
Am 25. März 1995 schlossen sich 128 engagierte Fotojournalist*innen zusammen, um den berufspolitischen Herausforderungen ihrer Zeit zu begegnen: verschlechterten Arbeitsbedingungen, schwindender Wertschätzung und einer zunehmend bedrohten Freiheit der Berichterstattung. Aus dieser Entschlossenheit entstand FREELENS e.V., heute der größte Berufsverband professioneller Fotograf*innen und Fotojournalist*innen in Deutschland. Anlässlich des 30-jährigen Jubiläums wird mit dieser Ausstellung die visionäre Kraft der Gründer*innen gewürdigt. Vielfalt und Relevanz Die Jubiläumsausstellung »FREELENS – Die Gründer*innen« zeigt die beeindruckende Bandbreite fotografischen Schaffens der Gründungsmitglieder. Die gezeigten Positionen und Veröffentlichungen spiegeln eine journalistische Praxis, die so heute kaum noch existiert. Die Gründe dafür liegen u.a. in der Print-Medien-Krise, dem Kahlschlag in den Verlagshäusern und sinkenden Budgets. Auch verdeutlichen die Arbeiten die Vielfalt der fotografischen Schwerpunkte der FREELENS Mitglieder sowie eine Entwicklung vom klassischen Bildjournalismus, hin zu einer künstlerisch fotodokumentarischen Erzählung. Eine Organisation mit Weitblick FREELENS setzt sich seit drei Jahrzehnten für die Rechte, Interessen und kreativen Freiräume seiner Mitglieder ein. Der Verband verhandelt mit Verlagen um faire Honorare, bietet rechtliche und ökonomische Beratung, schafft Sichtbarkeit und organisiert Workshops sowie Veranstaltungen, die die berufliche Weiterentwicklung fördern. Als Gründungsmitglied des Deutschen Fotorats agiert FREELENS auch auf politischer Ebene, um den Berufsstand nachhaltig zu stärken. Mit der Ausstellung »FREELENS – Die Gründer*innen« blickt der Verband nicht nur auf seine Anfänge zurück, sondern auch in die Zukunft. Die gezeigten Positionen stehen stellvertretend für alle, die mit ihrer Arbeit und ihrem Engagement den Weg für kommende Generationen geebnet haben.
Den Einstieg in die Ausstellung bilden Fotoreportagen, die zur Gründungszeit von FREELENS in Stern, Geo, ZEIT Magazin oder dem frisch gegründeten mare Magazin erschienen sind. Hierzu gehören die Reportage von Jörg Wischmann über den buddhistischen Heiligen Kamarpa in Tibet, Heiner Müller-Elsners Serie über die russischen Kosmonauten oder Knut Gielens Reportage über die Atlantiküberquerung der »Queen Elizabeth II«. Stefan Warter ist damals schon ein vielgefragter Sportfotograf, der den großen Magazinen exklusive Bilder aus dem weltweiten Formel-1-Zirkus liefert, Hauke Dressler dagegen steht noch am Anfang seiner Karriere, als er mit einer unkonventionellen Hunde-Serie im ZEIT Magazin reüssiert. Peter Bialobrzeski hat sich nicht nur von der Auftragsfotografie zur künstlerischen Dokumentarfotografie bewegt, sondern auch auf den Spuren Jack-Kerouacs für das ZEIT Magazin durch Amerika. Die Ausstellung zeigt die Vielfalt, die den Verband seit der Gründung von FREELENS bis heute ausmacht. Ein eindrucksvolles Beispiel hierfür ist die Arbeit Heidi und Hans-Jürgen Koch, deren Lebensformfotografie die Natur- und Tierfotografie völlig neu definiert. Sie zeigen ihre Serie »Buffalo Ballad«. Urs Kluyver ist mit einer Porträtarbeit dabei, die ihn als jemanden ausweist, der Kapital aus der Unberechenbarkeit seines Protagonisten Jack Nicholson zu schlagen weiß. Hinrich Schultze zeigt Arbeiten aus seinem umfangreichen Archiv. Er beschäftigt sich mit den Veränderungen des Großstadtlebens, den Skurrilitäten des Alltags und politischem Aktivismus. Überhaupt bilden politische Themen einen Schwerpunkt der Ausstellung. Maurice Weiss dokumentiert seit vielen Jahren das politische Geschehen in Berlin. Bernd Arnold setzt sich mit der Inszenierung von Politik und ihren Ritualen auseinander. Das Verhältnis von Macht und Öffentlichkeit thematisiert der 2024 verstorbene Andreas Herzau. Er hat Angela Merkel während ihres Wahlkampfes 2017 begleitet. Jörg Modrow hat für seine Serie »Mobile Homes« mehrere US-Staaten durchreist, um Menschen – oft Aussteiger*innen mit ganz eigenen Lebensentwürfen – in ihren Trailern zu porträtieren. Das Leben und Herumziehen in Caravans ist auch das Thema von Rolf Nobel. Er ist tief in das Milieu der »Travellers« eingetaucht, die durch Großbritannien ziehen, einen eigenen Lebensstil ausbilden und von der übrigen Gesellschaft oft missgünstig beäugt werden. Aufmerksam betrachtet ebenfalls Rudi Meisel die Menschen und ihre Lebensbedingungen. Seine Serie »Kinder, was aus denen wohl geworden sein mag!« zeigt Momentaufnahmen verschiedener Kindheiten, in denen immer die zeitspezifische gesellschaftliche Situation mitschwingt. Ute und Werner Mahler gehören zu den prägenden Figuren der deutschen Fotoszene. Die Hälfte ihres Lebens verbrachten sie in der DDR. Nach der Wiedervereinigung haben sie mit Kolleg*innen die renommierte Fotografenagentur Ostkreuz gegründet. Beide sind mit Arbeiten vertreten, die noch in der DDR entstanden sind, aber wichtige Meilensteine für ihr fotografisches Selbstverständnis bedeuteten. Ute Mahler zeigt Fotografien aus ihrem Heimatdorf Berka, Werner Mahler Bergarbeiter aus dem Steinkohlebergbau der DDR. Auch Melanie Dreysse hat Szenen aus einem spezifischen Arbeitsmilieu festgehalten. In ihrer atmosphärischen Serie geht es um den Schlachthof, die Arbeitsprozesse und das Personal. Aktuelle Positionen verdeutlichen die Entwicklung zu einer künstlerisch-dokumentarischen Praxis. So die Arbeit von Roman Bezjak, der die usbekische Hauptstadt Taschkent bereist hat. Oder die Serie von Vincent Kohlbecher, dessen verrätselte, assoziative Bildfolge die Betrachtenden auf emotionaler wie intellektueller Ebene herausfordert. Die Ausstellung wird ergänzt durch eine Dokumentation der FREELENS Magazine, für die Manfred Scharnberg viele Jahre als Chefredakteur verantwortlich zeichnete. Wir danken unserem langjährigen Geschäftsführer Lutz Fischmann sowie allen anderen an der Gründung beteiligten Kolleginnen und Kollegen und engagierten Wegbegleiter*innen.