Kazimieras Mizgiris
Wind + Sand: Kurische Nehrung

Herausgeber Christiane Stahl (DGPh) für die UAB Gintaro Galerija Nida
Texte von Christiane Stahl in Deutsch und Englisch
Festeinband, Duotoneabbildungen,, 128 Seiten, 79 Schwarz-Weiß- Fotografien
Kehrer Verlag, Heidelberg, 2019
ISBN 978-3-86828-962-6 2019; 39,90 Euro

Die Alfred Ehrhardt Stiftung setzt mit dem Buch »Wind + Sand: Kurische Nehrung« ihre Reihe zur Photographie der `Neuen Sachlichkeit´ fort. Sie nimmt Bezug auf die Werkgruppen von Alfred Ehrhardt indem sie zeitgenössische Photographen einlädt ihre künstlerische Position zu einer Werkgruppe Ehrhardts zu präsentieren. Nach dem Erfolg seiner Watt Serie photographierte Ehrhardt im Sommer 1934 auf der Kurischen Nehrung. Wieder erkundet er die Formenvarianten und Sandstrukturen, den geografischen Kontext und die Visualität dieser Dünenlandschaft. In seinen Bildkompositionen lenkt er den Blick des Betrachters durch eine Diagonale von links zur Bildmitte und vermittelt den Bildinhalt durch diese Erkundung. Kazimieras Mizgiris kam nicht aus photographischen Interesse nach Nida auf der Kurischen Nehrung sondern weil ihn der sowjetische Geheimdienst dorthin verbannt hatte. Bei einem photographischen Sommer Seminar des litauischen Photographen Antanas Sutkus (siehe Rezension »planet lithuania«) wird sein Blick auf die “Baltische Sahara” gelenkt, die quasi vor seiner Haustür liegend zu allen Jahreszeiten und Wettersituationen sein photographisches Thema wird. Die Formensprache wird täglich durch Wind und Eis neu kreiert. Der litauische Photograph Kazimieras Mizgiris (geb.1950) hat sich bei seiner Werkserie von Alfred Ehrhardt inspirieren lassen. Dieser hatte 1932 das Watt in Neuwerk und 1934 die Dünen der kurischen Nehrung als Formenkanon der Natur dargestellt. Die Photographien von Mizgiris greifen diese Bildkompositionen auf sind sich mit einer Sepia Wiedergabe eher ein `Malerische Darstellung´ (Piktorialismus um 1900) und entfernen sich damit von der eher `Neusachlichen Position´ eines Alfred Ehrhardt. Aber vielleicht besteht auch in dieser Verfremdung eine Neuinterpretierung `des Themas. Zu den beiden Büchern Ehrhardts, die es seit den 1930er Jahren gibt, hat die Stiftung aktuell das Mizgiris Buch editiert. Das Buch zur Ausstellung ist eine wichtige Neuerscheinung, da es einen wichtigen Photographen vorstellt und zu gleich dazu anregt, über den nationalen Tellerrand zu schauen und europäische Photographie als eine Einheit zu erkennen. (db) (Ausstellungen bis 22.12. 2019 in der Alfred Ehrhardt Stiftung, Berlin)

 

Fotografie in der Weimarer Republik
Hrsg.: Landschaftsverband Rheinland, LVR-LandesMuseum Bonn, Deutsche Fotothek in der SLUB Dresden, Stiftung F.C. Gundlach
Beiträge von Lothar Altringer, Katrin Bomhoff, Jens Bove (DGPh), Adelheid Komenda (DGPh), Sebastian Lux (DGPh), Franziska Mecklenburg, Georg Mölich und Maike Schmidt
Gebunden, 264 Seiten mit ca. 250 Abbildungen
Hirmer Verlag, 2019
ISBN: 978-3-7774-3407-0; 39,90 Euro

„Spätestens seit den 1920er Jahren ist die Photographie das zentrale Bildmedium unserer visuell geprägten Gesellschaft, unverzichtbar als Medium der Kommunikation, der Dokumentation und als Ausdrucksmittel der bildenden Kunst“ - so beginnt der einführende Text zu dem aufschlussreichen Katalogband „Fotografie in der Weimarer Republik“. Dabei währte diese Ära nur 14 Jahre. Doch waren die ereignisreichen Jahre zwischen 1918 und 1933 entscheidend für die Geschichte des 20. und 21. Jahrhunderts, im Positiven wie im Negativen: 14 Jahre voller Gegensätze in Politik, Gesellschaft, Kunst und Technik. Wie kaum ein anderes Medium hat die Photographie das Gesicht dieser Epoche geprägt. Beflügelt durch die Neuerungen in Kamera-, Film- und Drucktechnik, aber auch angeregt durch das Bauhaus und die Idee eines „Neuen Sehens“ wurden die Photographinnen und Photographen experimentierfreudig wie nie zuvor. Mit der Kamera blickten sie steil nach oben oder senkrecht nach unten, aus fahrenden Autos heraus oder in vielfach spiegelnde Fensterscheiben hinein. Der Bauhauslehrer László Moholy-Nagy prophezeite 1927, dass Photographie schon bald ein Unterrichtsfach „wie heute das abc oder einmaleins“ sein werde und der „photographieunkundige der analphabet der zukunft“ sei. Photographie und Text verbanden sich zur modernen Reportage. Mit der Ermanox und ihrem lichtstarken Objektiv, ab 1925 mit der ‚Kleinfilmkamera‘ Leica  wurden Presse-Photographen wie Erich Salomon und Friedrich Seidenstücker zu Stars und die ‚Berliner Illustrirte Zeitung‘ mit zwei Millionen Exemplaren die auflagenstärkste Wochenzeitung der Welt. In 400 teils unveröffentlichten Photographien aus der Weimarer Republik wirft der Bildband, angelehnt an die Dauer dieser Epoche eingeteilt in 14 jeweils mit einem kurzen Text eingeleitete Themen, unter anderem Porträt, Technik und Fortschritt, Glanz und Elend, Fotografierte Kamera, Arbeiterfotografie, Architektur, Sport oder Neues Sehen sowie einem abschließenden Essay „ . . . das Leben in Bildern sehen“ über die fotografische Sammlung Ullstein,  einen Blick auf diese turbulente Zeit und lässt Modernität und Lebensgefühl der Epoche ebenso spürbar werden wie ihre Widersprüchlichkeit und Zerbrechlichkeit. Dabei stehen bekannte Photographennamen, wie Herbert Bayer, Karl Otto Bloßfeld, Alfred Eisenstaedt, Hugo Erfurth, Heinz Hajek-Halke, Lotte Jacobi, Herbert List, Felix H. Man, Martin Munkacsi, Man Ray, Albert Renger-Patzsch, Willi Ruge, August Sander oder Paul Wolff, neben zahlreichen Bildern von unbekannten Autoren, die erstmals wieder zu entdecken sind. (vZ) (Ausstellung im LVR-Museum, Bonn, noch bis 19. Januar 2020).

 


Boris Becker (DGPh)
Bunker

Texte: Roland Augustin, Marcel Beyer, Gabriele Conrath-Scholl (DGPh) in Deutsch, Englisch und  Französisch
Festeinband, Duotoneabbildungen, 352 Seiten, 850 Schwarz-Weiß + 45 Farb- Photographien
Snoek Verlag, 2019
ISBN 978-3-86442-289-8; 68,- Euro

Das Buch zur Ausstellung in der Photographischen Sammlung der SK Stiftung/ Kultur ist ein Kooperationsprojekt mit dem Saarlandmuseum – Moderne Galerie, Stiftung Saarländischer Kulturbesitz, Saarbrücken. Die Werkgruppe „Bunker“ ist während seiner Studienjahre bei Bernd Becher entstanden, was man aus heutiger Sicht auch deutlich sieht. Boris Becker hat in der „stringent umgesetzten künstlerischen und photographischen Methode“ eine Anregung für das eigene fotografische Thema gesehen. In der Bunkerserie hat er auch die „möglichst neutrale, detailgenaue und authentische“ Wiedergabe der Motive angewandt. Der archivarische Charakter tritt in den Bunker Serien nicht so stark hervor, da diese in ihrem Umfeld dargestellt sind und damit eine größere Individualität der Objekte aufweisen. Und doch ist wie bei fast allen solchen stilistischen Positionen ein charakteristischer Aspekt anders! Becker hat das Umfeld („angrenzende Häuser, Straßenzüge, parkende Autos oder angebrachte Plakatierungen“) ganz bewußt in seine Kompositionen mit einbezogen und nutzt es für seine Wahrnehmung des jeweiligen Bauwerks, wie auch Details von Eingängen, Luftöffnungen und deren Strukturen. So wie dem heutigen Betrachter ist es Boris Becker auch selbst ergangen, er hat aus dem Archiv keine Studienarbeit hervorgezogen, sondern vielmehr eine Auswahl aus heutiger Perspektive mit den Augen und der Wahrnehmung des heutigen Künstlers, die Motive reflektiert und nach Örtlichkeiten und Bauweisen ausgewählt. Um den Zweck „Zivilschutz“ möglichst effektiv zu erreichen sind die Bunker architektonisch getarnt indem ihre Silhouetten „Wohnhäuser, einer Kirche oder eine Festungsanlage“ vortäuschen. Alle Aspekte zusammen erzeugen eine Interferenz zwischen Wirklichkeit(sbild) und Rezeptionsmöglichkeit, die reflektierende Wahrnehmung ist ein künstlerischer Parameter des Photographen. Die Einbeziehung der farbigen Motive mit jüngerem Entstehungszeitpunkt bringen die heutige Nachnutzung und Geschichtsthemen in die Wahrnehmung mit ein. Aber ob sie stilistisch photographisch das Werkthema ergänzen, würden wohl nicht nur das Ehepaar Becher hinterfragen. Die Buchgestaltung in ihrer klaren SW Optik und die klare Systematik der Photographien wird auch in den Bildtexten fortgesetzt. So sind im Glossar nach Städten sortiert und mit Straßennahmen strukturierte Motivreihen, die noch einmal die Erkenntnisse zur künstlerischen Strategie nachvollziehen lassen. Das Buch ist eine wichtige Neuerscheinung, da es stilistisch einen bedeutenden Photographen und zu gleich im kunsthistorischen Kontext diese wichtigen photographischen Werkserie zur `dokumentarischen Photographie´ vorstellt. (db) (Ausstellungen bis 9. Februar 2020 in der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur (Köln) anschließend im Saarlandmuseum – Moderne Galerie)

