n einer Zeit krisenhafter Ereignisse lassen wir uns von Fotografien und Texten emotionalisieren und polarisieren. Zugleich möchte man mit der eigenen Stimme – und mit Bildern – der zunehmenden Spaltung etwas entgegenhalten. Doch was kann mit Bildern, zumal mit fotografischen, tatsächlich noch gewusst, belegt oder gesagt werden? Ist es nicht gerade die Kamera, die zwischen uns steht? Ununterbrochen zeichnet sie auf und bestärkt in unzähligen Kanälen mit ihren ‚Bubbles‘ die jeweiligen Gewissheiten. Bilder vertiefen Gräben, markieren die Dissense und werden selbst zum Medium der Polarisierung und des ‚fake‘.
Die Festivalausstellung was zwischen uns steht. Fotografie als Medium der Chronik versucht, diesen Kreislauf der permanenten Selbstvergewisserung zu durchbrechen. Projekte von rund 20 Künstler*innen stehen für ein „Verstehen vom anderen her“ (Emmanuel Levinas) und dafür, dem Gegenüber mittels der eigenen Stimme Resonanz zu verleihen – jedoch nicht als alles übertönende Lautsprecher, sondern in der kritischen Reflexion darüber, wie Wirklichkeit jenseits der bekannten Schemata der Vereindeutigung beschrieben und erzählt werden kann. In Mikrogeschichten thematisieren die Arbeiten u. a. den Zusammenhang von Herkunft und Bildungschancen, die anhaltende Ausgrenzung von Menschen mit Migrationsgeschichte, Erfahrungen der unmittelbaren Nachwendezeit oder die Radikalisierung von Teilen der Gesellschaft. Aber auch der Krieg Russlands gegen die Ukraine und der Krieg in Nahost sind werden in den Beiträgen fragend umkreist – nicht in Behauptungen, sondern in kritischer Distanz.
Ergänzt werden die Arbeiten zeitgenössischer Künstler*innen um Materialien aus den Archiven der Akademie der Künste, so etwa aus den Archiven von John Heartfield und Walter Benjamin. Mit ihnen wird die erinnerungspolitische Spur greifbar, die dem Ausstellungsprojekt als Grund-Sound unterlegt ist. Denn es geht nicht immer um die ‚große Geschichte‘, im Gegenteil. „Der Chronist, welcher die Ereignisse hererzählt, ohne große und kleine zu unterscheiden, trägt damit der Wahrheit Rechnung, daß nichts, was sich jemals ereignet hat, für die Geschichte verloren zu geben ist.“ (Walter Benjamin)
Kuratiert von Maren Lübbke-Tidow