© Franziska Gilli
© Franziska Gilli
Eröffnungsdatum
Photograph*in
Franziska Gilli
Ausstellungsdatum
-
Name der Galerie / Museum / Ausstellungsort
Beschreibung

In wenigen Ländern Europas sind derart festgefahrene weibliche Stereotype so weit verbreitet wie in Italien. Lasziv tanzen junge Frauen durchs Hauptabendprogramm, seit mittlerweile 65 Jahren. Tragen freizügige Kostüme und starkes Make-up, eine Ausnahme wer keine schönheitsmedizinischen Eingriffe hat machen lassen. Die Mutter ist Ikone, gleichzeitig wird im Land der Kavaliere und Charmeure im Durchschnitt alle drei Tage eine Frau, meist von ihrem Partner, ermordet.

Italien ist ein Land, in dem eine Online-Zeitung titelt: „Carola Rackete ohne BH vor der Staatsanwaltschaft: die unerhörte Unverschämtheit, die vielen entgangen ist.“ Und in dem der ehemalige Innenminister Matteo Salvini twittert: „Ich schäme mich übrigens für diesen Sänger, der Frauen mit Huren vergleicht, die vergewaltigt, gekidnappt und wie Objekte behandelt werden. Das machst du bei dir zu Hause, nicht im Öffentlich-Rechtlichen und auch noch im Namen der italienischen Musik.“ Politiker der Neuen Rechten wie er schüren immer offener ihre Frauenfeindlichkeit. Da verwundert es nicht, dass die #metoo-Debatte nicht richtig aufgekommen ist, Italien schien nicht bereit zu sein für diese Auseinandersetzung. Im Gegenteil, patriarchale Strukturen wurden dadurch noch verhärtet.

Die dominierenden Pole sind zwei sich seit Jahrhunderten wiederholende Narrative. Sie könnten nicht unterschiedlicher sein und bedingen sich doch: die Hure und die Heilige, Maria Magdalena und die Jungfrau Maria. Für die Fotografin Franziska Gilli und die Reporterin Barbara Bachmann war dies Anlass sich auf die Suche zu begeben. Danach, was es bedeutet eine Frau zu sein in dem Land, in dem auch sie aufgewachsen sind, wenngleich in einer deutschsprachigen Minderheit. Nach drei Jahren Recherche haben sie die Ergebnisse im Buch „Hure oder Heilige — Frau sein in Italien“ bei Edition Raetia veröffentlicht, welches beim Deutschen Fotobuchpreis 2021/22 in der Kategorie „Dokumentarisch-journalistisches Fotobuch“ mit Silber ausgezeichnet wurde und die Grundlage für die vorliegende Ausstellung bildet.

Diese setzt den Steoretypen Hure-Heilige Bilder aus der Realität entgegen. Und sie beschäftigt sich mit den Ursachen und Folgen des aktuellen Frauenbildes: Der Dominanz der katholischen Kirche, der Zeit des Faschismus, dem Einfluss des Unterhaltungsfernsehens in öffentlichen und privaten Sendern wie dem der Familie Berlusconi. Daneben existiert auch ein anderes Italien. Eines, das die widersprüchlichen Verhältnisse seit Jahrzehnten anprangert. Ein Italien, in dem immer mehr Frauen das Tabu der gewaltvollen Geburten brechen. Und sich in den vergangenen Jahren eine der lautesten, feministischen Bewegungen Europas gebildet hat: Non una di meno.