 

Martin Parr
Early Works

Text von Jeffrey Ladd in Englisch
Hardcover, Leineneinband (ohne Schutzumschlag)
30 x 25 cm, 144 Seiten
RRB Photobooks, 2019
ISBN: 978-1999727598; 55,- Euro

Passend zur Retrospektiv-Ausstellung zu Martin Parr (Dr.-Erich-Salomon-Preisträger 2006) ist soeben in einem englischen Verlag - gleichzeitig mit einem Überblickswerk zu Tony Ray-Jones, der wiederum selbst einen großen Einfluß auf Martin Parr gehabt hat - der Band Martin Parr: Early Works erschienen. Dieser breit angelegte, aus bekannten Werken wie aus bisher unveröffentlichtem Material bestehende Band behandelt den frühen Teil der Karriere von Parr. Er beinhaltet Bilder, die zwischen 1970 und 1984 hauptsächlich im Norden Englands und in Nordirland aufgenommen wurden. Somit finden wir in Early Works viele der legendären frühen Aufnahmen, wie sie in früheren, inzwischen zumeist vergriffenen Veröffentlichungen wie Bad Weather, A Fair Day, Non-Conformists oder Prestwich zu sehen waren. Außerdem wird jeder Betrachter an die späteren Farbphotographien, etwa in Last Resort oder Small World erinnert. Eine Neuentdeckung sind die surrealistisch anmutenden Bilder, wie z.b. Stonehenge, 1976 oder die Abondened Morris Minors aus den frühen 1980er. Ganz im Gegensatz zu den farbenfrohen, glänzenden Covern der letzten Jahre ist die Gestaltung von Early Works vornehm zurückhaltend: der türkis-farbene Leineneinband, der das aufgebrachte S/W-Bild auf dem Cover einrahmt, bleibt der einzige Farbtupfer; auch auf farbige Trennseiten wurde verzichtet wie auf jegliche Einteilung. Die Bilder sind in eine - mit wenigen Ausnahmen - zeitliche, sowie thematische Ordnung gebracht. Ebenso wurde an Seitenzahlen gespart, so dass sich der Betrachter bei der Zuordnung der Bilder zum zwei-seitigen Appendix alle Aufnahmen in Ruhe noch einmal ansehen kann. Dazu passend hebt Jeffrey Ladd in seinem sehr lesenswerten Einleitungstext hervor, wie zeitlos Martin Parrs S/W-Aufnahmen sind. Insgesamt verspricht das auf dem Cover zu sehende Bild der verschneiten Isetta, eine Ruhe und Ausgeglichenheit, die Martin Parrs Early Works den ganzen Band über halten kann. Ein Erwerb ist eine extrem lohnenswerte, weil beglückende Anschaffung.“ (© Richard G. SPORLEDER, 2019)

 

Martin Parr
Kleingärtner

Text von Ralph Goertz in Deutsch und Englisch
Hardcover, 23.5 x 22,5 cm. 96 Seiten mit 96 Farbabbildungen
Verlag der Buchhandlung Walther König, 2019
ISBN: 978-3960986577; 29,80 Euro

Mit "Kleingärtner" schuf Martin Parr (Dr.-Erich-Salomon-Preisträger 2006) eine neue Serie, die er in fünf Gartenbauvereinen in Düsseldorf und Krefeld realisierte. Hier traf er auf den gerade mal 15jährigen Mathis, der den Garten für seinen Vater betreibt, auf eine Mehrgenerationenfamilie, die Obst und Gemüse ausschließlich unter streng biologischen Gesichtspunkten anbaut, junge Familien, Imker, Kakteenzüchter, Hobbylockführer und Petra die "Tomatenfrau". Mit britischem Humor blickt Martin Parr auf diese tief im urdeutschen Klischee verwurzelten Spezies des Kleingärtners. Für seine erste Retrospektive in Deutschland holt Ralph Goertz, Kurator und Direktor des IKS, Martin Parr in das NRW-Forum nach Düsseldorf. Neben den berühmtesten Arbeiten des britischen Photographen aus vier Jahrzehnten, widmet sich Martin Parr auch einem urdeutschen Klischee, dem Kleingärtner.

 

Masahisa Fukase
Family/Kazoku

Mit einem Text von Tomo Kosuga in Englisch
Gebundene Ausgabe, 96 Seiten, mit 34 Schwarzweißabbildungen
Mack Books, 2019
ISBN: 978-1912339570; 50,- Euro

"Meine ganze Familie, deren Bild ich im Milchglas invertiert sehe, wird eines Tages aussterben. Diese Kamera, die ihre Bilder reflektiert und einfriert, ist tatsächlich ein Gerät zur Archivierung des Todes." (© Masahisa Fukase) Die Familie FUKASE betrieb seit drei Generationen ein Photostudio in Bifuka, einer kleinen Provinzstadt in der nordjapanischen Provinz Hokkaido. Im August 1971, im Alter von 35 Jahren, kehrte Masahisa Fukase aus Tokio zurück, wohin er in den 1950er Jahren gezogen war. Er erkannte, dass das 'Fukase Photographic Studio', das sein jüngerer Bruder aufgebaut hatte, zusammen mit den wachsenden Familienmitgliedern das perfekte Motiv für eine Serie von Porträts darstellte: Zwischen 1971 und 1989 kehrte er regelmäßig zurück und nutzte das Familienstudio, die großformatige 'Anthony View Camera 'und die wechselnde Familienaufstellung als Grundlage für die Serie. Masahisa Fukase zählt heute zu den renommiertesten, aber in seiner Bildsprache auch radikalsten japanischen Photographen seiner Generation. 1934 in Bifuko, Hokkaido, in eine Photographenfamilie hineingeboren, lebte er seit den 1950er-Jahren in Tokio, kehrte aber regelmäßig in das Haus seiner Eltern, die ein erfolgreiches Photoatelier führten, zurück. Auch im nun wieder vorliegenden Bildband ist eine Aufnahme des Elternhauses aus dem Jahr 1974 das erste Motiv der Serie, die 1990 mit einem letzten Motiv desselben Gebäudes beschlossen wird: Das Familienunternehmen hat seinen Betrieb eingestellt, die Fenster sind verschlossen, die Schriftzeiten und die Werbemarkise entfernt. Dazwischen liegen die Aufnahmen der Familienmitglieder: als Gruppe, zu zweit, allein. Wir sehen die Personen altern und verschwinden, so sind schließlich, nach ihrem Tod, Vater und Nichte nur noch als gerahmte Porträts in den Familienverband integriert. Darüber hinaus gibt es weitere Besonderheiten, so verschwindet auch Fukases Ehefrau Yoko aus dem Gruppenporträt, wird allerdings durch eine Schauspielschülerin „ersetzt“, ihr Platz wird somit freigehalten. Die Trennung von seiner Frau war eine dramatische Erfahrung für den Photographen, die er unter anderem in seinem bekanntesten und intensivsten Bildband Ravens (1986) verarbeitete. Und es gibt weitere Unterschiede zum klassischen Familienbild: Einzelne Familienmitglieder zeigen sich nackt oder in Unterwäsche. Und manchmal wenden sich die Porträtierten vom Betrachter ab, nur einzelne Mitglieder der Familie sind dem Betrachter zugewandt. Diese Unregelmäßigkeiten brechen die Chronologie der Jahre immer wieder auf, sind der Versuch des Photographen mit Humor dem unabänderlichen Verstreichen der Zeit entgegen zu treten. Und diese Variationen lassen umso mehr Raum für Interpretationen und empathische Überlegungen. So wird diese vermeintlich private Familienchronik zu einer generellen Studie über Familie, Herkunft und Zusammengehörigkeit. Kazoku, so der japanische Titel, war das letzte von ihm selbst veröffentlichte Buch desPhotographen. Bei einem schweren Sturz in seiner Lieblingsbar zog er sich ein Jahr später ein schweres Hirntrauma zu, von dem er sich bis zu seinem Tod 2012 nicht mehr erholen sollte. Family wurde so zu einem privaten Vermächtnis – der Photograph selbst entschwand langsam aus dem Blickfeld der Photographiegeschichte, während sein Werk immer mehr Wertschätzung erfuhr. Auch fast 30 Jahre nach seinem Erscheinen hat Family nichts von seiner speziellen Magie verloren.

 

Dieter Leistner (DGPh)
Waiting

Mit einem Text von  Klaus Honnef (DGPh) in Deutsch und Englisch
Festenband mit 156 Seiten und 70 Farbabbildungen
avedition, 2019     
ISBN: 978-3-89986-314-7; 25,- Euro

Beobachtungen aus über 40 Jahren: Ein Panoptikum wartender Menschen auf der ganzen Welt an Haltestellen von Europa bis Neuseeland. Seit 1978 photographiert Dieter Leistner wartende Menschen an Haltestellen auf der ganzen Welt. Ob in Asien oder Europa, Südamerika oder im Indischen Ozean, ob auf dem Land oder in der Stadt, ob in Kapitalismus oder Sozialismus – Leistner hält die Wartenden subtil und mit professionellem Blick fest. Dabei entfaltet er einen Kosmos an Momentaufnahmen mit ganz eigener Aura: mal heiter, mal melancholisch, mal belebt, mal einsam. Der Betrachter ist dabei immer Teil der Komposition, erkennt er sich doch in manchen Wartenden leicht wieder. Dieter Leistner ist Professor für Photographie an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Würzburg und international als Lehrbeauftragter tätig. Mit zahlreichen Ausstellungen zählt er zu den bekanntesten deutschen Photographen der Gegenwart. Seine Photos wurden vielfach ausgezeichnet und publiziert.

