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Pressemitteilung 2010 / März
Der Schweizer Photograph Michael von Graffenried wird mit dem Dr.-Erich-Salomon-Preis der Deutschen Gesellschaft für Photographie (DGPh) ausgezeichnet. Die Preisverleihung findet im Rahmen der Photokina 2010 statt. Dort wird Michael von Graffenried in der Visual Gallery auch Arbeiten aus seinem umfangreichen Werk zeigen. Seine Strasseninstallation Rosanna, Astrid, Peter und die anderen wird im Rahmen der Internationalen Photoszene Köln vom 17. September bis 3. Oktober auf dem Platz vor dem Museum für Angewandte Kunst in Köln präsentiert. Im Lesesaal des Museums findet am Sonntag, den 26. September um 11:30 Uhr ein Künstlergespräch mit Robert Fleck, dem Intendanten der Bundeskunsthalle und Michael von Graffenried statt.
Der seit 1971 für "vorbildliche Anwendung der Photographie in der Publizistik" vergebene Preis erinnert an Dr. Erich Salomon, den großen Photographen der Weimarer Republik, dem der moderne Bildjournalismus starke Anregungen verdankt. Der Preis besteht aus einer Urkunde sowie einer Leica M-Kamera mit Namensgravur und wird - als neben dem Kulturpreis höchste Auszeichnung der DGPh - jährlich verliehen.
Mit dem 1957 in Bern geborenen Michael von Graffenried ehrt die DGPh einen der eigenständigsten und engagiertesten europäischen Photographen, der seit über 30 Jahren ein konsequenter Grenzgänger des Mediums ist.
Michael von Graffenried lebt und arbeitet seit zwanzig Jahren in Paris und ist kein Photojournalist im klassischen Sinn. So hat er es von Anfang an abgelehnt, sich an eine Redaktion oder eine Agentur zu binden, und wählt seine Reiseziele, Themen und Präsentationsformen selbst. Viele sprechen von einer Kontroll-Obsession, er nennt es lieber Kohärenz. Wie für eine zunehmende Anzahl seiner Kollegen verwischen sich für ihn die Grenzen zwischen Photojournalismus und Kunst immer mehr. Als einer der Ersten publizierte er seine Langzeitprojekte medienübergreifend und präsentiert sie immer öfter auch im öffentlichen Raum.
Ungewöhnlich und aufsehenerregend war schon Graffenrieds erste große Photoreportage. Für Nackt im Paradies, verbrachte er über 10 Jahren lang jeden Sommer bei den "Lichtfreunden", diskreten Naturisten am Neuenburgersee. Seine Geschichten findet Graffenried praktisch überall. Der Alltag schreckt ihn dabei nicht ab, auch die banalsten Orte strahlen für ihn Exotik aus. Allerdings meidet er Plätze, an denen Photographen dicht an dicht gedrängt um das beste Bild kämpfen. Andere Risiken des Berufes scheut er indes nicht. Fasziniert durch den Einfluss islamischen Fundamentalismus auf unsere westliche Gesellschaft reiste er 1995 in den Nord-Sudan, zu einer Zeit als der Süden des Landes im Focus der Medien war. Dort photographierte er Sekretärinnen, die sich nach der Arbeit im Büro in grimmige Miliz-Kriegerinnen verwandeln. Auch den algerischen Bürgerkrieg, in dem Intellektuelle, Journalisten und Ausländer gezielt ermordet wurden, machte er zu seinem Thema. Seine dramatischen Bilder photographierte er häufig unbemerkt mit seiner Panoramakamera aus Brusthöhe. Our Town, das Porträt der US-amerikanischen Provinzstadt New Bern, die 1710 von seinem Vorfahren Christoph von Graffenried gegründet wurde, löste in der lokalen Presse eine intensive Kontroverse aus.
