© Barbara Klemm, Leonid Breschnew und Erich Honecker, Ost-Berlin 1979
© Barbara Klemm, Leonid Breschnew und Erich Honecker, Ost-Berlin 1979
Porträt Barbara Klemm © Barbara Klemm
Porträt Barbara Klemm © Barbara Klemm
© Barbara Klemm, Psychiatrie, Anstalt Bethel, 1979
© Barbara Klemm, Psychiatrie, Anstalt Bethel, 1979
© Barbara Klemm, Andy Warhol vor Tischbeins Goethe im Frankfurter Schädel, 1981
© Barbara Klemm, Andy Warhol vor Tischbeins Goethe im Frankfurter Schädel, 1981
© Barbara Klemm, Besuch von Erich Honecker 1987
© Barbara Klemm, Besuch von Erich Honecker 1987
© Barbara Klemm, Auf dem Witebsker Bahnhof in Leningrad, 1987
© Barbara Klemm, Auf dem Witebsker Bahnhof in Leningrad, 1987
© Barbara Klemm, East Village, New York, 1983
© Barbara Klemm, East Village, New York, 1983
© Barbara Klemm, Willy Brandt und Helmut Schmidt, 1973
© Barbara Klemm, Willy Brandt und Helmut Schmidt, 1973
Auszeichnung: Dr. Erich Salomon-PreisJahr: 1989Ausgezeichnet wurde: Barbara Klemm

Die deutsche Fotografin Barbara Klemm wird mit dem Dr.-Erich-Salomon-Preis der DGPh geehrt.

Die langjährige Redaktionsfotografin der FAZ veröffentlichte ihre Arbeiten in zahlreichen Büchern, Wochenzeitungen und Magazinen. Ihr Werk ist hauptsächlich in drei Themenbereiche aufgeteilt: Deutschland (Landschaft, Politik, historische Ereignisse), die Welt (Reisen, Reportagen) und die Kunst (Porträts von Künstlerpersönlichkeiten). Diese drei Bildergruppen werden von ihr verbunden durch das systematische Verfehlen des vermeintlich Repräsentativen; sie hält einen Augenblick vor oder nach dem offiziellen oder symbolischen Akt die jeweilige Szene fest, um das Zufällige oder Individuelle hervorzukehren.

 

Laudatio von Dr. Karl Steinorth:

Die Deutsche Gesellschaft für Photographie vergibt ihren Dr. Erich-Salomon-Preis 1989 an Barbara Klemm für ihr in zwei Jahrzehnten entstandenes bildjournalistisches Werk. Barbara Klemms Aufnahmen erfassen stets das Wesentliche einer Person oder eines Geschehens und hinterlassen dabei einen bleibenden Eindruck beim Betrachter. Was sie mit ihren Bildern erreichen möchte, hat Barbara Klemm kürzlich so formuliert: "Ich möchte den Leuten etwas zeigen, was eigentlich jeder sehen kann, was aber dennoch so leicht übersehen wird." Dabei sind Barbara Klemm Fotos gelungen, die das Bild, das wir uns von wichtigen Ereignissen der letzten zwei Jahrzehnte machen, mitgeprägt haben.

Barbara Klemm hat mit vielen ihrer Bilder soziale Situationen wie die Lebensumstände von Menschen am Rande der Gesellschaft beschrieben. Bilder, die in der Tradition der großen sozialdokumentarischen Fotografien von Dorothea Lange, Walker Evans, Arthur Rothstein, Russell Lee oder Gordon Parks stehen. Fotografien, die einmal Edward Steichen so kommentiert hat: "'Wer ein sturer Individualist ist und sagt, soll ich meines Bruders Hüter sein, schaue sich diese Bilder besser nicht an. Er könnte sonst seine Meinung ändern". Eine Warnung, die auch für viele Aufnahmen von Barbara Klemm gilt.