 

Wendelin Bottländer
Bunt und Grau - Ost-Berlin 1980 bis 1983

Mit einem Text von Bernd Lindner
Gebunden, 128 Seiten, Farbabbildungen
mitteldeutscher verlag, 2019
ISBN: 978-3-96311-193-8; 18,- Euro

Ein Rheinländer in Ost-Berlin – von 1980 bis 1983 photographierte Wendelin Bottländer auf mehreren Reisen in die damalige Hauptstadt der DDR, den östlichen Teil der Spreemetropole, ihren Alltag zwischen dezenter Farbigkeit und tristem Grau, zwischen postuliertem Fortschritt, Stillstand und Verfall. Es gelingen ihm einzigartige und – beim bevorstehenden Grenzübertritt auf der Rückfahrt – gewagte Porträts einer urbanen Landschaft wie Detailstudien eines Alltags, der längst historisch ist. Ursprünglich für den Abdruck in Zeitschriften gedacht, liegen nun viele dieser besonderen Aufnahmen in diesem Band in Erstveröffentlichung vor.


 

Roger Melis
Die Ostdeutschen

Photographien aus dem Nachlass, 1964-1990
Herausgegeben von Mathias Bertram
Vorwort von Mathias Bertram
Festeinband, 208 Seiten mit 169 Duotone-Abbildungen
Lehmstedt Verlag, 2019
ISBN 978-3-95797-083-1; 28,00 Euro
Limitierte Sonderausgabe »In einem stillen Land« und »Die Ostdeutschen« im Schuber; ISBN: 978-3-95797-081-7; 48,- Euro

Der Lehmstedt Verlag ehrt mit dem Bildband »Die Ostdeutschen« den Fotografen Roger Melis (1940–2009). Die hier gezeigten 25 photographischen Serien spannen den Bogen von der „Militärparade am Tag der Befreiung 1965“ bis zur „Feier der Deutschen Einheit am 3. Oktober 1990“ und er wurde so mit seinen Porträtstudien zum Chronisten der „Honnecker DDR.“ Es ist eine klassische Autorenphotographie, deren Portraitstudien an die Werkserien von Hugo Erfurt und August Sander anknüpfen. Wie bei Sanders „Antlitz der Zeit“ sind es Menschen unterschiedlicher Berufsgruppen und sozialer Schichten, in der Kleinstadt, auf dem Lande, in Werkstätten und Fabriken, bei öffentlichen Veranstaltungen und privaten Feiern. Entsprechend seinem photographischen Leitbild „Die 'Wahrheit des Unsensationellen'“ hat er Bilder gefunden für Skepsis und Resignation aber vor allem für den vielseitigen kulturellen Kosmos, aus allen Motiven spricht dabei die Empathie des Photographen gegenüber seinem Sujet. Die Photographien zeichnen von den Arbeits- und Lebensbedingungen der 60er-80er Jahre ein differenziertes Bild quasi ein „Antlitz der DDR.“ Kern dieser außergewöhnlichen Arbeit sind die Porträts von Schriftstellern, Künstlern und Schauspielern, Kindern, Jugendlichen und Familien sowie einer langen Reihe von Berufsporträts. Mit diesem Konvolut steht Melis konzeptionell und stilistisch in der Nachfolge von August Sander wohl nur vergleichbar mit Stefan Moses „Deutsche West.“ Das Buch ist eine wichtige Neuerscheinung, da es stilistisch einen bedeutenden Photographen vorstellt und zu gleich ein besonderes Zeitdokument in klassischer SW Photographie ist, das dazu anregt, über den regionalen Tellerrand zu schauen und deutsche Phtographie als eine Einheit zu erkennen. Siehe das Zitat von Frank Schirrmeister: „.... Der Titel des Buches stellt Melis' Bilder stolz in eine Reihe mit anderen einschlägig berühmten Werken der Photogeschichte. Dieses Selbstbewusstsein und der Anspruch, die Interpretationshoheit über die eigene Geschichte zurückzuerobern, bringt frischen Wind in den innerdeutschen Diskurs.“ (db)
 

 

Lia Darjes
Tempora Morte

Text von Andrei Zavadski Deutsch, Rusisch und Englisch
Hardcover mit Prägung und eingeklebtem Bild, 22 x 24 cm
72 Seiten mit 30 Farbabbildungen
Hartmann Books, 2019
ISBN 978-3-96070-036-4; 28,- Euro
Limitiere Edition: »Stillleben mit Himbeeren und Birnen«
Fine art print | 24 × 30 cm | Auflage von 50
Mappe mit Print und Buch, signiert, € 180,–

Während einer Einladung nach Kaliningrad (vormals Ostpreußen) entdeckte Lia Darjes die kleinen improvisierten Markstände an den Straßenrändern dieser von der Entwicklung des modernen Europas weitgehend abgeschnittenen, vernachlässigten Gegend. Die „Oblast“ Kaliningrad war bis 1991 militärisches Sperrgebiet und ist seit dem Ende der UDSSR eine russische Exklave, die  isoliert zwischen den EU Mitgliedern Polen und Litauen liegt. Alte Frauen bieten auf einfachsten, improvisierten Ständen an, was sie mit ihrer Hände Arbeit aus Ihren Gärten oder nahegelegenen Feldern und in den Wäldern ernten, um ihre Rente aufzubessern. Die Bilder leben von der Aura der Einfachheit und Schlichtheit der Warenpräsentationen auf dem Boden, auf Holzkisten, Zeitungen oder einfachen Campingtischen. Lia Darjes Bilder zeigen in klassischer, fast zeitloser Anmutung, was es im Angebot gibt: Kartoffeln, Äpfel, Beeren, Blumen, Knoblauch Knollen, selbstgemachte Marmelade, ausnahmsweise auch einmal ein Stück Fleisch. Einige wenige Porträtbilder der Marktfrauen und Händler ergänzen diese Stillleben. Mit den Bildern der Tempora Morte Serie geht es der Fotografin darum, eine zeitgemäße Verbindung des klassischen Stillleben-Genre mit aktueller dokumentarischer Fotografie zu entwickeln. (Ausstellung in der Galerie Robert Morat, Berlin, November 2019)

 

Paul Graham
Mother

Geprägtes Hardcover mit japanischen Papieren, 60 Seiten mit 19 Farbabbildungen
Mack Books,2019
ISBN: 978-1912339457; 45,- Euro

Künstler, die ihre Mutter zeichnen oder malen, sind zu Ikonen der Kunstgeschichte geworden - von Whistler über Freud, Cezanne, Hockney, Ingres, Gauguin oder Durer, deren brutal ehrliche Porträts seiner Mutter darauf bestanden, dass „ selbst die kleinsten Falten und Adern nicht ignoriert werden dürfen “ . Paul Grahams erstes Hauptwerk seit 2014 „Does Yellow Run Forever?“ enthält Porträts seiner gealterten Mutter, die in einem Altersheim in England auf ihrem Stuhl sitzt. Grahams Kamera bewegt sich kaum, und seine Mutter schläft mit geschlossenen Augen auf fast jedem Bild. Graham nutzt die Palette der sanften Töne des Alters - eine geblümte Bluse, eine rosa oder lavendelfarbene Strickjacke - das Licht kommt aus einem einzigen Tageslichtfenster, weich, natürlich und konstant. Als kleinen Versuch, den Betrachter photographisch zu "unterhalten", bemerkt dieser subtile Verschiebungen des sorgfältig ausgewählten Fokus von einem Auge zum anderen, zu einem losen Faden auf einem Knopf oder einer losen Haarsträhne. Eingefroren in der Zeit, wird das Ausfransen des Lebens durch bescheidene Details ausgedrückt. Kraftvolle emotionale Resonanz entsteht durch zarte Beobachtung. Die Sterblichkeit und das langsame Auflösen des späten Alters sind hier das Hauptthema, aber es gibt auch eine Dualität im Kern dieser Bilder: Während der Leser zwischen Leben und Tod schwankt, tauscht das Kind die Rolle des Beobachters mit seinem Elternteil. Das Geschaffene wird zum Schöpfer.

 

Marcia Resnick
Re-visions

Mit Photographien und Texten von Marcia Resnick in Englisch
Gebunden, 104 Seiten mit 48 S/W-Abbildungen
Edition Patrick Frey, 2019
978-3-906803-93-7; 52,- Euro

Nach einem schweren Autounfall in Manhattan 1975 erwachte Marcia Resnick im Spital und liess ihr bisheriges Leben Revue passieren, um ein Verständnis darüber zu erlangen, wie sie überhaupt an diesem Punkt angelangt war. Sie begann Ideen niederzuschreiben und Bilder zu zeichnen – Material, aus dem sie ein neues Buch kreierte. 1978 erschien bei The Couch House Press in Toronto die erste Ausgabe von Re-visions, ein eindringlich scharfsinniger, autobiografischer Bildband, der sich aus inszenierten Fotografien zusammenstellt. Re-visions handelt von Erinnerungen, die oftmals zugespitzt dargestellt werden, um die conditio humana aus einem ironischen Blickwinkel zu betrachten. Text und Bild ergänzen einander, um ein ganzheitliches Narrativ zu formen. Andy Warhol nannte es damals «Schlecht» und gemäss Allen Ginsberg war es «Schlau…für ein Mädchen». Heute, 41 Jahre später, erhält die Neuauflage von Re-visions viel Lob von Resnicks langjähriger Bekannten Lydia Lunch: «Eine süsse Wendung, die in mysteriösen Klängen flüstert, um die köstliche Perversion der aufkeimenden Adoleszenz anzukündigen».