Für seine Arbeit Cocainelove begleitet er über zwei Jahren Astrid und Peter, ein drogenabhängiges Paar, auf der Straße. Die Bilder zeigen einen schwierigen und unsicheren Alltag unter Drogen, zwischen Dealen, Gefängnis, Prostitution und Tod. Mit seinen Bildern hat Michael von Graffenried zwei von der Gesellschaft ausgeschlossene Menschen ein Gesicht gegeben. Dabei ist sein Blick oft hart, mitunter zärtlich, aber immer ehrlich und bezeugt ein tiefes Vertrauensverhältnis mit den abgebildeten Menschen. Etwas, das man im heutigen Journalismus allzu oft vermisst. Die Serie aus dreißig Panoramaphotographien im Format 270 x 128 cm plakatierte von Graffenried in den großen Schweizer Städten auf kommerziellen Plakatflächen. Diese Aktion wurde als ein Manifest zur Erneuerung des Bildjournalismus aufgenommen, der durch die Veränderung des Zeitschriftenmarktes immer weniger Publikationsmöglichkeiten findet.
Als in Kairo seine Bilder für eine Ausstellung zensiert werden sollten, stellte er sie kurzerhand auf dem Dach über dem 12. Stock seines Wohngebäudes aus. Für sein Projekt eye on africa porträtierte er die Einwohner Kameruns und plakatierte die Panoramen abermals in den großen Schweizer Städten auf kommerziellen Werbeflächen, um so eine „Begegnung“ der Schwarzafrikaner mit den Bürgern des helvetischen Kleinstaates zu provozieren.
„Michael von Graffenried ist in gewisser Weise der ‚Junge Wilde‘ unter den Schweizer Photographen. Seine Themen, Bilder und formalen Lösungen sind immer an der Grenze.“ So kommentierte 2005 der heutige Intendant der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn, Robert Fleck, das Werk Graffenrieds.
Auch im Einsatz der photographischen Technik hat Graffenried buchstäblich Grenzen erweitert. Als erster Photograph setzt er eine Panoramakamera systematisch für Reportagen ein. Seit dem algerischen Bürgerkrieg photographiert er einen großen Teil seiner Arbeiten im Panoramaformat und präsentiert sie, abgezogen auf klassischem Baryth-Papier und fast drei Meter groß, dem Publikum auf Augenhöhe. Diese Ausstellungsform im Cinemascoop-Format ermöglicht es ihm den Betrachter direkt ins Bildgeschehen einzubeziehen.
Zurzeit arbeitet Michael von Graffenried am Portrait des Stadtteils Whitechapel in East London, wo mehrheitlich Muslime aus Bangladesch wohnen. Eine Woche nachdem die Schweizer per Volksabstimmung das Minarett-Bauverbot in ihre Verfassung aufgenommen hatten, filmte er dort die Aufrichtung eines Minarettes und stellte den Film auf YouTube ein - als individuellen Protest gegen die seiner Meinung nach menschenrechtsmissachtende Verfassung seines Heimatlandes.