Barbara Klemm, 1939 in Münster geboren und in Karlsruhe aufgewachsen, hatte das Glück, von kleinauf von Kunst umgeben zu sein: Die Eltern sind Maler, ihre Schwester eine Bildhauerin. "Man wurde", so sagt sie heute, "einfach damit groß. Es war eine Selbstverständlichkeit, und ich denke, da trainiert man das Auge von Kindesbeinen an zu gucken und etwas zu beobachten". In Karlsruhe wurde sie in einem Porträtatelier als Fotografin ausgebildet. Zu diesem Berufsweg hatte ihr der Vater geraten. Vor allem "um die Wochenenden frei zu haben", ging sie 1959 zur Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Dort arbeitete sie zunächst als Fotolaborantin und Klischografin. Während der Studentenbewegung griff sie wieder verstärkt zur Kamera, um eine Zeit zu dokumentieren, die sie als Aufbruch erlebte. Diese Fotos waren es, die ihren weiteren Lebensweg bestimmten. Zunächst parallel zu ihrem Beruf fotografierte sie frei für den Spiegel, Die Zeit und den Stern, bis sie 1970 neben Wolfgang Haut Redaktionsfotografin der FAZ wurde. Seither erscheinen ihre Bilder dort in der Tiefdruck-Wochenendbeilage genauso wie im politischen Teil, im Feuilleton, in der Frankfurter Stadtausgabe und im Reiseteil. Barbara Klemms Aufnahmen bilden nicht nur das ab, wovon in den Artikeln der Zeitung die Rede ist. Sehr häufig illustrieren sie die in der Zeitung angesprochenen Themen nur mittelbar mit übertragbaren verwandten Szenen gleicher Aussage. Diese analoge Nutzung von Barbara Klemms Aufnahmen, dies hat wohl jeder Leser der FAZ empfunden, helfen in starkem Maße den angesprochenen Themenkreis besser zu verstehen.

Das Besondere an den Aufnahmen von Barbara Klemm liegt nicht zuletzt darin, daß sie die Grenzen, die ihr die Tätigkeit als Redaktionsfotografin einer Tageszeitung setzt, nicht als Nachteil ansieht, sondern als Vorteil nutzt. Da in der Tageszeitung nicht genug Raum für Fotoreportagen vorhanden ist, konzentriert sich Barbara Klemm auf Einzelbilder, die ein Ereignis verdichtet wiedergeben. Ellen Auerbach, eine bedeutende Vertreterin der "Neuen Fotografie" der 20iger Jahre, die 1933 Deutschland verlassen mußte, hat es in einem Beitrag über Barbara Klemm so ausgedrückt: " Was bewegt mich und viele andere nur so stark an Deinen Bildern? Ich weiß von Dir, daß die Bedingungen, unter denen Du arbeitest, oft enorm schwierig sind, so daß Du gezwungen bist, mit dem untrüglichen dritten Auge zu fotografieren. Dieses Auge sieht das Unsichtbare, das Wesentliche, sieht das, was den Erscheinungen zugrunde liegt". Zu dem großen Können Barbara Klemms gehört, daß sie selbst bei Porträts den Raum und viele Details mit einbezieht, die dem Betrachter häufig dabei helfen, die Persönlichkeit des Porträtierten noch besser zu erkennen. Ihre Bilder sind stille Bilder, nie aggressiv, und es entspricht dem Verständnis ihres sozialen Engagements, daß sie mit ihren Bildern dem Betrachter nicht schockieren und provozieren will, sondern bei ihm den Wunsch zu helfen wecken möchte.

"Um gute Bilder zu machen", so sagte Barbara Klemm Kürzlich, "muß man künstlerisch arbeiten", Und das tut sie, denn Ihre Fotos sind alle räumlich ausgewogen, streng komponiert und führen den Betrachter auf das Zentrum, das der Fotogratin als besonders wichtig erscheint, Vielleicht noch wichtiger ist es aber, daß ihre Bilder stets ohne Unterschrift eine Geschichte erzählen und sie manchmal sogar besser erklären als dies jeder Kommentar kann. Barbara Klemm findet Ihre Votive in der Wirklichkeit. Es ist ihre Fähigkeit, einen Ablauf beobachten zu können, zu schauen, was so passiert und die Ausdauer, die sie hierbei an den Tag legt genauso wie ihre große Erfahrung, die sie immer wieder bestätigt, den Augenblick zu finden, in dem sich die Quintessenz eines Geschehens zu einem B114 verdichtet: Zu einem Foto, das auch die gekonnteste Inszenierung nicht besser zustande gebracht hätte.

Dem bildjournalistischen Werk von Barbara Klemm verdanken wir alle viel. Ihre Bilder verbinden uns immer wieder mit der Welt, sie erlauben uns Einblick in das Geschehen zu nehmen und zeigen uns, wie es um den Menschen steht. Hierfür möchte die Deutsche Gesellschaft Barbara Klemm durch die Verleihung ihres Dr. Erich-Salomon-Preises danken.