 

Stephen Wilkes
Day to Night

Mit Beiträgen von Stephen Wilkes, Lyle Rexer
Texte: Englisch, Deutsch, Französisch
260 Seiten
Format: 42 x 33 cm, Hardcover mit Schutzumschlag
Köln, Taschen-Verlag
ISBN: 978-3-8365-6269-0; 100,- Euro

Würde man 30 Stunden lang von einer bestimmten Stelle auf einen berühmten Ort blicken, ohne die Augen zu schließen, dann wäre man noch immer nicht in der Lage, all die Details und Emotionen zu erfassen, die in einem Panoramaphoto von Stephen Wilkes zu finden sind. Der amerikanische Photograph hat eine Technik gefunden, die symbolträchtigsten Orte der Welt in einem neuen Licht erscheinen zu lassen: Er komprimiert natürliche Landschaften ebenso wie Stadtansichten zu außergewöhnlichen Panoramen. Mit seiner speziellen Aufnahmetechnik belichtet er einen ganzen Tag von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang von einem fixen Punkt aus bis zu 2000 Einzelbilder und verarbeitet diese Fülle bildlicher Informationen später in seinem Atelier, indem er diese sorgfältig zu einem einzigen, detailreichen Bild komponiert - mit ebenso viel Liebe wie Geduld.
Der im Taschen Verlag, Köln, erschienene Bildband „Day to Night“ präsentiert 60 seiner ultraepischen Panoramen, die zwischen 2009 und 2018 entstanden sind – vom Markusplatz bis zu den Champs-Élysées, von Shanghai bis Coney Island, vom Trafalgar Square bis zum Roten Platz: Orte und Wahrzeichen, die fester Bestandteil unseres kollektiven Gedächtnisses sind. So wartete Wilkes beispielsweise mehr als zwei Jahre auf die Genehmigung, Papst Franziskus bei der Feier der Ostermesse im Vatikan photographieren zu dürfen. Daraus entstand ein lebendiges Tableau, auf dem der Pontifex insgesamt zehnmal zu sehen ist. Der Band zeigt zudem einige der außerordentlichen Details, die wesentlicher Bestandteil des endgültigen Bildes, ja eigene kleine Kunstwerke sind. Jedes einzelne Bild zeigt einen faszinierenden Trip von der Morgen- bis zur Abenddämmerung - das tägliche Pulsieren natürlicher und künstlicher Sehenswürdigkeiten erlebt man auf diese Weise völlig neu. Der Schriftsteller und Kurator Lyle Rexer erläutert Wilkes’ Werdegang und Arbeitsweise in seinem, dem Bildteil unter dem Titel „Die ausgedehnte Zeit“ vorangestellten Textbeitrag. Danach fragte sich der Photograph schon 1987 beim Arbeiten am Strand von Kalifornien, ob es möglich sei, eine Aufnahme zu machen, die alles erfasst: „Wie lässt sich die Kluft schließen zwischen dem, was Auge und Körper erleben und dem, was die Kamera aufzeichnet? Wie fühlt sich der Tag an? Wie wanderte die Sonne über den Himmel, wie veränderte sich das Licht?“ 2005 ermöglichte die Anschaffung einer Panoramakamera mit 4x5-Zoll-Digitalückteil es dem Photographen, von ein und demselben Ort über die Zeit hinweg eine unbegrenzte Anzahl von Aufnahmen mit hoher Auflösung zu machen und diese später in Photoshop zusammenzufügen. Davon und von seiner Kunst zeugen die ganzseitig querformatig, meistens aber doppelseitig im Format 85x33 cm sowie zusätzlich zwei dann insgesamt 170 cm breite Ausklappseiten vom Grand Canyon und dem Serengeti-Nationalpark wiedergegebenen Bilder. Stephen Wilkes hat mit seiner Aufnahme- und Bearbeitungstechnik einen verblüffenden Weg kreiert, durch magische ‚Ein-Tag-im-Leben-Porträts‘ die berühmtesten Orte der Welt in einem neuen Licht erscheinen zu lassen. (vZ)

 

Fatima Tuggar
Home's Horizons

Hrsg.: Amanda Gilvin
Vorwort von Lisa Fischman, Beiträge von Jennifer Bajorek, Delinda Collier, Nicole R. Fleetwood
Texte: Englisch
144 Seiten, 70 Abbildungen in Farbe
Format: 29x24 cm, gebunden
München, Hirmer Verlag
ISBN: 978-3-7774-3316-5; 34,90 Euro

Die Werke der 1967 in Kaduna, Nigeria, geborenen Konzeptkünstlerin Fatimah Tuggar zählen seit 1995 zu den originellsten und spannendsten Beiträgen im digitalen Umfeld. In ihren Arbeiten treffen Binärcodes auf analoges Handwerk. Ihre Skulpturen, Photomontagen, Videos und interaktiven Arbeiten zu ‚Virtual Reality‘ (VR) und ‚Augmented Reality‘ (AR) hinterfragen verklärte Vorstellungen von alten Traditionen und modernen Erfindungen des 20. und 21. Jahrhunderts. Mit Hilfe von High-Tech Gadgets und konventionellen Kunstansätzen ergründet die in Kansas City lebende Fatimah Tuggar die Systeme menschlicher Interaktion, während sie, die soziale Gerechtigkeit im Visier, spielerisch neue Wege der Weltaneignung erschließt. Amanda Gilvin, die Herausgeberin des im Hirmer Verlag, München, erschienenen Bands „Home’s Horizons“, belegt in ihrem Vorwort, vor allem aber ihrem Interview mit der Konzeptkünstlerin, dass die Arbeit von Fatima Tuggar die Vorstellung von Verbundenheit mit einer einzigen Stadt, Nation oder einem Kontinent als ‚Heimat‘ aufgreift und sich heute eine Welt voller Migranten, die sich zwischen vielen Arten von Heimat bewegen, offenbart. Jennifer Bajorek, Professorin für zeitgenössische Kunst und Photographie, die Kunsthistorikerin Delinda Collier und Nicole R. Fleetwood, die sich beispielsweise mit der Rolle der Photographie im Zeitalter von Massenhaft befasst, verorten Tuggars Œuvre in ihren begleitenden Essays denn auch im Spannungsfeld von Konzeptkunst, Tech-Art und afrikanischer Kunst. Dazu gehören auch ihre neuen Experimente speziell mit Augmented Reality (AR), die der Band wiedergibt. All dies belegt, dass Fatima Tuggar heute zu den originellsten und prägenden Multimediakünstlern des digitalen Zeitalters gehört. (vZ) (Ausstellung im Davies Museum am Wellesley College, USA, noch bis 15. Dezember)

 

David Lurie
Karoo – Land of Thirst

Hrsg. David Lurie
Texte von Dirk Klopper, Loretta Ferris, Ashraf Jamal in Englisch
Gebunden, 128 Seiten mit 60 Farbabbildungen
Hatje Cantz, 2019
ISBN: 978-3-7757-4594-9; 45,- Euro

Nach zwei erfolgreichen Büchern bei Hatje Cantz beschäftigt sich der Fotograf David Lurie nun mit zwei der wichtigsten Themen Südafrikas und des globalen Ökosystems: Land und Dürre. Die »Karoo« (Land des Durstes) ist eine Halbwüste in der südafrikanischen Hochebene, die fast ein Drittel der Landesfläche umfasst. Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts blieb die Gegend aufgrund ihrer extremen klimatischen Bedingungen von europäischen Siedlern nahezu unberührt. Doch seither hat die massive Verbreitung der Schafzucht das sensible ökologische Gleichgewicht dramatisch gestört. Die Karoo trocknet seitdem immer weiter aus, mit bedrohlichen Folgen für Südafrikas Ernährungssicherheit. In seinem ganz eigenen Stil fängt Lurie unendliche Sandsteinebenen, markante Steinhügel, Schotterstraßen, verlassene Dörfer und seltene Wasserstellen ein. Seine Bilder verdeutlichen den Einfluss des Menschen auf die Umwelt und erinnern zugleich an die Bedeutung und die Schönheit der Natur. David Lurie, geboren 1951, lehrte Philosophie und war als Consultant tätig, bevor er sich der Fotografie zuwandte. 2011 kehrte er aus Großbritannien nach Südafrika zurück und lebt heute in Kapstadt.

 

Nihad Nino Pušija
Down There Where the Spirit Meets the Bone

Herausgeber: Lith Bahlmann und Matthias Reichelt
Hardcover,296 Seiten
Lehmstedt Verlag, 2018
ISBN: 978-3957970824; 38,- Euro

Die erste umfassende Monografie des aus Bosnien stammenden, seit 1992 in Berlin wirkenden Photographen Nihad Nino Pušija umspannt unter der titelgebenden Gedichtzeile von Miller Williams ein mehr als 30-jähriges Schaffen. Lith Bahlmann und Matthias Reichelt haben die Aufnahmen zu einem beunruhigenden Bilderstrom komponiert, der mit den Erinnerungen an das friedliche Miteinander unterschiedlicher Ethnien und Religionen im einstigen Jugoslawien beginnt und nur zu bald in die Abgründe eines mörderischen Krieges und seiner bis heute anhaltenden Wirkungen führt. Durch das Buch zieht sich ein roter – und keineswegs nur metaphorisch blutroter – Faden. Das Buch ist die letzte Veröffentlichung, die der international hoch angesehene Berliner Photobuchverleger und -buchhändler Hannes Wanderer noch selbst betreut hat, bevor er unerwartet am 9. September 2018 in Berlin verstarb. Unter dem Namen „Peperoni Books“ gedruckt, setzt es den Schlusspunkt unter ein außergewöhnliches Leben im Dienste der Photographie. Der Lehmstedt Verlag, der mit Peperoni, 25books und Hannes Wanderer stets freundschaftlich verbunden war, ist stolz, THE LAST BOOK OF PEPERONI verbreiten zu dürfen und die großartigen Photographien von Nihad Nino Pušija einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren.