Auszeichnungen
2006 | Ritter der französischen Ehrenlegion |
1989 | World Press Photo-Preis |
Wichtige Einzelausstellungen
2010 | Maison Européenne de la Photographie, Paris |
2009 | Zentrum Paul Klee, Bern |
2007 | Auf dem Dach eines 12-stöckigen Gebäudes in Downtown Kairo |
2006 | Bank of the Arts, New Bern, North Carolina (USA) |
2005 | Landesmuseum Zürich |
2004 | Kornhausforum Bern |
2003 | Stadtbibliotek von Bordeaux Kunstmuseum Bern Museum für Gestaltung, Zürich UMAM, Beirut Musée d’arts et d’histoire, Neuchâtel |
2000 | Nationalbibliothek Algier |
1999 | Fotomuseum Winterthur Kloster und Kalkfabrik in Saint Ursanne |
1998 | L’abbaye de l’Epau, Le Mans Centre National et Musée Jean Jaurés Castres, Pavillon Delouvrier, Paris |
1997 | Witkin Gallery, New York Galerie Scalo, Zurich Museum Zündorfer Wehrturm, Köln Galerie Agathe Gaillard, Paris Museu Nogueira da Silva, Braga, (Portugal) Galerie Focale, Nyon |
1995 | Maison de la Culture, Amiens Pariser Sénat auf Einladung von Danielle Mitterand Völkerkunde-Sammlung, Lübeck Arche de la Défense, Paris Musée de l'Elysée, Lausanne |
1994 | Hong-Kong Arts Center |
1991 | Visa pour l'image, Perpignan Palais de la Culture, Algier |
Bildbände
- eye on africa. Fotografien aus Kamerun. Text von Albertine Bourget. Schwabe, Basel 2009
- Cocainelove. Benteli, Bern 2005
- Risk. Contact statt Ausgrenzung. Contact Netz, Bern 2004
- Im Herzen Algeriens. Museum für Gestaltung Zürich. Benteli, Bern 2002
- Swisspanorama. mvgphoto.com, Paris 2002
- Du Jura au vaste monde parcours d'un photographe. Editions Ferme Asile, Sion 2000
- Jura. Visages d'une jeune république hors image. Editions Arts Vivants, Saint-Ursanne 1999
- Weltpanorama. Mit einem Geleitwort von Franz Hohler. Weltwoche-ABC, Zürich 1998
- Algerien. Der unheimliche Krieg. Benteli, Bern 1998
- Nackt im Paradies (mit Texten von Harald Szeemann und A.D. Coleman). Benteli, Bern 1997
- Sudan. Der vergessene Krieg. Benteli, Bern 1995
- Algerien. Der Traum von der Demokratie. Benteli, Bern 1993
- Swiss People. Genf/Steffisburg 1991
- Swiss Image. Benteli, Bern 1989
- „Mich trifft keine Schuld“. Dokumentation zum Sturz von Frau Kopp. Ringier, Zürich 1989
- Markt im Bernerland. Text von Ueli Schmezer. ED, Langnau 1988
- Bundeshaus-Fotografien. Grafino, Bern 1985
- Kramgasse Bern. VDB, Bern 1983
- Berner Beizen-Porträts. VDB, Bern 1982
- Gurten Folkfestival. Benteli, Bern 1981
- Unter Berns Lauben. Text von Sergius Golowin. VDB, Bern 1980
Filme
2009 | Brick Lane, 10’ |
2005 | Cocainelove, 19’ |
2002 | Guerre sans images – Algerien, ich weiß, dass Du weißt. Dokumentarfilm von Mohammed Soudani, 90’ |
Bildmaterial zu Michael von Graffenried
Verwendung des Bildmaterials nur in Verbindung mit der Berichterstattung über die Verleihung des Dr.-Erich-Salomon-Preises 2010 an Michael von Graffenried bis Ende September 2010.
Alle Photos soweit nicht anders angegeben © by Michael von Graffenried, www.mvgphoto.com, Courtesy Galerie Esther Woerdehoff Paris.
Michael von Graffenried Download 72dpi und 300dpi |
Angst eines Zivilpolizisten, Algier 1996 |
School Girls, Cairo 2007 Download 72dpi und 300dpi |
Inside Cairo, Dokumentation Photo Installation auf einem Dach in Dwon Town Kairo 2007 |
Riot Police, Cairo 2008 Download 72dpi und 300dpi |
Schwarzes Gold, Hassi Messoud 1995 |
Baka Boy, Pygmäen Junge im Urwald, Ost Kamerun 2008 |
Sonnenuntergang in Kribi, Kamerun 2008 |
Astrid und Peter, Cocainelove 2004 |
Nackt im Paradies, Federball Mädchen, Thielle 2001 |
Cocainelove, Photo Dokumentation Strasseninstallation, Bern Schweiz 2005 |