Vom 01.10.25 bis 8.11.25 stellt der deutsche Fotokünstler Thomas Kellner (geb. in Bonn) seine Werke in der PanGallery in Frankfurt aus.
Thomas Kellners fotografische Arbeiten sind weit mehr als bloße Architekturdarstellungen – sie eröffnen einen kritischen Blick auf die kulturellen und symbolischen Bedeutungsebenen ihrer Sujets. Indem Kellner weltbekannte architektonische Ikonen systematisch zerlegt und auf 35mm-Film festhält, die Aufnahmen zu großformatigen Tableaus montiert, transformiert er die vertrauten Formen in irritierende, visuell zersplitterte Bildräume.
Dadurch werden die etablierten Bedeutungszuschreibungen der Bauwerke hinterfragt und in neue Kontexte überführt.
In Thomas Kellners fotografischer Auseinandersetzung erscheinen architektonische Ikonen – international wiedererkennbare Bauwerke, die aufgrund ihrer historischen, politischen und kulturellen Bedeutung über ihre Funktion hinaus zu symbolischen Repräsentanten geworden sind. Als sogenannte Bauikonen fungieren sie im kollektiven Bildgedächtnis als visuelle Stellvertreter für Städte und Nationen und verkörpern spezifische Werte, Geschichten oder Ideologien. Ihre ikonische Qualität beruht dabei nicht nur auf ihrer gestalterischen Singularität, sondern auf ihrer medialen Präsenz und der mit ihnen verbundenen kulturellen Erzählung.
Kellner präsentiert jene Ikonen nicht als monumentale Einheiten, sondern als visuell dekonstruiertes Gefüge. So wird etwa der Eiffelturm, dessen architektonische Struktur sich durch vier massive Gitterträger definiert, die sich zu einem zentralen Pylonen vereinen und in einer Turmspitze auf 276,1 Metern Höhe gipfeln, in Kellners Tableaus einer bewussten Destabilisierung unterzogen. Die vermeintlich statische Ordnung des Bauwerks wird dabei unterlaufen: Anstelle einer singulären Spitze zeigt sich eine Vervielfachung, die die ikonische Form bricht und das Bauwerk als instabil, beinahe fragil erscheinen lässt. Die Orientierung entlang klar definierter Raumachsen – vertikal wie horizontal – wird aufgelöst. Lediglich auf der Metaebene, wie sie sich in den Kontaktbögen abzeichnet, bleibt eine Referenzstruktur erhalten, die eine visuelle Koordination ermöglicht und zugleich das konventionelle Bildgefüge infrage stellt.
Die Formensprach erinnert an den Kubismus, auf dem Kellners künstlerische Entwicklung maßgeblich fußt, indem er von der traditionellen Zentralperspektive abrückt und eine Bildsprache entwickelte, die den Raum anders konzipiert.
Architektur vermittelt ein Versprechen von Beständigkeit, Ordnung und Schutz – wird radikal in Frage gestellt. Zurück bleibt ein visuelles Flirren, eine kartografische Spurensuche nach den kulturellen Codierungen, die sich in Bauwerken manifestieren.
Diese Fotografien lassen sich als visuelle Kartografien kultureller Erinnerung lesen. Die Motive werden fragmentiert, neu montiert und in ein eigenständiges Ordnungssystem überführt – nicht im Sinne dokumentarischer Genauigkeit, sondern als Sichtbarmachung gesellschaftlich geprägten Bildwissens.
Mapping wird dabei zur künstlerischen Strategie – ein forschender und intervenierender Zugang der Kunst zu Räumen. Es dient dem Ertasten von Grenzen und der Verschiebung gewohnter Sichtbarkeiten. Jede Ikone wird einzeln reflektiert und zugleich in ein größeres Netzwerk eingebunden – ein visuelles Gewebe, das sich von Deutschland über London und Paris bis nach Washington erstreckt.
Die wiederkehrenden architektonischen Formensprachen verweisen auf transnationale Bezüge und machen deutlich: Architektur ist nicht nur gebauter Raum, sondern auch ein Träger kollektiver Vorstellungen, die über geografische und politische Grenzen hinauswirken.
Architekturen sind Ausdruck gesellschaftlicher Ordnungen. Wer sie abbildet, bildet nicht nur Formen, sondern Weltanschauungen ab. Und wer sie zerlegt – wie Kellner – macht diese Ordnungen sichtbar und sorgt auch jene stehts zu hinterfragen, wie auch auf Ihre Instabilität hinzudeuten.
Besonders deutlich tritt diese Dimension in Kellners fotografischen Darstellungen des Capitols in Washington D.C. hervor. Die fragmentierte, in Bewegung gesetzte und gleichsam einstürzende Architektur wird hier zum Symbol eines politischen Zustands, zum Bild einer brüchig gewordenen Ordnung. Die Tableaus verweisen nicht nur auf die ikonische Form des Gebäudes, sondern transformieren diese in eine vieldeutige, politisch aufgeladene Bildsprache. Im Kontext gesellschaftlicher Ereignisse wie dem Sturm auf das Capitol im Januar 2021 erhielten diese Arbeiten eine unerwartet starke Resonanz und wurden medial vielfach rezipiert – als visuelles Sinnbild einer fragilen Demokratie und kollektiven Verunsicherung.
Wer Räume gestaltet, gestaltet Wahrnehmung.
Nicht der Eiffelturm oder die Tower Bridge selbst stehen im Zentrum von Kellners Arbeiten, sondern ihre Bildnisse – visuelle Repräsentationen, die sich der architektonischen Silhouette bedienen, sie jedoch konzeptuell aufladen und neu interpretieren. Was bleibt, ist das Echo ikonischer Formen – entrückt, fragmentiert, dekonstruiert. Der Blick der Betrachtenden sucht nach Ordnung, versucht, die Fragmente zu einem kohärenten Ganzen zu fügen – doch Kellners Bilder verweigern die geschlossene Form. Die Zerlegung wirkt als ästhetischer Widerstand, als Störung gewohnter Wahrnehmungsmuster – und schärft zugleich das Bewusstsein für jene visuellen Chiffren, die das kulturelle Gedächtnis moderner Gesellschaften durchziehen.
Zerlegung als Methode – nicht zur Auflösung, sondern zur Sichtbarmachung. Was Kellner betreibt, ist ein künstlerisches Mapping, das Räume gestaltet als ihre vermeintliche Stabilität unterwandert. Seine zerlegten Bildzellen erzeugen keine architektonische Verlässlichkeit. Im Gegenteil: Die Geste des Monumentalen – ihr Versprechen von Dauer, Ordnung und Schutz – wird in ihren Grundfesten erschüttert. Zurück bleibt ein visuelles Flirren, ein rhythmisch flackerndes Tableau kultureller Codierungen, eingeschrieben in das, was wir zu kennen glaubten.