 

Tomas Wüthrich    
Doomed Paradise

Geheftet, 47 Seiten mit 120 farbigen Abbildungen
Scheidegger & Spiess, 2019
ISBN: 9783858816429; 48,- Euro

Seit 2014 dokumentiert der Photograph Tomas Wüthrich den Alltag und die Kultur der Penan. Das ursprünglich nomadisch im Dschungel von Sarawak auf Borneo lebende Volk ist von der illegalen Abholzung des Regenwalds bedroht. Die Penan wurden in den 1980er-Jahren durch den Schweizer Umweltaktivisten Bruno Manser erstmals international wahrgenommen. Manser engagierte sich jahrelang mit Leidenschaft für die indigene Bevölkerung und wird seit Mai 2000 in Malaysia vermisst; 2005 wurde er für verschollen erklärt. «Doomed Paradise» erscheint im Vorfeld dieses zwanzigsten Jahrestags und zeichnet ein differenziertes Bild des heutigen Lebens der Penan. Begleitet werden Tomas Wüthrichs eindrückliche Farbphotographien von Texten zweier der profundesten Kenner der Penan: Der kanadische Linguist Ian Mackenzie, der ihre Sprache und Mythen untersucht, gibt Einblick in ihr Denken und Fühlen. Der Geschäftsführer des Bruno Manser Fonds, Lukas Straumann, ordnet ihre aktuelle Situation (wirtschafts-) politisch ein und verschafft einen Überblick über ihre jüngste Geschichte.

 

 

Arno Rafael Minkkinen
Minkkinen

Texte: Keith F. Davis, Vicki Goldberg, Arno Rafael Minkkinen in Englisch
Festeinbad, Leineneinband mit Schutzumschlag, 330 Seiten mit 288 Triplexabbildungen
Kehrer, 2019
ISBN:978-3-86828-922-0 2019; 75,- Euro

Seit fünf Jahrzehnten verfolgen die unbearbeiteten Selbstporträts des finnisch-amerikanischen Photographen Arno Rafael Minkkinen (*1945) das Ziel, ein Gleichgewicht herzustellen zwischen der nackten menschlichen Form und der natürlichen oder urbanen Umgebung, in der wir existieren. Ob er an Seeufern oder Stränden, in Städten oder Wäldern, auf majestätischen Berggipfeln oder begraben im Schnee arbeitet, immer führt uns Minkkinen vor Augen, dass wir vor allem anderen Wesen ohne Kleidung sind. Seine Bilder, photographiert in mehr als 30 Ländern, sind surreal, spirituell und transformativ, häufig mit humorvollem Unterton. Weltweit veröffentlicht und ausgestellt, befinden sich Minkkinens Arbeiten in den Sammlungen des MoMA, New York, des Museum of Fine Arts, Boston, des Centre Pompidou, Paris, des Musée de l'Élysée, Lausanne, des Kiasma Museum, Helsinki, des Tokyo Metropolitan Museum of Photography und vielen anderen. (Ausstellungen: Galerie Camera Obscura, Paris ab 24.10.2019 und TAIK Persons Gallery, Berlin Herbst 2019)

 

Benno Wundshammer
Punti di vista

Herausgeber Institut für Zeitgeschichte Wolfsburg
Texte von Violetta Rudolf im Interview, Alexander Kraus, Sebastian Kindler, Ivano Polastri, Katiuscia Cutrone, Massimiliano Livi in Deutsch
24 Seiten, ca. 50 Abbildungen in Schwarz-Weiß
Eigenverlag, Stadt Wolfsburg
ISBN: 2367-4431; 0,- Euro

Die Städtische Galerie Wolfsburg hat mit der Zeitschrift »Das Archiv. Zeitung für Wolfsburger Stadtgeschichte« ein außergewöhnliches und sehr effizientes Dokumentationsmedium für besondere Photographie-Ausstellungen zur Zeitgeschichte in Wolfsburg gefunden. Die aktuelle Ausgabe #015 stellt die Reportage des Photographen Benno Wundshammer (1913 – 1986) in der QUICK mit dem Titel „Brauchen wir denn wirklich diese Italiener?“ vor. Dem gegenübergestellt sind die „Italienische Selbstbilder“ die sozusagen die Inneneinschätzung visualisieren. Neben den Photographien im bildjournalistischen Stil, sind auch die Textbeiträge sehr interessant wie z.B. „Journalistische Praxis“, oder: „Aufschlussreiche Notate“, da sie damalige photographische Arbeitsweise vorstellen. Der Werdegang des Photographen Benno Wundshammer und seine Journalistentätigkeit werden von den 1930er bis in die 1970er Jahre beleuchtet und somit in Zeiten wechselnder politischer und weltanschaulicher Systeme. Auch die heutige Bewertung der photographischen Motive „Zwischen Dokumentation und Inszenierung“ durch Zeitzeugen ist stilistisch und in Bezug auf die photographische Authentizität von Bedeutung. Das Gesellschaftsbild „Bella figura am Mittellandkanal“ zeigt welche Position die Italiener in der bundesdeutschen Gesellschaft der 1960er Jahre einnahmen.
So ist diese Publikation nicht nur für den Bildjournalismus der 1960er Jahre interessant „Photojournalismus als Spiegel der sozialen Wirklichkeit?“ sondern auch ein Zeitdokument vom Beginn der Migration, das zeigt, wie schnell sich Geschichte wiederholt, wenn man die aktuelle politische Diskussion zu fehlenden Arbeitskräfte beachtet. (db) (Ausstellung in der Städtischen Galerie Wolfsburg bis 1. Dezember 2019)

 

Noël Quidu
. . . und Gott schuf den Krieg

Texte: Cyril Drouhet in Französisch, Englisch und Deutsch
Hardcover, 272 Seiten mit 142 Photos
Edition Lammerhuber
ISBN: 978-3-903101-67-8; 59,- Euro

Der Bildband „Und Gott schuf den Krieg“ mit seinen harten und aufrüttelnden, zumeist doppelseitig gedruckten Farbphotographien will nicht schön sein, sondern daran erinnern, dass Frieden und Freiheit in unserer globalisierten Welt mehr denn je gefährdet sind. In Zeiten des Krieges brechen alle Dämme und die Menschen werden fortgespült von einer Welle aus Hass, Gewalt und Angst. Dabei berufen sich viele voller Inbrunst auf einen einzig wahren, allmächtigen, unfehlbaren Gott. Doch wo inmitten dieses Blutrausches ist er zu finden, dieser eine Gott, der den Frieden verkörpert?
Das in der Edition Lammerhuber erschienene, großformatige Buch dokumentiert in Bildern des französischen, mehrfach mit dem World-Press-Photo-Award ausgezeichneten Photographen Noël Quidu die seit 1990 vom Krieg geprägten Jahre. Es zeigt ein schonungsloses Bild des ganzen Irrsinns, dessen Menschen fähig sind, die ihre Überzeugungen wie ein Banner vor sich hertragen.
Die Texte dazu stammen von Cyril Drouhet, den heutigen Direktor für Photographie beim Le Figaro Magazine sowie Kurator des Photofestivals La Gacilly und bis 2002 Direktor der Nachrichtenagentur Gamma, wo er intensiv mit Noël Quidu zusammengearbeitet hat. Die anklagenden Aufnahmen, alle mit Ort, Aufnahmedatum und Bildunterschrift versehen, führen in vier Kapiteln vor Augen, welche Folgen politische, wirtschaftliche und religiöse Entscheidungen haben können. Das Kapitel „Die Mauer fällt, die Welt taumelt“ beleuchtet den Zeitraum vom Zerfall der Sowjetunion bis heute, beginnend mit dem Auseinanderfallen Jugoslawiens und fortgesetzt in den ehemaligen sowjetischen Republiken Tschetschenien, Georgien und Ukraine bis Afghanistan und Kaschmir. Zur gleichen Zeit wuchs in Afrika die Hoffnung, dass dort ein Zeitalter des Friedens und des Wohlstandes anbrechen würde - leider vergebens. In dem Kapitel „Brandherd Afrika“ beweisen die Photographien, dass in Schwarzafrika viele der weltweit schlimmsten Gräueltaten zu verzeichnen sind und die vor den Kämpfen fliehende Bevölkerung sich in riesigen, notdürftig errichteten Lagern drängt. Ebenfalls 1990 marschierten die USA in den Irak ein, letztlich um sich die Ölversorgung zu sichern. Das Kapitel „Der Orient in den Fängen des Dschihad“ mit Bildern aus allen Regionen vom Libanon über Israel und den Gazastreifen bis Syrien und Ägypten zeigt, dass damit in dem gesamten arabischen Raum ein nie dagewesener Konflikt entzündet und letztlich dem radikalen Islamismus ein fruchtbarer Boden bereitet wurde. Den Epilog des Buchs bildet „Verfluchtes Haiti“, ein von Gott vergessenes Stück Erde und der Inbegriff allen Elends: Wirbelstürme, politische Instabilität, Diktaturen, Agrarkrisen, Armut. In all den von Noël Quidu im Laufe der letzten 30 Jahre zusammengetragenen Photos spiegelt sich das willkürliche Verhalten jener wider, die die Geschicke ganzer Nationen lenken. Der Redakteur Cyril Drouhet zieht den Schluss: „Noch nie gab es in der Geschichte der Photographie ein solches Buch. Es ist ein außerordentliches Dokument. Ich kenne keinen anderen Photographen, der von so vielen Konflikten auf so unbestechliche und photographisch unvergleichliche Weise berichtet hat.“ (vZ)

 

Guiseppe Moro & Konrad Adenauer
Der Kanzlerfotograf vom Comer See

Hrsg.:  Michael Borchard, Martin Falbisoner
Beiträge von Konrad Adenauer sen., Michael Borchard, Martin Falbisoner, Norbert Lammert
160 Seiten, 103 Abbildungen in Duoton
Format: 24 x 26 cm, Halbleinen
München, Hirmer Verlag
ISBN: 978-3-7774-3354-7;  29,90 Euro

