische Bilder zur Veröffentlichung vorzuziehen, in Umkehrung eines Werbewortes nun "Häßlichkeit verkauft sich gut". Immerhin, World Press Photo als oberste Entscheidungsinstanz erweist der vollen Bandbreite aller Pressephotos und deren Urhebern die ihnen gebührende Beachtung und Achtung.
Die diesjährige Jubiläumsveranstaltung erbrachte wieder über 5.000 Einsendungen von 910 beruflichen Pressephotographen aus 55 Ländern. Die Jury, welche sie wertete, bestand aus einer Finnin, als Präsident, einer Sowjetrussin, einem Bundesdeutschen, einem Spanier, einem Amerikaner, einem Japaner, einem Engländer, einem Tschechen und einem Holländer. Was sie auswählte, erlebte anläßlich eines Festaktes am 7. April 1982 in der Amsterdamer Nieuwe Kerk seine Premiere in Anwesenheit des Prinzen Bernhard und internationalen Persönlichkeiten.
Jedes dieser Bilder, wie alle früher präsentierten, sagt "auf Anhieb" - denn oft wirken sie schockartig - was es sagen will, es bedarf in den meisten Fällen keiner besonderen, verbalen Interpretation und erhebt auch keinen Anspruch darauf, Kunst zu sein. Es ist Photographie als Sprache in ihrer unmittelbarsten Form.
So ist es das Verdienst der Stiftung World Press Photo, mit ihren Wettbewerben die Höhen und Tiefen unseres Lebens bildhaft nachdrücklich zu dokumentieren und zu bewahren, was im schnelI verwehenden Tages- und Wochenjournalismus ebenso schnell verschwindet und vergessen wird. Es ist zugleich das Verdienst von World Press Photo, damit die gefahrvollste Ausübung der Photographie den Beschauern nahezubringen und bewußtzumachen. Deshalb sind die Preise von World Press Photo für Pressephotographen hochgeschätzte Trophäen. Es gereicht der Bundesrepublik zur Ehre, dieses Unternehmen stets gefördert zu haben, nicht zuletzt seit 1979 durch den mit DM 10.000.- dotierten 0skar Barnack-Preis des Hauses Ernst Leitz Wetzlar, in der Überzeugung, daß die Leica - und ihre Nachahmungen und Nachempfindungen - der Pressephotographie neue Impulse, neue Möglichkeiten und neue Vistas eröffnet hat. Den materiellen Beiträgen fügt nun die Deutsche GeselIschaft für Photographie mit der Vergabe des Dr. Erich Salomon-Preises den ideellen hinzu und gratuliert World Press Photo zu dieser Auszeichnung.
Prof. L. Fritz Gruber, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Photographie (DGPh), gehalten am 4. Juni 1982 im Rathaus Mainz