
Chemismus - Das Fotogramm im 20. Jahrhundert | Ballmer Kupelwieser Landauer Neusuess Schrammen
Das Fotogramm nimmt in der Fotografie seit ihren Anfängen eine Sonderrolle ein. Das genuin kameralose Werk gibt dem Betrachter oftmals Rätsel auf. Kaum eine andere Gattung in der Fotokunst fasziniert so sehr. Woran liegt das? Dem Fotogramm wohnt offenbar latent eine Absolutheit inne, die so ihr Geheimnis birgt. Das hat zunächst damit zu tun, dass ein Fotogramm immer Unikat ist, stets mit dem Zauber von Magie und Zufall entsteht, und im Abbild das Wesen der Dinge zeigt: Es ist somit einmalig, magisch, wesentlich. Sein Objekt der Darstellung zeigt sich darin gleichsam direkt als Ding an sich - und ohne den sinnlosen Umweg über den Apparat. Das Fotogramm wirkt als pures Blattwerk als eine Art moderne Spätform des floralen Chemismus. Der von Walter Benjamin im 20. Jahrhundert prophezeite Verlust der Aura für das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit greift für das Fotogramm nicht wirklich. Der Begriff der Aura meint eine stete Ferne, so nah sie auch scheint. Das Fotogramm nimmt als Kunstwerk und Original den Rang des Solitärs ein. Es unterläuft die Apparatetechnik subversiv. Es kennt weder Edition noch Negativ und kommt eben nicht ubiquitär vor. Der massenhafte Abzug - als Gesetz der Serie - ist ihm fremd. Eben jene Aura schützt allerdings kaum vor zahlreichen Fälschungen im Kunstmarkt, die jede noch so gut gekonnte Kopie vom Positiv des Fotogramms darstellt.
In der Ausstellung in Wiesbaden werden exemplarisch fünf Postionen aus dem 20. Jahrhundert gezeigt. Der Bogen spannt sich von Théophile Ballmer über die nach Jerusalem emigrierte Louise Landauer und Eberhard Schrammen zu Floris Neusuess und Hans Kupelwieser. Damit ist das Bauhaus, das Neue Sehen, die Neue Sachlichkeit für die Frühe Moderne vertreten sowie die Späte Moderne der Nachkriegsära.