Für Deutschlands ersten Bundeskanzler Konrad Adenauer war Cadenabbia vieles in einem: Sein kleines Arkadien im Norden Italiens, Rückzugs- und Nachdenkort, aber auch die immer wieder in ein höchst stimulierendes Ambiente versetzte Schaltzentrale seiner Macht. Das Buch mit seinen einfühlsamen, bislang kaum bekannten Bildern Giuseppe Moros geben einen frischen und sehr persönlichen Einblick. Zwischen 1957 und 1966 fuhr Adenauer 18-mal an das Westufer des Comer Sees. In Cadenabbia verbrachte er mehrwöchige Arbeitsurlaube, in denen Phasen der Erholung und Reflexion mit intensiver Geschäftigkeit, dem Empfang hochrangiger Gäste und der konzentrierten Bewältigung politischer Problemlagen in stetem Wechsel standen. Zum umfassenden Dokumentar des italienischen „Ersatzkanzleramts“ in der ‚Villa La Collina‘ gegenüber Bellagio wurde der Photograph Giuseppe Moro, der wie kein Zweiter sämtliche Aspekte dieses europäischen Erinnerungsorts mit seiner Rolleiflex festhielt. Sein dabei entstandenes photographisches Werk hat durch seinen Sohn Luciano Moro Ende 2017 den Weg in das Archiv für Christlich-Demokratische Politik (ACDP) der Konrad-Adenauer-Stiftung gefunden. Wie Martin Falbisoner, der Leiter Medienanalyse und –archiv des ACDP, in seinem Beitrag darlegt, handelte es sich um 2.700 Schwarzweiß-Negative, mit denen Giuseppe Moro Adenauer und seine jährlichen Besuche am Comer See dokumentiert hat. Allerdings waren die Aufnahmen weder sachlich noch chronologisch strukturiert noch waren sie datiert. Dies ist nun in Form des im Hirmer Verlag, München, erschienenen Buchs zusammen mit Zitaten von Konrad Adenauer, seiner Wegbegleiter oder Mitarbeiterinnen versehen geschehen. Die Bilder dokumentieren, dass der Bundeskanzler in Cadenabbia oftmals Besuch seiner Minister, beispielsweise Innenminister Gerhard Schröder, Außenminister Heinrich von Brentano oder Wirtschaftsminister Ludwig Erhard, aber auch Staatsgäste, wie den italienischen Ministerpräsidenten Amintore Fanfani oder Japans Shigeru Yoshida, hatte. In den Erholungsphasen durften seine drei Töchter Ria Reiners, Lotte Multhaupt und Libet Werhahn ihren dann den berühmten Pepita-Hut tragenden Vater - im Gegensatz zu seinen Söhnen – fast bei jedem seiner Aufenthalte am Comer See besuchen Sie begleiteten ihn beim Kirchgang, streiften mit ihm durch die Landschaft oder spielten mit ihm das geliebte Boccia. So war der Photograph Giuseppe Moro umfassender Dokumentar, der wie kein Zweiter sämtliche Aspekte der Aufenthalte Konrad Adenauers in Cadenabbia festhalten konnte. Sein Werk wird nun in dem Buch „Guiseppe Moro & Konrad Adenauer - der Kanzlerfotograf vom Comer See“ anhand ausgewählter Beispiele in einer Gesamtschau präsentiert. (vZ)

 

Köln am Rhein - Von Zeit zu Zeit
Mit einem Beitrag von Rolf Sachsse

Mit Photos von Hugo Schmölz, Karl Hugo Schmölz, Marion Mennicken und Michael Albers (Rheinisches Bildarchiv)
Festeinband, 112 Seiten mit 104 Abbildungen
Nünnerich-Asmus Verlag
ISBN 978.3961760909, 25,- Euro

1947 dokumentierte der junge Kölner Photograph Karl Hugo Schmölz (1917–1986) im Auftrag der Stadt das zerstörte Köln der Nachkriegszeit. Bei seinen Aufnahmen orientierte er sich an den Köln-Aufnahmen seines bekannten Vaters Hugo Schmölz (1879–1938) sowie eigenen Aufnahmen aus den 1930er- und frühen 1940er-Jahren – und photographierte die Plätze, Gebäude und Straßen vom exakt gleichen Standpunkt aus. Dabei stehen sich das quirlige Stadtleben des Vorkriegsköln und die menschenleeren Orte mit ihren Ruinen bedrückend gegenüber. 1994 präsentierte das Kölnische Stadtmuseum diese bemerkenswerten Stadtansichten in einer vielbeachteten Ausstellung und kontrastierte sie mit neuen Photographien, aufgenommen von den Photographinnen und Photographen des Rheinischen Bildarchivs aus wieder dem gleichen Blickwinkel. Jetzt ist es Zeit, diese Triptychen durch Aufnahmen von Marion Mennicken und Michael Albers (Rheinisches Bildarchiv), aus dem Jahr 2018 zu einem Quartett zu erweitern. Das eindrucksvolle Gegenüber des unzerstörten, des kriegsbeschädigten und des modernen Köln ermöglicht einen anderen und besonderen Blick auf eine Stadt im permanenten Wandel! In 104 Photographien erleben die Leserinnen und Leser die Veränderungen der Metropole Köln in den letzten 90 Jahren – von der verschlafenen Schönheit am Rhein mit Ansätzen des Aufbruchs in die Moderne über die verheerenden Zerstörungen des Krieges und das neue Köln der 1990er-Jahre bis hin zur gegenwärtigen, nicht nur lebensfrohen, sondern auch der Zukunft zugewandten Stadt am Rhein – Photos, in denen aber auch die Probleme einer Millionenstadt des 21. Jahrhunderts nicht verborgen bleiben. (st)

 

Der Hamburger Hafen um 1900 - ein historischer Rundgang
Daguerreotypien von Franz Schmidt und Otto Kofahl
Hardcover mit Fadenheftung, 224 Seiten, 167 historische Abbildungen
Dölling und Galitz Verlag, 2019
ISBN: 978-3-86218-120-9;  49,90 Euro

„Wenn ein Schatz gehoben wird, hilft fast immer der Zufall“ - so beginnt das Vorwort von Thomas Metelmann, geboren 1955 und weithin als Sportphotograph bekannt, sein Vorwort, in dem er die Entstehung des Buchs „Der Hamburger Hafen um 1900 - ein historischer Rundgang“ schildert: Auslöser war ein Besuch bei seinem Nachbarn Dr. Werner Hummel, der die etwa 170 historischen Photographien seines Urgroßvaters Prof. Dr. Franz Schmidt (1861 – 1950) und von Otto Kofahl (1863 – 1940) in einem Holzschuber in Verwahrung hatte und seinem Besucher zeigte. Ausgerüstet mit einer schweren Holz-Plattenkamera und per Pferdefuhrwerk hatten sich die beiden Photographen zwischen 1890 und 1904 zu den verschiedensten, oft schwer zugänglichen Standorten im Hamburger Hafen begeben. Dabei umrundeten sie das gesamte Hafengebiet und hielten die Welt des Hafens mit den dort tätigen Menschen, den Schiffen, den Hafenbecken, den Arbeitsgeräten und Gebäuden im Bild fest. 1908 wurden die Photographien als Konvolut in dem Mappenwerk „Hafen von Hamburg im Bild – eine Rundfahrt durch die Hafenanlagen der Freien und Hansestadt Hamburg“ veröffentlicht. Jede einzelne ihrer als Daguerreotypie erstellten Aufnahmen ist heute ein photographischer und stadthistorischer Schatz. Das im Dölling und Galitz Verlag erschienene Buch enthält zudem die damalige Einleitung „Der Hafen von Hamburg in Bildern“ und zeigt, unterteilt in insgesamt 11 Kapitel von „Die Ankunft im Hafen“ über Krantypen, Schiffswerften, die Hafenufer und die Fleete bis zu „Hafenausfahrt“, die in hervorragender Qualität gedruckten historischen Aufnahmen zusammen mit den informativen Bildunterschriften zur Arbeitswelt im Hamburger Hafen um 1900. Die originalen Texte sind orthographisch behutsam an die heutige Zeit angepasst und beschreiben anschaulich die Arbeit. Enthalten sind außerdem eine historische Karte, die alle Aufnahmeorte verzeichnet, und eine aktuelle Karte des Hamburger Hafens zum Vergleich. Ein Essay von Gert Kähler „Der Hafen, die Lichter, die Sehnsucht . . .“  liefert einen kenntnisreichen Blick auf das Thema des alten Hamburger Hafens aus heutiger Sicht. (vZ)

 

Hans Saebens
Bilder für Bremen

Herausgeber Frauke von der Haar
Texte von Frauke von der Haar, Karin Walter in Deutsch
Festeinband, 144 Seiten, ca. 140 Abbildungen in Schwarz-Weiß
Verlag Carl Ed. Schünemann, Bremen
ISBN 978-3-7961-1056-6; 19,90 Euro

Das Buch »Bilder für Bremen« zeigt eine anderes Seite des in Bremen geborenen Photographen Hans Saebens (1895-1969), der mit seinen eindrucks- und kontrastvollen Photographien der Norddeutschen Landschaft und hier speziell der Moorlandschaft ein charakteristisches Bild gab. So sind die Torfschiffe auf der Hamme die Warft „Neuhelgoland“ und das „Günnemoor“ zu Ikonen dieser Region geworden. Weniger bekannt sind die Auftragsarbeiten für die Stadt Bremen, mit denen er entscheidend bis in die 1960er Jahre das Image der traditionsreichen und weltoffenen Hansestadt prägte. Seine photographischen Arbeiten für das Stadtmarketing zeigen Handel, das Gewerbe und die Gastronomie und vor allem die Motive aus den Übersee-Häfen. Hier hat er außergewöhnliche Photographien geschaffen, die in Komposition und Lichtstimmung bis heute unsere Vorstellung von Hafen, Handel und Seefahrt prägen. Obwohl Saebens die Photographie von Paul Wolff lernt ist er kein typischer Leica-Photograph wie Henri Cartier-Bresson mit dem Lehrsatz vom “entscheidende Moment.“ Saebens photographiert zwar auch vor Ort mit natürlichen Lichtverhältnissen, aber er komponiert seine Motive genau nur die Porträts sind aus dem Moment heraus erfasst. Für ihn ist Photographie kein „abstraktes grafisches Helldunkel- Element von neuer Formen“ vielmehr möchte er bestimmte Inhalte von Städte, Häfen, Landschaft und Menschen dem Betrachter vermitteln. Gerade auf Grund seiner Arbeitsweise – ist Saebens ein bedeutender Chronist für das 20. Jahrhundert. Das Buch ist ein wichtiger Beitrag zur stilistischen Einordnung der Photographie der 1920er bis 1960er Jahre, eine hochwertige Dokumentation der Stadt Bremen und für den ambitionierten Amateurphotographen auch eine schöne Anregung für einen eigenen Photorundgang. (db) (Ausstellung bis 9. Februar 2020 im Focke Museum, Bremen)

