Dr. Richard Neuhauss (1855-1915). Selbstportrait
Dr. Richard Neuhauss (1855-1915). Selbstportrait

Eine Fotografie von fotohistorischer Bedeutung wird am 4. Juni 2024 durch das Auktionshaus Lempertz angeboten: Lot 501, erstellt in einem frühen Farbverfahren, dem sog. „Lippmann-Verfahren“, wurde benannt nach seinem Erfinder Professor Dr. Gabriel Lippmann, der für diese Erfindung 1908 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet wurde.

Lippmann‘s Erfindung verbreitete sich kurz nach seiner Bekanntgabe über die Landesgrenzen hinaus. Auch andere Fotografen experimentierten mit seinem nicht-patentierten Verfahren. Zwischen 1894 und 1900 wurden von der ‚Société française de photographie‘ Wettbewerbe organisiert um - neben anderen Verfahren - auch "die Verbreitung der Lippmannschen Methode zu fördern". Zu den namhaften Bewunderern des Lippmann-Verfahrens zählten u.a. die Franzosen Louis und Auguste Lumière wie auch der deutsche Arzt und Anthropologe Dr. Richard Neuhauss, der früh die Vorteile der Farbfotografie für seine Arbeit erkannte.

Urheber der zur Auktion vorliegenden Aufnahme war Dr. Richard Neuhauss (1855-1915), ein deutscher Arzt und als Anthropologe ein Förderer der wissenschaftlichen Fotografie auch Fotohistoriker*innen ein Begriff. 1898 verfasste Neuhauss eine 70-seitige Abhandlung mit einer detaillierten technischen Anleitung zur Herstellung von Lippmann-Fotografien, in deren Vorwort er schreibt: „Unter den Verfahren zur Herstellung farbiger photographischer Aufnahmen ist dasjenige von G. Lippmann bis jetzt das einzige, welches mit Recht den Namen 'Farbenphotographie' verdient.“ [Dr. med. R. Neuhauss, Die Farbenphotographie nach Lippmann's Verfahren. Neue Untersuchungen und Ergebnisse (Encyklopädie der Photographie, Heft 33), Halle Saale 1898]. Wie aus seinen Labornotizen hervorgeht, fertigte Neuhauss über 2500 Lippmann-Fotografien, vor allem von unbelebten Gegenständen.

Dr. Richard Neuhauss - Selbstportrait; Vorderseite

Eine interferentielle Farbaufnahme ist eine unikate, nicht reproduzierbare Fotografie und zeichnet sich durch höchste Farbbrillianz aus, die jedoch nur aus einem bestimmten Winkel wahrgenommen werden kann. Sie besteht aus einer etwa 2 mm starken, mit einer Silberemulsion beschichteten Glasplatte als optischer Bildträger, deren Rückseite mit schwarzem Lack überzogen wird. Auf die beschichtete Seite der Glasplatte wird ein Glasprisma geklebt. Um die Handhabung zu erleichtern und das Bild zu schützen, werden die Kanten mit schwarzen Klebepapierstreifen versiegelt. Das Lippmann-Verfahren ist bislang das einzige fotografische Verfahren, das alle Farben des Spektrums festhält, anstatt sie dreifarbig zu zerlegen. Wegen der Komplexität der Herstellung, der langen Belichtungszeit von mindestens 5-10 Minuten, der hohen Kosten (durch die Verwendung von Quecksilber) und der eingeschränkten Nutzbarkeit durch den engen Betrachtungswinkel, hat es sich jedoch auf Dauer nicht durchsetzen können und wurde von anderen Verfahren abgelöst.

Dr. Richard Neuhauss - Selbstportrait; Rückseite

Richard Neuhauss präsentiert sich auf der hier zu ersteigernden Fotografie in der Pose des selbstbewussten Gelehrten auf dem Höhepunkt seiner wissenschaftlichen Karriere in privater Umgebung im Hausmantel, dessen farbkräftiges Muster sich für die Demonstration des Verfahrens in besonderem Maße eignet. Eine zweite Version desselben Motivs befindet sich als Dauerleihgabe der 'Höheren Graphischen Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt' in der Albertina in Wien.

In den letzten Jahren gab es zwei Ausstellungen, die dem „Lippmann-Verfahren“ gewidmet waren: im Photo Elysée, Lausanne (Gabriel Lippmann. Die Fotografie der Farben, 03.03 – 21.05.2023) und in Preusmuseum, Oslo (Slow Color Photography. Richard Neuhauss and Hans Lehmann.s photographs from The Preus museum Collection, 28.08 2021 – 24.04 2022).

Mehr Informationen zur Auktion hier und zu Lot 501 hier.

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