Lange Zeit existierten Fotografie und Malerei entlang einer technischen Trennlinie in unterschiedlichen Welten. Fotografen „lichten ab“, um die Welt einzufangen; Maler „erschaffen Bilder“ als künstlerische Interpretationen der Welt. Traditionell mussten sich Fotografen auf das verlassen, was die Kamera einfing, denn ihre Fähigkeit, Fotos zu bearbeiten, war durch technische Gegebenheiten limitiert. Konsequenterweise wurde Fotografie eher als dokumentarisches Medium betrachtet statt einer künstlerischen und kreativen Beschäftigung.
Digitale Fotografie revolutionierte diese Dynamik. David Osborn zeigt, dass Fotografien heutzutage unter anderem das Produkt der Bearbeitungssoftware sind. Diese Verschiebung hat Fotografen die kreativen Freiheiten gegeben, wie sie jahrhundertelang Malern vorenthalten war. Digitale Software hat die Trennlinie zwischen Fotografen und Malern überbrückt; Kreativität erstreckt sich nun weiter als die bloße Abbildung von Motiven.
Diese künstlerische Freiheit bringt jedoch auch neue Herausforderungen mit sich. Die neueröffneten kreativen Möglichkeiten haben bei vielen Fotografen ein kreatives Vakuum aufgezeigt, eine „künstlerische Wissenslücke“. Anders als Maler, die umfangreiches künstlerisches Verständnis mitbringen müssen, bevor sie ein Gemälde beginnen, fangen Fotografen ein vorbereitetes Bild mit einem Knopfdruck ein. [...]