 

Eric Mistler
Paris Buenos Aires

Herausgeber: Matthieu Lauriot Prévost
Texte von Jean-Louis Buchet , Eric Mistler und Bruno Podalydès in Englisch, Französisch, Spanisch
Hardcover, 128 Seiten mit 117 S/W Abbildungen  
Kerber Verlag, 2019
ISBN 978-3-7356-0622-8; 45,- Euro

Paris, Buenos Aires. Zwei Städte, zwei Geschichten. Gesehen durch die Augen des Photographen Eric Mistler. Das Buch stellt jeweils zwei Photographien gegenüber, eines von jeder Stadt, ihren Bewohnern, ihren Gemeinsamkeiten und Gegensätzen. Paris Buenos Aires ist die Geschichte einer doppelten Identität zwischen zwei Kulturen, die Fantasie und Neugierde weckt. Eric Mistler wurde in Buenos Aires geboren, übersiedelte früh nach Paris und kehrte erst 2018, nach mehr als 50 Jahren, in seine Geburtsstadt zurück. Paris Buenos Aires ist eine Liebeserklärung an die beiden Städte, die ihn prägten.

 

David Bacher
Paris / NYC

Texte: Französisch, Englisch, Deutsch
144 Seiten mit ca. 100 farbigen Abbildungen
Format: 23x28 cm, Hardcover
Baden (A), Edition Lammerhuber
ISBN: 978-3-903101-65-4; 49,90 Euro

Der vielfach preisgekrönte US-amerikanisch-österreichische Photograph David Bacher, der in Paris und Nantes lebt, hat in den letzten 15 Jahren die Straßen von Paris und New York City durchstreift, immer auf der Suche nach unerwarteten Momenten, nach der Seele beider Städte. Entstanden ist eine Art Schatz, bei dem der Betrachter die beiden Metropolen auf unterhaltsame und zum Nachdenken anregende Weise entdecken und interpretieren kann. Dabei ist bemerkenswert, wie Bacher mit Farben und Kontrasten umgeht. Auch spiegeln sich die Photographien oft gegenseitig. Ebenso oft ist auf den ersten Blick nicht ersichtlich, in welcher Stadt welches Bild aufgenommen wurde – die fast ausschließlich bei hellem Sonnenschein entstandenen Photos haben bewusst keine Bildunterschriften. David Bacher schildert am Ende des Buchs seinen Werdegang: Wie er 2004 nach Paris kam, um bei der Fotoagentur VII ein Praktikum zu machen, und wie er 2008 an einem einwöchigen, von Alex und Rebecca Webb geleiteten Photo-Workshop in New York teilnahm. Danach erkannte er die Ähnlichkeiten zwischen den Photos, die er in beiden Städten gemacht hatte, legte einige Bilder nebeneinander und stellte fest, dass sie in einen visuellen Dialog miteinander traten und dass sich damit die enge historische und kulturelle Verbindung zwischen Frankreich und den Vereinigten Staaten darstellen ließ, die durch die kleine Freiheitsstatue im Jardin du Luxembourg symbolisiert wird. Der einleitende Text der in Kairo geborenen und seit 1975 unter anderem als Photohistorikerin tätigen Carole Naggar beschreibt David Bachers Arbeitsweise als ähnlich der vieler klassischer ‚Streetphotographer‘, die in Paris und New York auf unterschiedliche Weise gearbeitet haben, beginnend in den 1950er Jahren mit Louis Stettner sowie unter anderem fortgesetzt von William Klein, Henri Cartier-Bresson und Elliot Erwitt. Bachers photographische Ästhetik reiht sich in die Traditionen zwischen Stettners ruhiger Spiritualität und Kleins postmoderner Provokation ein. In dem in der Edition Lammerhuber erschienenen Bildband „Paris / New York City“ werden beide Städte erstmals in einem Photobuch neben einander gestellt. (vZ)

 

Linda McCartney
The Polaroid Diaries

Hrsg. Reuel Golden
Vorwort von Chrissie Hynde
Mit einem Essay von Ekow Eshun
Texte: Englisch, Deutsch, Französisch
Hardcover, 232 Seiten
Taschen-Verlag, 2019
ISBN: 978-3-8365-5811-2; 40,- Euro

Linda McCartney, Ehefrau von Beatle Paul McCartney, wurde 1941 als Linda Louise Eastman geboren. Die junge Rezeptionistin nahm früh an einem Photographiekurs bei Hazel Archer teil und studierte anschließend Photographie und Kunst an der University of Arizona, bevor sie sich in New York City niederließ. Ihre aktive Tätigkeit als Photographin begann bei einer Yachtparty der Rolling Stones, danach machte sie Karriere als sensible Beobachterin des Rock’n Roll. Ihre in dem im Taschen-Verlag, Köln, unter dem Titel „The Polaroid Diaries“ bisher größtenteils unveröffentlichten Porträts, Stillleben, Landschaften und Interieurs reichen von den frühen 1970ern bis in die späten 1990er Jahre, zeigen die intimere und persönlichere Seite von Linda McCartneys photographischem Werk und belegen ihr Gespür für Strukturen, Licht und Farben. In deren Mittelpunkt stehen charmante und skurrile Bilder von Paul McCartney und den vier Kindern des Paares. Zu sehen sind, wie sie Fratzen schneiden und im Schlafanzug herumtollen, wie James sich mit Wasser übergießt oder Mary und Stella sich kostümieren. Es wird getanzt, gegessen, geritten – unzählige Momente des alltäglichen Lebens auf ihrer Farm in Südengland. Wie Paul McCartney in der Einleitung sagt: „Sie hatte einfach den Blick. Viele ihrer Photos . . . es war nur ein Klick. Du musst halt den richtigen Moment erkennen . . .  Sie beherrschte das so gut, dass es mich immer wieder beeindruckt hat.“ Der Band zeigt außerdem leuchtende Landschaften in Schottland und Arizona sowie die eine oder andere Berühmtheit, wenn etwa Steve McQueen oder Adam Ant im Bild auftauchen. Andere Photos zeugen von Lindas Liebe zu Tieren – liebevolle Aufnahmen von Katzen, Lämmern, Pferden und Hühnern. Lange vor Instagram zeigt der Bildband „The Polaroid Diaries“ mehr als 200 dieser flüchtigen Eindrücke vom Leben einer außergewöhnlichen Familie in der zeitlosen Magie des Sofortbildes. In der Einleitung gedenkt Chrissie Hynde in sehr persönlichen Worten ihrer allzu früh verstorbenen Freundin Linda McCartney, während der Kunstkritiker Ekow Eshun in seinem Essay unter dem Titel „Jeder Augenblick zählt“ feststellt, dass Linda McCartneys eher beiläufig aufgenommene Polaroids ein bleibendes Zeugnis ihrer außergewöhnlichen künstlerischen Vision sind. (vZ)

 

Scott Schuman
The Sartorialist - India

Hrsg: Reuel Golden
Einführung: Bandana Tewari
Texte: Englisch, Deutsch, Französisch
Hardcover mit Schutzumschlag, 300 Seiten
Taschen-Verlag, 2019
ISBN: 978-3-8365-7707-6;  60,- Euro

Im Jahr 2008 bereiste Scott Schuman, geboren 1968 in Indiana (USA), zum ersten Mal Indien und fand dort die unermesslich breite Farbpalette, für die seine Menschen bekannt sind.
Der amerikanische Photograph, auch genannt „The Sartorialist“, übersetzt etwa „der Eleganz der Kleidung Verschriebener“, reiste danach viele Male nach Indien, um den ungezügelten, originellen Stil des Landes auf Märkten, Musikfestivals, Straßen und Kricketplätzen in Städten wie Delhi, Jaipur, Chennai und Mumbai oder auf dem Land in farbigen, teilweise auch schwarzweißen  Aufnahmen einzufangen. Der im Taschen-Verlag, Köln, erschienene Band „India“ gibt daher einen Einblick in ein Land voller Gegensätze, eine Nation, die sich weigert, zu einer homogenen, monolithischen Identität zu verschmelzen, aber auch die Einzigartigkeit seiner Menschen in Groß- und Kleinstädten. Die Photographien von Scott Schuman sind dramatisch und abwechslungsreich zugleich, erinnern an die Vielfalt der indischen Bekleidungsindustrie und die Kostüme von einst, die auch heute noch ein Teil der dynamischen, lebendigen Kultur Indiens sind, die alle Launen der Zeit überdauert hat und auch heute nach über 3000 Jahren noch immer Standard in vielen indischen Kleiderschränken sind. Dabei zieht sich ein Kleidungsstück durch das gesamte Buch: Das Gamcha, ein dünnes Baumwolltuch, mit dem im ganzen Land verschwitzte Stirne ebenso abgewischt werden, wie es als Schutz vor der Sommersonne um den Kopf und im kalten Winter um den Hals gewickelt oder nach dem morgendlichen Waschen als Handtuch benutzt wird und am Abend jungen motorradfahrenden Männern als modisches Statement dient. Zwischen dem „Sartorialisten“ und seinen Sujets herrscht eine besonders enge Verbundenheit. Er feiert Menschen aus allen Lebensbereichen und jeden Alters: Raver, Transsexuelle, Ringer, Surfer, Großväter und ‚Fashionistas‘ bis hin zu Kindern und Arbeitern. Er beleuchtet das neue Indien ebenso wie das altehrwürdige. Der Schick lässig übereinander getragener Kleidungsstücke und die noch immer weit verbreitete traditionelle Kleidung verschmelzen mit der atemberaubenden Schönheit Indiens zu einer zutiefst bereichernden visuellen und kulturellen Erfahrung. Unter dem Titel „The Sartorialist und die Textur Indiens“ wird der Band ergänzt durch ein Essay der renommierten Modeschriftstellerin Bandana Tewari, heute Editor-at-large bei Vogue India. Der großformatige Bildband „The Sartorialist: India“, der auch eine photographische Hommage an die Vielfalt und die Pracht des Landes ist, zeigt all die einzigartigen Qualitäten, die Scott Schuman weltweiten Ruhm einbrachten: das Auge des Photojournalisten für den entscheidenden Moment, die Einfühlsamkeit des Humanisten und die Wertschätzung des Kenners für Mode und Design. (vZ)

