Der Dr.-Erich-Salomon-Preis wurde 1992 an Don McCullin verliehen.
Ein Fotograf setzt auf die Vernunft
Mehrere hundert Gäste, darunter bereits viele Teilnehmer des Symposiums, das heute unter dem Motto "Aktuelle Positionen in der Fotografie“ in der „Zeche Carl“ eröffnet wird, waren zur Verleihung des Dr.-Erich-Salomon-Preises der Deutschen Gesellschaft für Photographie an den Briten Don McCullin gekommen.
Die Entscheidung der Gesellschaft überrascht nicht: McCullin gehört seit vielen Jahren zu den prominentesten Fotografen der Welt. Als Kriegsberichterstatter und Dokumentarfotograf von Krisen auf allen Kontinenten erschienen seine Bilder in zahllosen Publikationen. Mehrere Auszeichnungen hat McCullin seit 1964 bereits für seine Bilder erhalten. Damals fotografierte er ein Frau, die während des Zypern-Konfliktes gerade den Tod ihres Mannes miterlebt.
Seine Fotos machen betroffen, werfen Fragen auf und suchen nach Hintergründen von Ereignissen. McCullin ist 1935 in London geboren. Er studierte 1949 und 1950 Malerei, kam dann aber über die Royal Air Force als Fotoassistent in Ägypten zur Fotografie. 1962 arbeitete er bereits als freier Mitarbeiter für den „Observer“ und von 1966 bis 1984 als Vertragsfotograf für die „Sunday Times“ in London. Er ist außerdem seit 1967 Mitglied der Fotograf*innenagentur „Magnum“. Für seine fotografische Kompetenz stehen beeindruckende Bildzeugnisse. „Seine Bilder sind zu Ikonen gefrorene Zeugnisse von Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit“, sagt Ute Eskildsen, Leiterin der Fotografischen Sammlung im Museum Folkwang.
Dr. Hans Friedrichs, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Photographie, überreichte gestern den Preis für die „Sichtbarmachung des menschlichen Leidens“, für die Bilder, „deren Wirkung man sich nicht entziehen kann“ und auch für die künstlerische Leistung eines Fotografen, den man in einem Atemzug mit Dr. Erich Salomon nennen könne.
Dr. Karl Steinorth, Vizepräsident der Gesellschaft hielt die engagierte Laudatio für McCullin, den Einzelgänger, den Mutigen, der kein Risiko scheut, der besessen scheint, der in Vietnam, Biafra, Kambodscha, im Libanon und in Afghanistan dabei war und der noch immer die Hoffnung hat, dass die Menschen endlich zur Vernunft kommen.
Auszug aus der Essener Zeitung NRZ, Montag, 25. Januar 1993, Nummer 20