 

Steve McCurry
Animals

Hrsg:  Reuel Golden
Texte: Englisch, Deutsch, Französisch
Hardcover mit Schutzumschlag, 252 Seiten
Taschen-Verlag, 2019
ISBN:  978-3-8365-7537-9; 50,- Euro

Steve McCurry, 1950 in Philadelphia geboren, ist seit über 40 Jahren einer der bildmächtigsten Vertreter der zeitgenössischen Photographie. Seine Photos erschienen weltweit auf den Titelseiten vieler Zeitschriften und Publikationen sowie in über einem Dutzend Büchern und sind und in zahllosen Ausstellungen zu sehen.
In dem Bildband „Animals“ präsentiert McCurry die sensible Seite seines Könnens, denn er zeigt in seinen Farbaufnahmen auf unnachahmliche Weise die Beziehung von Tieren zu Menschen und ihrer Umwelt, sei es als Gefährten, Mitarbeiter, Transportmittel, Trophäen oder einfach nur zufällige Begegnung. Der Mensch liebt sein Tier, aber was empfindet der räudige Straßenhund, der eingerollt neben seinem Herrchen schläft, Kamele, die während des ersten Golfkrieges ins Schussfeld geraten, oder  vom Hirten zärtlich gefütterte Ziegen? McCurrys Photographien sensibilisieren uns nicht nur für die Schönheit der Tiere, sondern zeigen auch deren Empfindungen, ihre soziale Rolle und Würde. So ist die Zuneigung zwischen Tier und Mensch oft unmittelbar spürbar und unterstreicht den universellen Wert von Kameradschaft. Der im Taschen-Verlag, Köln, erschienene Bildband zeigt  Designer-Hunde aus Beverly Hills ebenso wie Rennpferde auf einem Dach in Hongkong, Elefanten in Thailand und Hunderte weiterer Aufnahmen aus McCurrys umfangreichen Archiven. Die kaleidoskopische Sammlung führt nicht nur durch ferne Länder und entlegene Gegenden, die von Asien über die Karibik und die USA bis nach Europa reichen, sondern lenkt unseren mitfühlenden Blick einmal mehr auf die treuen Wesen an unserer Seite oder auch auf Tiere, die völlig auf sich alleine gestellt sind und nur ihrem Überlebensinstinkt folgen. Alle Bilder sind mit Ort, Land und Aufnahmedatum gekennzeichnet sowie am Ende des Buchs nochmals klein abgedruckt und jeweils mit einer ausführlichen Bildunterschrift versehen. Die Photographien von Steve McCurry strahlen eine tiefe Wertschätzung für die Schönheit und stille Würde jedes einzelnen Lebenswesens aus. Das großformatige Buch ist nicht nur ein wundervoller Reisebericht, sondern zugleich eine berührende Hommage an die Kreaturen, mit denen wir unseren Planeten teilen. (vZ)

 

Walter Chandoha
Cats - Photographs 1942–2018

Hrsg.: Reuel Golden
Mit Texten von Walter Chandoha und Susan Michals
Texte: Englisch, Deutsch, Französisch
Hardcover, 296 Seiten
Taschen-Verlag, 2019
ISBN:  978-3-8365-7385-6; 40,- Euro

Die schicksalhafte Begegnung mit einer frierenden Katze im Winter 1949 war für den im Zweiten Weltkrieg als Kriegsphotograph tätigen Walter Chandoha der Beginn einer wundersamen Karriere, die ihn zum gefragtesten und bekanntesten Katzenphotographen der Welt werden ließ. In den mehr als 70 Jahren seines Dienstes an Felis silvestris catus hat er weit über 30 Bücher veröffentlicht, rund 300 Zeitschriftencover und Tausende von Werbeanzeigen, Plakaten und T Shirts ebenso wie ein riesiges Kodak-Colorama in der New Yorker Grand Central Station
 mit seinen samtpfotigen Heldinnen und Helden bebildert. Die tollsten von ihnen sind in dem schlicht „Cats“ betitelten, im Taschen-Verlag, Köln, erschienen Bildband zusammengetragen.
Seinen Werdegang beschreibt der 1920 in New Jersey geborene Chandoha unter dem Titel „Mein Leben mit Katzen“ im Vorwort, das er im Januar 2019 verfasste, kurz bevor er im Alter von 98 Jahren verstarb. Die bekannteste Aufnahme von Walter Chandoha zeigt seine Tochter Paula zusammen mit einem auf ihrer Schulter sitzenden mutterlosen Katzenbaby. Dabei scheinen beide - ohne einige ihrer Zähne - gleichzeitig zu lächeln, als wären sie beste Freunde. Dieses Bild nimmt die Fernsehproduzentin und Journalistin Susan Michals in ihrem Text „Der tierische Instinkt von Walter Chandoha“ als Beispiel für die intuitive Arbeitsweise des Photographen. Fortan schuf er sowohl perfekt inszenierte Kompositionen, gestochen scharf und mit satten Farben, in deren Mittelpunkt eine wunderschöne Fellkugel steht, dann schaltete er für einen anderen Auftrag um und photographierte eine vertraute, familiäre Szene in prächtigem Schwarzweiß. Dabei wusste Chandoha natürlich, dass er seinen Modellen nichts befehlen konnte. Aber zu deren Vorbereitung hatte er seine Frau Maria. „Sie hatte die Magie in ihren Händen,“ sie bereitete das Tier vor, sprach mit ihm, fühlte die Muskelanspannung und wartete, bis die Katze entspannt war, um dann ihrem Mann zu signalisieren: „Walter, sie ist bereit.“ Herausgekommen sind wunderbare Bilder von schmusenden, kämpfenden, schlafenden, mit Kindern oder auch anderen Tieren, wie Ratten, Enten, Vögeln, Waschbären und natürlich auch Hunden spielenden Katzen. Susan Michals bilanziert die Katzenbilder von Walter Chandoha mit den Worten: „Vielleicht lässt sich Chandohas Ethos am besten vom ebenfalls Katzen liebenden Leonardo da Vinci auf den Punkt bringen: Einfachheit ist die größte Raffinesse.“ (vZ)

 

Bernd Stiegler(DGPh)
Nadar-Bilder der Moderne

Texte in Deutsch
Taschenbuch, 312 Seiten
Verlag der Buchhandlung Walther König, 2019
ISBN: 978-3960984832; 19,80 Euro

Die Bilder Nadars entfalten eine Kulturgeschichte von Paris im 19. Jahrhundert: Wissenschaft und Weltausstellungen, Luftfahrt und Landwirtschaft, Haussmannisierung und Hermaphroditen, Tourismus und Theater. All das – und noch viel mehr – ist Gegenstand der Bilder. Nadar ist unser Cicerone für eine Reise durch das Paris der Moderne.

 

 

 

 

Digitalität und Privatheit
Christian Aldenhoff / Lukas Edeler / Martin Hennig / Jakob Kelsch / Lea Raabe / Felix Sobala (Hg.)

Taschenbuch, 406 Seiten
transcript Verlag, 2019
ISBN: 978-3-8376-4661-0; 39,99 Euro

Datenschutz bleibt ein umkämpftes Thema im Kontext der voranschreitenden Digitalisierung. Die Beiträge des Bandes gehen der Frage nach, welche Formen Privatheit in einer digitalen Gesellschaft annehmen kann und welche Chancen und Risiken dabei entstehen. Dabei ergeben sich medienkulturelle Fragestellungen nach den Normierungsmustern hinter digitalen Anwendungen sowie die Notwendigkeit, digitale Nutzungsszenarien zu analysieren, einzuordnen und zu bewerten. Der interdisziplinäre Band versammelt kultur-, sozial-, medien-, rechts- und politikwissenschaftliche Perspektiven.

 

 

 

Cornelia Koppetsch
Die Gesellschaft des Zorns - Rechtspopulismus im globalen Zeitalter

Taschenbuch, 288 Seiten
transcript Verlag, 2019
ISBN: 978-3-8376-4838-6, 19,99 Euro

Was noch in den 1990er Jahren undenkbar war, ist mittlerweile Alltag: Ganze Bevölkerungsgruppen verlassen den Boden der gemeinsamen Wirklichkeit, kehren etablierten politischen Narrativen zornig den Rücken oder bestreiten gar die Gültigkeit wissenschaftlichen Wissens. Der Aufstieg des Rechtspopulismus markiert nach Dekaden der Konsenskultur eine erneute Politisierung der Gesellschaft. Gängige Erklärungen für die Entstehung des Rechtspopulismus ziehen die Ereignisse der Fluchtmigration von 2015 oder vorgebliche Persönlichkeitsdefizite seiner Anhänger als Ursachen heran. Cornelia Koppetsch dagegen sieht die Gründe in dem bislang unbewältigten Epochenbruch der Globalisierung. Wirtschaftliche, politische oder kulturelle Grenzöffnungen werden als Kontrollverlust erlebt und wecken bisweilen ein unrealistisches Verlangen nach der Wiederherstellung der alten nationalgesellschaftlichen Ordnung. Konservative Wirtschafts- und Kultureliten sowie Gruppen aus Mittel- und Unterschicht, die auf unterschiedliche Weise durch Globalisierung deklassiert werden, bilden dabei eine klassenübergreifende Protestbewegung gegen die globale Öffnung der Gesellschaft.